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Freitag, 10. Februar 2017

Im Krauterer am Dom zu Regensburg

Oskar Neff ist Kanadier. Er ist der Küchenchef des Krauterer am Dom und zeigt den einheimischen Kollegen wie oberpfälzer Küche funktioniert. Na, wenn das keine Quadratwatsch'n ist ...?

Bayern 2 berichtete an Neujahr in einer Radioreportage über drei Lokale, die die recht einfache Küche der Oberpfalz pflegen und hiesige kulinarische Traditionen am Leben erhalten bzw. neu beleben.

Den Steidle-Wirt habe ich meiner geneigten Leserschaft neulich bereits vorgestellt, heute begeben wir uns ins Herz der alten Reichsstadt: An den Krauterer Markt gegenüber der Fassade des Doms St.Peter, wo bis vor wenigen Jahren noch rund um den Brunnen die Radiweiber ihr Gemüse aus Weichs feilboten und heute Touristen aus aller Herren Länder ihre Köpfe in den Nacken legen.
von Robert Bock
Bauchstechala (für d' Preissn: Fingernudeln aus Kartoffelteig) würde es im Krauterer am Dom geben. Tag für Tag, nicht ausnahmsweise. Deftig oder süß, gerade wie's beliebe, berichtete das Radio. Ich werfe gleichen Tags einen Blick auf die im Internet verfügbare Speisenkarte und bin angetan: Nicht nur Bauchstechala, auch hausgemachte Chrazzer-Wurst mit Kraut und Kartoffelbrei lese ich da. Ferner Jägerwurst vom Wildschwein, Tafelspitz, Ochsenbackerl, Schweinsbraten, Käse aus der Oberpfalz ...
Gut, auch internationale Frühstücksangebote für Leute, die zu dumm sind, sich eine Marmeladensemmel daheim zu schmieren oder ein Spiegelei zu braten, finde ich auf der Karte, und die heutzutags leider allfälligen Kniefälle vor fleischlosen Ernährungsreligionen und ihrem pseudo-moralischem Überbau.

Das Bier stammt teils aus Schierling, teils vom Kuchlbauer aus Abensberg. Niederbairische Hopfenkaltschale in einem Lokal, das sich "Oberpfälzer Speisehaus" nennt ...? Zudem kein Baierwein auf der Weinkarte? Das zeugt von kulinarischer Geschichtsvergessenheit, denn Regensburg ist noch gar nicht lange "Bier-Land". Ja, Wein-Land war diese Enklave der Kultur am nördlichsten Zipfel der Donau über das Gros seiner langen, langen Geschichte. Mittlerweile gibt es doch wieder Tröpfchen von den hiesigen Hängen, die sich nicht zu verstecken brauchen ...


Nun ja, irgendwas ist immer - meine Leserinnen und Leser wissen das. Die Toiletten sind es diesmal nicht, im Gegenteil, die sind propper wie vom Meister mit der Glatze selbst geschrubbt und sogar die Seifen sind in Herren- und Damentoilette aufs Geschlecht geruchlich abgestimmt.

Nein: Saukalt ist es und zugig sitzen wir kurz vor Mittag an diesem Sonntag im Krauterer am Dom und wir würden uns am liebsten unsere dicken Wintermäntel wieder antun, so fröstelt uns an unserem Tisch im hinteren Bereich des Lokals.

Setzt man hier auf einen vollen Laden, den auf 37 Grad Celsius temperierte Heizkörper auf zwei Beinen im Lauf des Tages heizen sollen ...?

Das muss nicht sein, meine ich, ein Gast soll sich wohl fühlen und hierzu gehört für einen Mittleuropäer eine Raumtemperatur von deutlich über 20 Grad.

Ungeachtet der zugigen Kälte findet das Ambiente eine angenehme Balance zwischen Strenge und Herrschaftlichkeit. Das rustikale Deckengebälk und die dunklen Holzvertäfelungen machen etwas her, der Ausblick auf den Dom durch die Fensterfront  ist die Sahnehaube.

Ein freundlicher und stets präsenter junger Mann kümmert sich heute um den Service und reicht uns die Speisekarten. Wir bestellen zweimal den dunklen Weißbier-Bock "Aloysius" vom Kuchlbauer (3,90 EUR) und wägen ab, was wir zu speisen gedenken.

Ein feines Bier, süßlich, süffig, ölig. Wenn diese widerwärtige Bausünde, genannt Hundertwasserturm, in Abensberg auch nur halb so geschmackvoll wäre wie dieses Bier, Abensberg bräuchte kein Gegenstand kulturpessimistischer Disneyland-Debatten sein.

Im Interesse eines umfänglicheren Eindrucks, wäre mir Recht, wir bestellten zwei unterschiedliche Gerichte. Beide haben wir allerdings ein Auge auf die Bauchstecherla mit Schweinbauch und Sauerkraut (9,50 EUR) geworfen.

Ich räume meiner charmanten Begleiterin selbstverständlich das Vorrecht ein und bestelle mir die Hausgemachte "Chrazzer-Wurst" vom Schwein und Rind mit Kartoffelbrei und Sauerkraut für ebenfalls 9,50 EUR.

