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Dienstag, 1. September 2015

Brotzeit im Mühlhamer Keller in Osterhofen

copyright 2015 Robert Bock
Im zu Osterhofen gehörigen Örtchen Mülham findet sich direkt an einer weiten Schleife der zwischen Straubing und Vilshofen noch nahezu ungebändigt dahinfließenden Donau, ein bei Radtouristen, Ausflüglern und Einheimischen beliebtes bayerisches Wirtshaus mit Biergarten: Der Mühlhamer Keller (Mühlham 18, 94486 Osterhofen)

"Donau's schönster Biergarten" verspricht die Website des Wirtshauses vollmundig und "so sche ko's leb'n sei".

Die Mehrheit der Gäste dürfte ihr Leben vermutlich für so wichtig halten, dass sie ihm Großschreibung gönnt.

Möglicherweise nimmt man aber nach einer stattlichen Zahl von Arco-Weißbieren das Leben auch nimmer gar so ernst und freut sich, im angeblich drittbesten Biergarten Deutschlands in der Kategorie 200-500 Plätze des Jahres 2014 zu sitzen. Dies ergab eine bundesweite "Gästebefragung" der Website Biergartenfreunde.de, wie man der Internetpräsenz des Mühlhamer Kellers entnehmen kann.
von Robert Bock

copyright 2015 Robert Bock
Die 2015er-Befragung läuft gerade und wir erleben mit eigenen Augen, wie an diesem Mittag Abstimmungsergebnisse zustande kommen: Auf jedem Tisch in einem Glas ein Bündel Stimmzettel des veranstaltenden Vereins samt Stift. Es gibt etwas zu gewinnen, wenn man sein Votum personalisiert abgibt und an zwei Tischen sitzen ältere Herrschaften, die sich die Wartezeit aufs Essen damit verkürzen, Stimmzettel um Stimmzettel auszufüllen. Der eine Senior hat bereits grob geschätzte fünfzehn Stimmzettel ausgefüllt und beäugt uns neu ankommende Gäste mit kritischer Neugier über den Rand seiner Brille hinweg ... Er ist ebenso Stammgast wie auch die Herrschaften, die zwei Tische weiter sitzen, denn als sie die Bedienung per Vornamen in eine Diskussion um das Für und Wieder von weißem und rotem Pressack verwickelt, wird klar: Man kennt sich.

Angeblich, sagt sie, gebe es g'standene Bayern, die diese Spezialität verschmähten, was der Stimmzettelakkordschreiber so nicht bestätigen will. Wer sind wir, dass wir die Erfahrungswerte einer altgedienten Biergartenbedienung in Zweifel ziehen würden? Und weil wir den typischen niederbayerischen Pressack hinlänglich kennen, glauben wir ihr gar aufs Wort: Wer jemals in Oberfranken roten und weißen Pressack gegessen hat, rührt den niederbayerischen Namensvetter ohnehin nicht mehr an ...

copyright 2015 Robert Bock

Es ist etwa Mittag an diesem Mittwoch im August und die Tische auf der Terrasse unmittelbar an der Donau sind gut besetzt. Aber Platz gibt es reichlich unter den mächtigen schattenspendenden Bäumen im Mühlhamer Keller und wir finden einen windgeschützten Tisch an dem wir gerne Brotzeit machen wollen.

Die Grundkarte wird durch allerlei Tagesgerichte ergänzt, die an Tafeln angeschrieben stehen. Am Tag unseres Besuches beispielsweise "Pfifferlingsrahmbraten mit Spätzle" für 11,50 EUR (Madame liebäugelt damit ... Welches Fleisch? ...  Schweinenacken, klärt uns die Dame vom Service auf ... Madame verzichtet),  "Wirsing mit Bauernseufzer und Salzkartoffeln" für 7,90 EUR und "Seebarschfilet mit Gemüseratatouille und Reis" (16,90 EUR)

