Foto: Robert Bock |
Um den Tag der Deutschen Einheit herum stand uns der Sinn erneut nach ein paar Tagen Südtirol - diesmal primär, um mittlerweile erhebliche Lücken in unserem Weinkeller zu schließen, und die ein oder andere neue kulinarische Spezialität und Lokalität aufzutun. Ich darf euch versprechen: Wir waren auf ganzer Linie erfolgreich!
von Robert Bock
So erfolgreich, dass es erneut ein Mehrteiler werden wird: es waren einfach der Eindrücke und spannenden Erfahrungen zu viele: Vier Winzergenossenschaften haben wir besucht und Wein um Wein verkostet und waren dabei nur selten zufrieden, oft enttäuscht und leider nur in zwei Fällen begeistert.
Aber wir bewundern die Marketing-Experten der Südtiroler Weinwirtschaft, wie sie es tatsächlich schaffen, mit allerlei Klimbim und sündhaft teuerer, exaltierter Architektur, Mittelmaß im Kernprodukt als Spitzenklasse zu positionieren und teils unangemessen hohe Preise für ihre überwiegend durchschnittlichen Tröpfchen aufzurufen. Hier bedarf es dem Weinfreund, vor allem aber dem Laien eines unbestechlichen Wegweisers - den wollen wir gerne spielen.
Zwei sehr interessante Restaurants - in St. Martin im Passeiertal und in Sirmian haben wir neu entdeckt und die könnten euch möglicherweise ebenfalls interessieren - dazu dann mehr in kommenden Artikeln: Beide Familienbetriebe verdienen eine separate und exklusive Würdigung ihrer uns dargebotenen Kunst.
In diesem ersten Teil berichten wir über eine - aus unserer Sicht - sensationelle Entdeckung im Städtchen Glurns: Dort findet sich nämlich seit nicht allzu langer Zeit die erste und einzige Whisky-Destillerie Italiens. Die haben wir besucht und waren vom Gesamtkonzept sehr angetan.
Außerdem drei Follow-Ups: Wir waren erneut im Ungericht Hof, im Gaston und auch im Vinschger Bauernladen in Naturns - und vom Gaston gibt es leider nicht nur Positives zu berichten.
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Puni in Glurns also, Whiskey aus dem Vinschgau. Wo hat man so etwas schon gehört? Wir nicht - ich stieß eher zufällig bei der Planung unseres Trips auf diese, nennen wir es: Absonderlichkeit. Mich beeindruckt zunächst das in sich wunderbar stimmige Gesamtkonzept aus Produkt, Verpackung und Präsentation, Innenarchitektur und Architektur. Die Fotos sprechen meiner Ansicht nach für sich: Ein Glaskubus integiert in einen Backsteinkubus - angelenht an das typische Vinschgauer Design von Scheunenfenstern - und im Hintergrund eine grandiose Sicht auf das Ortlermassiv. Das hat was!
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Eine schöne Idee ist ein Degustationset zu 25 EUR, darin enthalten drei Reifestadien des Puni-Whisky: Null Monate (also im Grunde ein Kornbrand), 6 Monate und drei Jahre. Auf das Verkosten dieses Mitbringels an einem kalten Winterabend auf dem heimischen Sofa freue ich mich schon jetzt ...
Unser Tipp: Wenn ihr über den Reschen wollt, plant einen Stop in Glurns ein und macht doch selbst einmal die Probe aufs Exempel. Für echte Kenner liegt der Reiz sicherlich im Exotischen, für Whisky-Anfänger wie wir sie sind, könnte die Selbsterfahrung möglicherweise neue kulinarische Horizonte öffnen ...
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"So schmeckt der Vinschgau", lautet der Claim und wenn er überall so schmecken würde, der Speck, dann wäre der Vinschgau noch berühmter als ohnehin. Bei Mair kauft vor allem die einheimische Bevölkerung ein - und das ist nie ein schlechtes Zeichen, wenn man im Ausland Lebensmittel kauft. Ein Grund mehr, in Glurns eine Pause einzulegen. Und derer gibts es auch ohne Puni und Mair viele.
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Außerdem: Essig- und Kräutersalzspezialitäten kann man nie genug in der heimischen Küche haben, oder? Der Geldschein schreit: "Geh, lass mi aus", dann lassen wir ihn eben fliegen ...
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Madame folgt ihren Leidenschaften und bestellt - abseits des offiziellen Angebots der Karte - Bratkartoffeln mit Speck und Gemüse nebst eines Krautsalates - Sonderwünsche werden immer gerne erfüllt im Ungericht Hof. Das mögen wir, das ist Gastorientierung.
Dazu bestellt Madame (Aufgepasst!): ein Radler. Dieses auf Basis des heimischen Bieres der Brauerei Forst und einer sehr herben Zitronenlimonade. es schmeckt anders als daheim, aber es schmeckt gut. Madame ist ein wenig erkältet, aber das ebenso ausgezeichnet zubereitete, wie schlichte Mahl aus guten Zutaten weckt zuverlässig ihre Lebensgeister.
