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Samstag, 4. März 2017

D'Weiberwirtschaft z'Kalsing

Zwischen Falkenstein und Roding drehen sich auf einem lichten Höhenzug die Flügel eines weithin sichtbaren Windrades.

Etwas abseits des Schattens dieses Windrades, befindet sich ein gastronomische Juwel für alle Freunde gepflegter altbairischer Wirtshauskultur und hervorragender bairischer Küche: D'Weiberwirtschaft z'Kalsing.

Es dürfte mindestens zwölf Jahre her sein, da berichtete das Bayerische Fernsehen ausführlich über das damals innovative Konzept der weiblichen Linie der Familie Stangl aus Kalsing bei Roding: Ehrliche, handgemachte Gerichte, Lieferanten aus der unmittelbaren Umgebung und auf Nachhaltigkeit bedacht. Dazu ein wohldurchdachtes Corporate Design, ein griffiger, frecher Name. Unter Strich: im besten Sinne traditionsbewußt und doch der Zukunft zugewandt.

D'Weiberwirtschaft bekam von den Machern der Reportage ein mundwässerndes Zeugnis ausgestellt und es dauerte nicht lange und ich wurde dort zum Speisen vorstellig. Mittlerweile war ich drei oder viermal dort. Auch Trainingsfahrten für den Arber-Radmarathon führten mich zur Brotzeit hier vorbei.

Heute, es ist Sonntag, kitzeln mich durch die Schlitze der Rollos Sonnenstrahlen und vor meinem geistige Auge steigen im Flur vom Schlaf zum Wachen, Bilder von Schweinsbraten und dampfenden Knödeln in Dunkelbiersoße auf ... Handgedreht und hausgemacht - nicht diese Industrieknödel, die die weit überwiegende Zahl der Wirtshäuser in Regensburg servieren, die bairischer Esskultur verpflichtet zu sein, vorgaukeln. Dann lieber fasten ... Also wohin? Wohin, wohin ...?
von Robert Bock

Auf nach Kalsing! Vorher kurz dort angerufen: ja, ein Tisch für zwei, den habe man um Zwölf gerade so noch frei. Die Sonne lacht über schneebedeckter Landschaft. Der Frühling ist noch weit an diesem 5. Februar, doch läßt er sich an diesem Tag schon ahnen.

Die Gaststube ist gemütlich. Helles Holz dominiert. Die Dekoration mit Haushaltsgegenständen aus Urgroßmutters Zeit fügt sich mit dem bequemen Mobiliar zu einem stimmigen Gesamtbild. Auf den Tischen liegen weiße Stofftischdecken und Stoffservietten. Stilvolle Tischdeko und eine Kerze sorgen für gediegene Atmosphäre.

Eine überaus freundliche und stets präsente junge Dame mit einem leichten tschechischen Anklang in der Stimme bringt uns die Speisen- und die Getränkekarte. Übersichtlich, nicht zu vollgepfropft, grob über den Daumen gepeilt 90% niederbairisch-oberpfälzische Küchenklassiker.

Jedoch auch ein paar Anklänge ins österreichische und asiatische Fach. So zum Beispiel für die Vegetarier ein Linsendhal mit Kardamomreis und Sesam.

Die Cremigen Käsespätzle mit Röstzwiebeln und Beilagensalat könnt Ihr, verehrte Leserinnen und Leser meines Blogs, anhand des Originalrezepts der Küchenchefin Susanne Stangl, ihres Zeichens Küchenmeisterin, nachkochen. Hier - klickediklick! - findet ihr das Rezept in der Mittelbayerischen Zeitung.

Oh, ein Ragout vom Kalbsherz und Schweinelunge mit Schwarzbrotknedl! Das macht mich neugierig. Aber halt, warum bin ich der Idee verfallen, heut hier z'Kalsing aufzukreuzen? Richtig: Schweinsbraten mit Knödl und Dunkelbiersoß' ...

Das Sonntagsmenü sticht meiner charmanten Begleiterin und mir ins Auge: Rindersuppe mit Griesnockerl und Gemüsestreifen, anschließend die Wahl zwischen einem Röschen Spanferkelbraten in Dunkelbiersoße, Sauerkraut und selbergmachten Reiberknedl und ... egal, was noch - jede weitere Abwägen erübrigt sich eingedenk des Besuchsanlasses - eine Kugel hausgemachter Eiscreme zum Dessert und einen Espresso. Das alles für 13,90 EUR. Ja, ich hab mich nicht verschrieben. Die Fotografie der Karte ist mein Zeuge.