Ja, der Seebarsch ... Ein uralter Donaufisch, was viele ja gar nicht wissen ... und der Reis aus den Donauauen nimmt es vom cremigen Biss her locker mit Arborio, Vialone und Carnaroli aus dem Piemont und der Po-Ebene auf ... Ratatouille - auch so ein altbayerisches Wort, wie zwei baschkirische Sprachforscher herausgefunden haben wollen, damit jedoch eine Minderheitenmeinung vertreten und auf internationalen Kongressen der Dialektforschung für enthemmte Heiterkeit sorgen .. Meldet Radio Eriwan, nix g'wies woas ma ned ...

copyright 2015 Robert Bock

"Putensteak Tirol mit Speck und Pommes" für 11,20 EUR? Ja, auch das wissen viele Gourmets nicht: Die Tiroler waren einst berühmt für ihre Putengerichte und haben angeblich wegen einer verlorenen Bierwette vor rund tausend Jahren eine Pute und einen feschen Truthahn - unter tätiger Mithilfe einer Wikinger-Spedition - nach Nordamerika verfrachtet, die sich dort prächtig vermehrten. Das Geflügel - nicht die Wikinger. Dann haben die Tiroler ihre heimischen Bestände ratzeputz verspachtelt, als der Winter wieder mal besonders hart war, so dass in Ermangelung Truthahngeflügels, diese Alt-Tiroler Spezialität in Vergessenheit geriet. Erst lange nach der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus gelangte der hässliche Vogel auf Umwegen wieder zurück in seine Tiroler Heimat ... Schön, dass das "Putensteak Tirol" im Mühlhammer Keller kulinarisch Auferstehung feiert ...

Spaß beiseite: Ausgerechnet Pute? Wir vermuten, aber lassen uns gerne eines Besseren belehren: aus industrieller Massentierhaltung; nicht in zertifizierter Bio-Qualität, sonst wäre es höchstwahrscheinlich entsprechend auf der Karte ausgelobt und deutlich teurer gewesen - brauchen wir beide persönlich nicht im Speisenangebot als Option, wenn es doch auch ehrliche heimische Gickerl oder Bauernenten - urbayerische Lebensmittel - von einem seriösen Lieferanten aus der Nachbarschaft geben könnte.

Wo ist der Schweinshaxn, wo die gefüllte Kalbsbrust? Ein Kartoffelbratl? Saures Lüngerl? Fleischpflanzerl, wenn's sein muss auch der abgebräunte Leberkas mit Spiegelei, jeweils mit Kartoffelsalat oder Bratkartoffeln? Wo ...?

Stattdessen: "Allgäuer Käsespätzle" und "Rahmbraten mit Spätzle" Was haben schwäbische Spätzle in einem Biergarten, dort gelegen, wo Niederbayerns Herz besonders laut schlägt, verloren? So viel wie der unfreiwillig amüsante "Kinderrahmbraten mit Spätzle": Vermisst jemand seinen Nachwuchs? Sachdienliche Hinweise nimmt die Polizei in Osterhofen entgegen ...

Auch auf die (politisch inkorrekten) "Schweinelendchen Zigeuer Art" auf der Grundkarte haben wir keinen Appetit und einen der zahlreichen, unserer Meinung nach überteuerten und teils für einen Biergarten überkandidelt zusammengestellten Salate - z.B. mit "Black-Tiger-Garnelen aus Wildfang" für 16,50 EUR - wollen wir unter keinen Umständen probieren.