Das sind für einen Hot-Spot des Tourismus der Welterbestadt zivile Preise - aber man sollte den Preis nicht vor Kenntnis der Größe der Portion, ihrer handwerklichen Machart und Qualität ihrer Zutaten loben ...

Am Nebentisch in meinem Rücken haben die Gäste Schweinsbraten und Rinderbacken bestellt.  Meine Begleiterin kommuniziert im Stile einer Rundfunkreporterin ihren optischen Eindruck. Gut sehe aus, was man dort verspeise. Sehr gut sogar.

Ich meine, es dufte nach Persilienwurzel, ob es da ein Püree gebe? Die Dame am Nachbartisch nimmt uns das Rätselraten ab: das Selleriepüree sei mit Petersilienwurzel gepimpt, mutmaßt sie. Dankeschön, ich freue mich, dass meine Nase heute ausgesprochen dienstbereit zu sein scheint. Die Kruste des Schweinsbraten muss traumhaft sein. Die sehe ich zwar nicht, höre sie aber umso besser. Ein Krachen und Knuspern liegt in der Luft, es ist eine Freude!

Der freundliche Ober serviert zeitgleich unser Essen. Wie das duftet! Da lacht das Herz schon vor dem ersten Bissen. Die Portionsgrößen? Da werden Waldarbeiter satt, alle Achtung!

Meine hausgemachten Chrazzer-Würste sind ein Gedicht! Wie wunderbar ist deren Textur, wie würzig-aromatisch ihr Geschmack. Wir rätseln: Majoran, Zimt ...?
Schwer zu sagen, aber eine unbedingte Empfehlung meinerseits.

Der Kartoffelbrei steht, wie die hervorragende Sauce, den Würsten in nichts nach. Wunderbar ist die leicht stückig-raue Textur und eine ordentliche Prise Muskat veredelt die Aromatik der offensichtlich mit Bedacht ausgewählten Erdbirne.

Schade, dass das Sauerkraut so deutlich dagegen abfällt. Dem fehlt es an Säure und Gewürz. Kein Kümmel, keine Wacholdernote, keine herbe Bitternis von gutem Lorbeerblatt. Man hätte ein ordentliches Trumm geräucherten Wammerls mitkochen lassen können, ein Priserl Zucker mehr - das alles hätte diesem langweilig geratenem Kraut - gemessen an unser beider unmaßgeblichem Geschmack - gut getan.

Die Bauchstecherla suchen ihren Rivalen. Wie weich und gschmackig sie sind ... Perfekt in der Pfanne angeröstet liegen sie auf Wammerl gebetet in einer ausgezeichneten Sauce.

Ich vermute, es handelt sich um die selbe Saucengrundlage, die auch mein Gericht veredelte - lediglich mit angeschwitzten Zwiebeln um eine interessante Wendung verändert.

Die Tranchen vom Schweinebauch sind butterzart und von sehr guter Fleischqualität. Bissen für Bissen ein Hochgenuss!

Wenn nur das laffe Sauerkraut nicht wäre, auch dieses Gericht würde in seiner Gesamtheit höchstes Lob verdient haben. Angemerkt sei, meine Begleiterin hätte sich gewünscht, die Sauce wäre separat gereicht worden, denn die ursprünglich rösch angerösteten Bauchstecherla im unteren Teil des Tellers weichten für ihren Geschmack zu sehr durch. Dies als konstruktive Anregung an den kanadischen Koch Oskar Neff, dem insgesamt hohes Lob für sein Bemühen um oberpfälzer Küchentradition gebührt.

Wir bezahlen faire 26,80 EUR plus Trinkgeld und treten satt und zufrieden in die Eiseskälte hinaus. Kopf in den Nacken, ein Blick auf die prächtige Domfassade, Staunen ... Auf geht's: Eine Altstadtrunde zur Verdauung.

Fazit: Der Krauterer am Dom ist eine würdige Einkehr für die Gäste unserer schönen Stadt und beweist, dass man auch in exponiertester Lage ohne Touristenabzocke ehrliche, handwerklich blitzsaubere Gerichte in ordentlichen Portionen zu fairen Preisen anbieten kann. Was das Bier angeht, herrscht leider nicht immer Wahlfreiheit des Wirts, warum in einem Oberpfälzer Speisehaus kein Baierwein angeboten wird, erschließt sich uns nicht. Das kann man ändern - wir regen dies an. Beide Daumen trotzdem hoch und eine Empfehlung von unserer Seite ausgesprochen ...





2 Kommentare:

  1. Schön zu lesen wieder einmal. Ich war relativ kurz nach der Eröffnung im Krauterer und hab mich schon auf die Fingernudeln gefreut und damals fand ich, dass das ein Gericht war, welches ich niemals nochmal bestellen wollte. Die wunderbaren (leider waren es nicht viele) direkt auf dem schlecht abgetropften Sauerkraut zu sehen war ein Schock. Ansich sind die Fingernudeln tipp topp, aber der Kartoffelteigbaz den man gegen Ende noch im Teller hatte, war furchtbar.

    Täuscht es oder richten sie jetzt die Fingernudeln neben dem Kraut an?

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    1. Das Kraut war neben den Fingernudeln, nicht auf ihnen (Robert Bock)

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