Ich wähle einen kargen, spartanischen Snack, weil es bekanntlich heißt, zu Abend solle man speisen wie ein Bettelmann: Schweinshaxn mit Speck-Kraut-Salat und Gemüse. Der wird im Ungericht Hof imposant inszeniert: Mit einem Dolch an dem gleich noch ein veritabler Nachtisch in Form von Melone, Cocktailtomate und ein viertelter Apfel aus eigener Ranch aufgespießt ist. Dazu Kren und ein Tübchen Estragonsenf.
Es mag Leute geben, die würden sagen: Aber Hallo, da sind ja Protionen für Holzhacker! Denen schmettere ich entgegen: Hey, sind wir das tief in uns drin nicht alle?
Der Haxn schmeckt vorzüglich, das Weizen dazu kommt aus Weihenstephan. Passt, sitzt, wackelt und hat Luft. Ein feines Abendessen und hinterher aufs Haus ein Stamperl Holunderlikör und ein zünftiger Schmaaz mit der Wirtin. Wir wissen, warum wir hier Stammgäste sind. In meinem Fall seit nunmehr 39 Jahren. By the way: Der Rand des Tellers gehört wieder dem Gast ... Ob es an meiner letzten Besprechung liegt?
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Wir formulieren Hypothesen: Nun, wir schreiben Oktober: vielleicht ist die 2014er Ernte des (nach Auskunft des Service im Sommer) selbstproduzierten Öls aufgebraucht und die 2015er Ernte ist noch am Baum? Vielleicht fiel 2014 ja - wie großflächig in Italien generell - die Ernte aus? Warum aber werde ich den Verdacht nicht los, dass da die letzten Restbestände des formidablen Öls mit billigem Pflanzenöl diffuser Sortierung "verschnitten"wurden? Ich vermeide bewußt Begriffe wie "gestreckt" oder "gepanscht"weil diese einen so negativen Beigeschmack haben. Sprechen wir eher von einer "Cuvee" ...
Wir sind enttäuscht, ja wir sind sauer: Ein Alleinstellungsmerkmal des Gaston, ein Grund uns auf das Lokal zu freuen, war für uns stets das wunderbare Öl - und jetzt das. Man hätte auch ein gutes Olivenöl aus Griechenland zur Überbrückung bis zur Verfügbarkeit neuen Ernte kaufen können (was einem Sternekoch wie Anton Schmaus recht ist, darf dem Gaston doch billig sein ...), aber dass möglicherweise nach Art der italienischen Olivenöl-"Familie" "verschnitten" wurde, dieser Verdacht, der uns einmal beschlichen hat, verlässt uns so schnell nicht wieder und hinterlässt einen bittereren Nachgeschmack, als jedes herbe Olivenöl.
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Madame hätte sich gefreut, wenn das Brot etwas röscher angeröstet worden wäre und auch ein paar Spänchen Parmesan auf den Tomatenbruschette hätten dem Genuss die Krone aufgesetzt. Aber: Das Gericht ist in sich stimmig, die Qualität der Zutaten ausgezeichnet - ein Schuß guten Olivenöls hätte halt noch gefehlt ... Schon holt uns dieses unappetitliche Thema wieder ein und versaut uns ein wenig die gute Mittagslaune in der Laubengasse zu Meran.
Auch auf meiner Pizza Meranese (9,90 EUR) hätte mir ein Spritzer guten Öls gefallen. Sie war aber auch so sehr, sehr gut: Der Boden hauchdünn und knusprig mit schönem Brotaroma. Der Belag mit Tomate, Mozarella, scharfer Salami, Zucchini und Brie eine schöne Zusammenstellung. Ich kenne wenige Pizzerien, die das Thema Pizza so virtuos beherrschen, wie das Gaston.
Zum Abschluß eine kleine, vielleicht nebensächliche absolut zufällige Entdeckung in Tramin im Südtiroler Unterland: Im Cafe Weis, in der Weinstraße 27 serviert man nicht nur einen ausgezeichneten Kaffee, sondern auch einen bemerkenswert guten Kastanienbecher. Der kommt mit hausgemachtem Vanille- und Kastanieneis daher, darauf durch die Kartoffelpresse gedrückte gekochte Maroni oder ein Maronipüree, Schlagsahne und darauf eine herrliche, in Alkohol eingelegte Esskastanie. Das Werk zwar für stolze 8 EUR, aber die war mir der Genuß wert - und sollte ich dort je wieder vorbeikommen, gerne wieder. Das Ambiente des Cafes ist zwar keinesfalls ein Burner - ein obskures Deko-Sammelsurium mit Fußball- und Eishockey-Trikots und einem gastronomischem Konzept, das es jedem Recht machen will, aber letztlich aus genau diesem Grund niemandem Recht machen kann - aber der Kaffee und dieser Kastanienbecher: Daumen hoch!
Mein persönliches Fundstück dieser Tage ist allerdings eine Bäckerei: Böse Zungen behaupten, sie sei berüchtigt für ihre steinhartes Baguette - andere schwören Stein und Bein, deren Brot sei die Südtiroler Variante von Viagra ;)
Im nächsten Teil des Berichtes über unsere Fress&Shopping-Tour nach Südtirol, entführen wir euch nach Sirmian in ein wirklich exzellentes Restaurant in luftiger Höhe über dem Tal der Etsch ...
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