Vom Tagesangebot hat einzig das "Wirsinggericht" fühlbar bayerischen Charme, aber die letzte Wirsingsaison liegt Mitte August in etwa so weit hinter uns wie die nächste in der Zukunft. Auf der Grundkarte findet sich wenigstens ein Schweinsbraten mit Knödel und Sauerkraut, der aber hier Schwein-E-braten heißt. Normalerweise wird der Koch eines bayerischen Wirtshauses unehrenhaft des Freistaates verwiesen, wenn er einen Schweinsbraten nach Art der Preissn nennt ... Reicht schon, dass einige Regensburger Gastronomen ihr Vaterland derart schamlos verraten und sich  nicht davon abbringen lassen, diese Preissn-Titulierung in die Karte zu drucken ...

copyright 2015 Robert Bock
Die Brotzeitauswahl im Mülhamer Keller gefällt uns insgesamt deutlich besser, als das Angebot an warmen Speisen und so bestellen wir zwei Klassiker: Eine Portion "Obatzda mit Zwiebel" (6,90 EUR) und "Hausgemachte Bratensulz mit Bratkartoffel" (7,80 EUR). Madame "Waldwasser von der Leitung, 0,5 Liter" zu 1,50 EUR und ich ein helles Hefeweizen der Arco-Brauerei zu 3,10 EUR.

Inwiefern das Leitungswasser ein Waldwasser ist, darüber spekulieren wir nicht, warum ich Versuch um Versuch ausgerechnet auf ein Arco-Weizen nach rund einer Stunde Kopfweh bekomme, auch nicht. Mein Körper mag deren Hefeweizen offenbar nicht so gern wie andere. Schmecken tat es einwandfrei, ein richtig gutes Weißbier.

Die Bedienung bringt zunächst den Obazdn, rund 20 Minuten später erst werden die Sulz und die Bratkartoffeln folgen. Das ist ein Faux-Pas, denn ein kompetentes Management schickt die Speisen idealerweise simultan, aber nicht mit derartig klaffender Zeitdifferenz. Uns stört das heute weniger, haben wir doch ohnehin vor, uns beide Gerichte zu teilen und können uns eingehend mit dem ersten beschäftigen.

"Obazda mit Zwiebeln" sollte eher "Zwiebeln mit Obazda" heißen. Der Käse versteckt sich in einem Keramikschälchen. Ich freu mich schon, dass nicht zum Präsentationslangweiler Eiskugelportionierung gegriffen wurde, lüpfe den Deckel: Oh no - zu früh gefreut: zwei kleine Kugeln. Dazu drei sehr kleine Scheiben Brot, ein halbes Ei, zwei Radieschen mit Grün, damit es nach mehr ausschaut. Ja, uns ist bekannt, dass man das Grün essen kann, aber noch sind Madame und ich keine Karnickel. Der Obazde schmeckt weder schlecht noch aufregend, er ist - gemessen an unserem durchaus breiten persönlichen Erfahrungsschatz - langweiliger Durchschnitt. Kurz keimt in mir gar der Verdacht, es könne sich um Convenience-Obazdn aus dem großen Eimer aus der Metro handeln, aber den schlage ich mir wieder aus dem Kopf. Nein, alles was Recht ist, aber das kann gar nicht sein. Nicht hier, nicht in Niederbayern ... Obazda kann man anderswo, gemessen an unseren Vorlieben, jedenfalls besser und die Proportion der Bestandteile des Gerichtes neigt anderswo auch zu relativ mehr Käse als Zwiebeln. Mehr gibts zu diesem Brotzeitklassiker in der Interpretation des Mühlhamer Kellers nicht zu sagen - deswegen müssen wir nicht zwingend wiederkommen.

copyright 2015 Robert Bock
Die Sulz besticht durch einen extrem transparenten Stand, der verdächtig nach Unterstützung durch Sülzenpulver aussieht. Drei dünne Scheiben kalter Braten, eine Scheibe Ei, Essigurke, Tomate und Petersilie, darauf ein relativ fester, aber gut abgeschmeckter Stand. Weder laff, noch zu sauer, aber so extrem klar, so fest und fettarm, dass der Verdacht im kastanienbeschirmten freien Raum steht, es könnte mit Convenience-Produkten nachgeholfen worden sein. Aber, aber: Diese Sulz sei doch "hausgemacht", steht auf der Karte? "Hausgemacht" ist als Deklaration unerheblich und besagt lediglich, dass die Sulz nicht unter freiem Himmel produziert wurde - nichts aber über die konkrete handwerkliche Machart und verwendete Zutaten. Wohlfeiles Wortgeklingel, mehr nicht.
Nein, eine Sulz in einem richtigen bayerischen Landwirtshaus sieht - unserer Erfahrung nach - derber, rustikaler, anders aus. Dem Geschmack tat dies aber wie bereits gesagt keinen sonderlichen Abbruch: Wir haben anderswo schon deutlich schlechtere Sulzen gegessen. Teils gar in Kugelform ... Bayern, die auf sich halten, dulden Kugelformen allenfalls in Form von Holz vor der Hütte im Dekoltée eines Dirndls, aber nicht auf ihrem Teller, wenn sie Sulz bestellt haben.