Wir ordern ein naturtrübes Kellerbier vom Rhaner Bräu (2,70 EUR). Kaum stehen die beschlagenen Glaskrüge vor uns, serviert die Chefin höchstselbst die Rindersuppe mit Griesnockerln.

Griesnockerlsuppe - oft gegessen, bislang nie ein Fall für mein Langzeitgedächntnis - flasht mich mit dem ersten Löffel: Die Rinderbrühe ist ausnahmsweise nicht salzlastig, sondern sehr feinaromatisch, unzweifelhaft handgemacht und handwerklich perfekt geklärt.

Warum so filigran und duftig, frage ich mich, doch der erste Bissen von den Griesnockerln beantwortet meine Frage: Griffige Textur, wundervoll buttriges Aroma - solche Griesnockerl serviert man ansonsten wohl nur im Himmel der Baiern, wo Engel Aloysius auf seiner Wolke sitzt und frohlockt. Eine zu wuchtige Brühe hätte diese feinen Gries- und Butternoten zweifelsohne niedergeprügelt. Die Gemüsejulienne haben ihren Eigengeschmack bewahrt  und sind perfekt im Biss. Unterm Strich: Eine solche Suppe kann man als Koch möglicherweise in dieser Qualität erreichen, aber nicht übertreffen. Bravo, Susanne Stangl!

Das Bier vom Rhanerbräu ist geil. Mehr braucht's an Kommentar von meiner Seite nicht. Die Rhaner Biere sind seit dem Jahre 1283 Legende. Jacob-Weizen aus Bodenwöhr hätte es auch gegeben, Biere von zwei weiteren kleinen Brauereien sowie zukunftsweisende Craft-Biere vom Rhanerbräu und auch eine kleine, aber feine Weinauswahl.

Das Spanferkel kommt! 
Womit beginnen? Ich koste zunächste Knödel und Soße: Perfekt! Eine deutliche Kümmelnote umrahmt die Karamellnoten der Soße und saugt sich bereitwillig in den nicht zu soften, kartoffeligen Reiberknödel.

Die Spansau: zwei schöne Scheiben Rollbraten. Knusprig ist seine Kruste, so luftig-kross, dass man nicht um seine Zahnfüllungen fürchten muss, und das Fleisch zergeht beinahe auf der Zunge. Hinreissend! So gut habe ich das lange nicht mehr irgendwo gegessen.
Das Sauerkraut ist tatsächlich sauer, aber nicht zu sauer. Ein Löffelchen Zucker mehr, hätte mir persönlich besser gefallen, aber meine persönliche Vorliebe sei keines anderen Referenz ...

Welches Eis wollen wir zum Nachtisch?

Die freundliche Bedienung nennt uns mindestens fünf Alternativen. Sämtlich sind sie hausgemacht.

Ich entscheide mich für ein Quitten-Sorbet, meine Begleitung für eine Orangen-Zimt-Eis. Mein Quitten-Sorbet ist ein Gedicht!

Das Orangen-Zimt-Eis lässt sowohl Orangen-, als auch Zimtaromen vermissen. Wir tippen auf das vegane Vanilleeis. Ein Fehler der Küche oder des Service? Pfeif drauf, auch dieses Eis ist lecker und so reklamieren wir nicht. Obwohl es ein veganes Eis ist und da stellen sich uns normalerweise schon beim Gedanken daran die Nackenhaare auf ...

Der Espresso ist gut, aber nicht sehr gut und kommt von einer Rösterei in Zwiesel. Etwas weniger Wasser bei gleicher Menge Kaffeepulvers hätten ihm gestanden. Der Homo vorwaldbewohnensis  kann es möglicherweise nicht leiden, wenn die ohnhin winzigen Espresso-Tassen nur zur Hälfte gefüllt sind und reklamiert seine "kleine Peitsche"?

Aber irgendwas ist ja immer ... Die Toiletten waren es heute nicht: Die waren piccobello und tiptop, bei den Männlein, wie den Weiblein.

Wir bezahlen zu zweit 33,20 EUR plus Trinkgeld für ein Drei-Gänge-Menü plus Espresso und je eine Halbe bestes Bier.

Wir sind satt und zufrieden, treten hinaus an die frische Luft in eine sonnengeflutete Schneelandschaft und strolchen noch ein wenig durch die wunderschöne, gottverlassene Gegend. Welch gutes, bairisches Essen, welch wunderschöne Aussicht auf die Berge des Bayerischen und Böhmerwaldes.

Wer hier nie war, der war, was hiesige Landgasthofküche angeht, noch nirgends ...

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