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Samstag, 15. Oktober 2016

Im Degginger in Regensburg

Früher befand sich in der Regensburger Altstadt im altehrwürdigen Degginger-Haus in der Wahlenstraße die Buchhandlung Hugendubel - heute "Das Degginger": Ein Kulturprojekt der Stadt Regensburg nebst angeschlossener Gastronomie, die täglich wechselnde warme Gerichte, Barbetrieb sowie Kaffee & Kuchen bietet.
An einem Samstag im Oktober verschlug uns kalter Wind, der buntes Laub durch die Gassen wirbelte, und Lust auf eine heiße Tasse Kaffee ins Degginger. Und was wir dort erlebten, hat uns nicht nur kulinarisch gefallen ...
von Robert Bock

Wer's noch nicht kennt: Die Stadt Regensburg informiert auf ihrem Online-Portal wie folgt über das Degginger:

"Das DEGGINGER ist geförderter Raum für die Kultur- und Kreativwirtschaft Regensburgs (KuK R) und Ort den Austauschs, an dem die Kreativen mit den Regensburgerinnen und Regensburgern sowie allen Interessierten in Kontakt treten.
Das DEGGINGER ist Ort für den branchenspezifischen Austausch, gemeinsame Präsentationen, Messen, Netzwerkveranstaltungen, Fachvorträge und Diskussionsforen, Coachings, Workshops und Seminare sowie temporäre Ateliers, Shops und Werkstätten. Das Miteinander der Akteure im Austausch, der Vernetzung und dem Experimentieren mit neuen Arbeitsweisen, Produkt- und Geschäftsideen sowie das Entstehen brancheninterner wie branchen-übergreifender Synergien sollen befördert werden. Kooperationen und Veranstaltungen mit Industrie und Wissenschaft sollen den Zugang zu den Märkten sichtbar machen und stärken. "

Soweit, so gut ...

Meine charmante Begleiterin und ich hoben mit unseren in der Summe 94 Lebensjahren den Altersdurchschnitt des anwesenden Publikums signifikant an. Aber jung zu sein ist bekanntlich nicht zwingend eine Frage des Alters, sondern der Lebenseinstellung. Wir fühlten uns wohl und keineswegs deplaziert an diesem Nachmittag inmitten von Gästen, überwiegend in ihren Zwanzigern. Ein Gast war allerhöchsten zwei Wochen alt, der glich als Ausreisser nach unten unseren Ausreisser nach oben hervorragend aus ...

Dass ich auf exakt einem Stühlchen Platz nehmen würde, dessen Verwandschaft ich vor rund 40 Jahren in der Schule zwangsweise zu okkupieren hatte, war eine unerwartete Erfahrung der speziellen Art: Hart, aber unbequem. Die adäquate Vorbereitung auf den Ernst des Lebens. Pädogogik des letzten Drittel des 20. Jahrhunderts verstand sich offenbar bereits als ganzheitliches Konzept ...  Auch die Tische: ausrangiertes Schulmobiliar. Nachhaltigkeit, Recycling, Upcycling - allesamt zeitgenössische Themen des Kulturbetriebs: Stimmig. Auch die vielfältig vorhandenen Steckdosen und Netzwerkbuchsen hinter der Sitzbank entlang der Wand. Die Digital Natives verlangen nach (W)LAN und Futter für ihre Akkus ...

Großfläche Kunst an graubraun gehaltenen Wänden, eine hochinteressante Beleuchtungskontruktion an der Decke und eine Dreier-Combo gab an diesem Samstagnachmittag im Café ein Konzert für lau.

Junge Leute, die sich auf Acoustic-Instrumenten im Stil der sehr frühen Beatles, als sich diese noch The Quarrymen nannten, dem Skiffle, Blues, Folk und Psychedelic verschrieben haben. Schön, dass diese gute, alte handgemachte Musik nach wie vor gepflegt wird.

Feine Sache als Background zu einem großen Haferl Rehorik-Kaffee ("Kaffee des Tages") und einem Cappucino aus sehr schönem irdenem Geschirr im Stil der einst preisgekrönten Keramik von Hans-Jürgen Buchner ("Haindling"). Echter Blumenschmuck, ein Glas Wasser zum Koffeinspender - so gehört sich das. Anders sind wir das von den weiteren Betrieben der Familie Rehorik in Regensburg auch nicht gewohnt.

Heiko Rehorik zeichnet verantwortlich für die Gastronomie der "Degginger Kaffee- und Barkultur". Der Name bürgt für Kaffeegenuss zu fairen Preisen in großer Auswahl. Als Zuckerstreuer dienen up-gecyclete Bügelverschlußflaschen, die Kuchenauswahl ist überschaubar, aber ausreichend. Wir entscheiden uns für einen Himbeer-Schoko-Kuchen. Der Service ist freundlich, hat es unter keinen Umständen eilig und dutzt selbstverständlich seine Gäste. Uns stört das nicht - im Gegenteil.
Die Säure der Himbeeren kontrastiert schön mit der Süße des Schokoteigs. Aber unterm Strich kein Kuchen von dem man schwärmen müsste. Die Alternativen in der Auslage wirkten optisch leider schon etwas überlagert. Das kann man besser machen.

Die Combo packt die Instrumente ein, hinter unserem Rücken baut bereits Cato Janko auf und vollzieht den Soundcheck fürs abendliche Konzert im Degginger. So lange werden wir nicht bleiben. König Fußball regiert die Welt. Länderspiel am Abend: Deutschland gegen Tschechien.

Wir kommen wieder auf einen Kaffee hier vorbei, um das das Fluidum dieses außergewöhnlichen Ortes zu inhalieren und ermundern unsere geneigte Leserschaft, es uns versuchsweise nachzutun.

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