Die Bratkartoffeln sind recht weich, aber grundsätzlich ordentlich gebraten - allerdings in einem Pflanzenöl, dem möglicherweise ein Löffel Genueser Pesto aus dem Glas (schmeckbar an der eigenwilligen Säure) beigegfügt wurde. Davon kann jeder halten, was er will, aber wenn ich bayerische Bratkartoffeln zur Sulz will, dann will ich höchstens frische Petersillie, Schnittlauch oder Majoran daran sehen und schmecken, aber kein Basilikumpesto aus dem Glas. Auch schmecken Bratkartoffeln um Klassen besser, wenn sie in Butterschmalz gebraten wurden und nicht in geschmacksneutralem Pflanzenfett. Die Portionsgröße des Gesamtgerichtes ist unserer Meinung nach in Ordnung und dem Preis angemessen.

Die Toiletten waren oberflächlich sauber, der Platz zum Händewaschen auf der Herrentoilette viel zu knapp bemessen. Ist der Laden voll, gehe ich jede Wette ein, dass aufgrund dieses Nadelöhrs zwei Drittel der männlichen WC-Gänger sich hinterher nicht die Bratzn waschen, bevor sie wieder zu Tisch gehen ...
Auch sollte man vermeiden, den Blick nach oben zu richten und die gekippten Oberlichter näher zu begutachten, die wohl seit Jahren keine Reinigung mehr von außen erfahren haben, so verdreckt, vermost und voll Vogelkot wie sich diese dem aufmerksamen Gast präsentieren.

copyright 2015 Robert Bock
Unser Fazit: Die Beliebtheit dieses Biergartens mag der außerdordentlich schönen Lage an der Donau und dem Umstand geschuldet sein, dass es im weitem Umfeld möglicherweise keine andere ernstzunehmende Konkurrenz gibt.

Von der Art, Auswahl und uns dargebotenen Qualität der Speisen her, hätte dieser Biergarten unseres Erachtens schmale Chancen, es in die Top 50 eines seriöser aufgezogenen Wettbewerbs alleine in Bayern zu schaffen, als es derjenige zu sein scheint, den der mir nicht näher bekannte Verein der Biergartenfreunde da aufzieht: Beim Verlassen des Lokals werfe ich einen gründlichen Blick auf den dicken Stapel Stimmkarten, der in der offenen "Wahlurne" liegt: Das One-Man-One-Vote-Prinzip spielt bei dieser sonderbaren Veranstaltung ganz offensichtlich ebenso keine Rolle wie das Prinzip der verplompten Urne... Wir drücken der Inhaberin Simona Tausova und dem gesamten Team des Mülhamer Kellers jedenfalls die Daumen, dass es 2015 mit Platz 1 klappen wird und erwarten mit Spannung das Ergebnis der heurigen Wahl und suchen derweil die richtig guten Biergärten Bayerns auf, zu denen - unserer unmaßgeblichen Meinung nach - der Mühlhamer Keller keinesfalls zu zählen ist. Wir waren heuer nach 2014 zum zweiten Mal hier zu Gast und es war wohl - unabhängig vom Ausgang dieser bemerkenswerten "Wahl" - das letzte Mal für lange Zeit.






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