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Dienstag, 2. Mai 2017

Müller-Thurgau-Maniacs (IX): Rainer Zang aus Nordheim am Main

Ich war mir nicht mehr sicher, drum hab ich nachgeschaut: Zwölf Jahre sind es mittlerweile her, da habe ich in Nordheim am Main einen Kurzurlaub verbracht.

Ich erinnere mich langer Läufe im Morgengrauen durch legendäre Lagen der Weininsel an der Mainschleife bei Volkach: Nordheimer Vögelein und Kreuzberg, Sommeracher Katzenkopf, Engelsberg und Rosengarten. Musik in den Ohren vieler Weinliebhaber und -kenner.

Das Maindreieck ist reich an legendären Weinlagen. Hier an der Mainschleife drängen sie sich dicht an dicht. Gleich gegenüber beispielsweise, am Nordufer des Mains der Escherndorfer Lump: Welch imposanter Weinberg, welch große Rieslinge und Silvaner an diesem steilen Hang gedeihen!

Dass ich damals Rainer Zangs Weingut besucht habe, halte ich für unwahrscheinlich. Zumindest erinnere ich mich dessen nicht. Und ich würde mich dessen bestimmt erinnern, denn Rainer Zang und seine Weine ragen aus dem Mainstream der Massenweine wie Felsen aus lebhafter Brandung.

So anachronistisch seine Philosophie auf den ersten Blick anmutet, so zukunftsweisend ist sie. Er setzte bereits auf "Naturweine", die in Spontanvergärung und langer Maischestandzeit zum Leben erwachen, da führte hierzulande kaum jemand den heute wohlfeilen Modebegriff "Orange-Wine" im Munde.
von Robert Bock

Nordheims Weinbau braucht sich vor den Escherndorfern jenseits des Mains keineswegs verstecken.
Links Nordheim, rechts Escherndorf zu Füßen des Escherndorfer Lumps

Zwar schmiegen sich Vögelein und Kreuzberg, anders als der schroff zum Fluss hin abfallende Lump, an eine eher unspektakuläre, sanftgeschwungene Hügelkuppe, die nicht halb so majestätisch diese Landschaft prägt - vielleicht spiegelt sich aber gerade darin die feine Filigranität und Sanfheit vieler Nordheimer Weine.

Über 50 Weingüter gibt es in Nordheim, 250 Mitglieder zählt die Winzergenossenschaft. Wein und Nordheim gehören seit Menschengedenken zusammen ...

Familie Zang
Familie Zang betreibt nachweislich seit 1640 Weinbau in Nordheim. Das Öko-Weingut Zang ist ein Pionier nachhaltiger Weinerzeugung: Seit 1990 ist man Mitglied bei Naturland und arbeitet nach strengen biologischen Richtlinien. Auf 6 Hektar Ertragsfläche baut man primär klassisch-fränkische Weißweinrebsorten aus: Silvaner, Müller-Thurgau, Riesling, Bacchus, Spätburgunder und Weißburgunder. Auch einige pilzresistente Neuzüchtungen sind aufgestockt: Johanniter, Regent und Bronner.

Die Zangs wollen Natürlichkeit schmeckbar machen. Nicht nur verzichtet man im Weinberg auf Mineraldünger, chemische Spritzmittel und Dergleichen, sondern auch auf alle erlaubten Zusatzstoffe in der Weinbereitung.

Größtenteils werden die Weine im Holz ausgebaut, durchlaufen in der Regel natürlichen Säureabbau und bleiben für mindestens ein Jahr ohne Schwefel auf der Hefe. Biowein ist nicht gleich Biowein: Von einer derart aufwändigen, entschleunigten Behandlung kann ein industriell erzeugter Biowein allenfalls träumen ...

Rainer und Maximilian Zang
"Engagiertes Bio für möglichst viel Charakter im Wein, für stilistische Vielfalt und geschmacklichen Reichtum" verspricht mir Rainer Zang in dem Begleitbrief, den er seinen drei Müller-Thurgau-Weinen beigefügt hat.

Sein Weingut sei kein Anhänger des frischen, jungen und spritzigen Sommerweins. Im Gegenteil, schreibt er, bei ihm bekäme man auch Weine älteren Jahrgangs, die erst nach ein paar Jahren ihre ideale Trinkreife erreicht und ihren besonderen Charakter entwickelt hätten.

Auf seine Weine müsse man sich einlassen, sie seien kein Mainstream, anders seien sie, radikaler ... Mainstream interessiere ihn und seine Familie nicht, sie machten ehrliches Handwerk mit Liebe, individuell, unüblich, urwüchsig und unverwechselbar. Sie seien das, was man früher "preiswert" genannte habe, denn sie kennten den tatsächlichen Wert ihrer Weine, vom Rebstock bis auf die Flasche.

Das Paket, das mir Rainer Zang zur Verkostung schickt, umfasst drei Müller-Thurgau-Weine unterschiedlichen Jahrgangs und Charakters aus der Lage Nordheimer Kreuzberg, deren Böden von Muschelkalk und Lettenkeuper in tieferen Schichten geprägt sind:
  • 2015er Kabinett trocken  - ein Basiswein in der Literflasche (mittig)
  • 2014er Kabinett trocken  "Supernova" (rechts)
  • 2015er Kabinett trocken "Gegenstrom" (links)
Drei grundverschiedene Weine, schreibt Rainer Zang, die mir die Bandbreite derer ein Müller-Thurgau fähig ist, exemplarisch aufzeigen soll.

"Supernova" und "Gegenstrom" sind Müller-Thurgau-Weine bewußt anderer Machart: Wie alle Trauben des Weingutes, wurden diese zunächst von Hand gelesen und schonend gekeltert. Zusätzlich wurden ca. 10% der Trauben von Hand abgebeert und zusammen mit dem vorgeklärten Saft zur Gärung ins Holzfass gegeben. Nach spontaner Vergärung ruhte z.B. der "Gegenstrom" bis in den Juli 2016 zusammen mit den Beeren auf der Vollhefe. Nach Abstich und Filtration wurde er erst Mitte September 2016 auf die Flaschen gefüllt und steht erst seit Dezember 2016 zum Verkauf.

Ein 2015er Müller-Thurgau, der erst im Dezember 2016 in den Verkauf gelangt?, sinniere ich, da vermeldet so mancher Hopplahopp-Winzer bereits "Ausgetrunken!" Ob man den Zang'schen Müller-Thurgaus alle die Mühe und Liebe ankennt, die in sie investiert wurden ...?

Zu unseren Notizen (in der Reihenfolge ihrer Verkostung) ...

2015er Müller-Thurgau Kabinett trocken | Nordheimer Kreuzberg | Öko-Weingut Zang | Nordheim/Main | Franken | 12,5% Alc. | Literflasche mit Schraubverschluß | Naturland-Bio

Im Glas (Spiegelau Authentis Weißweinkelch und Burgunderkelch): Dunkelgelb, zähe Schlieren am Kelch.
Nase: Frisch geschnittenes Holz, frisch vom Stamm gezogene Birkenrinde, grünes Laub, Harz | später: Honig, Muskat, unreife Birne - sehr frische, einzigartige Nase
Zunge & Gaumen: Kein Moussieren (mehr), gereift, mineralisch, grünes Haselnussholz, schöne Süße jedoch zunächst ohne ausgeprägte, klar identifizierbare Fruchtaromen, breit, rund, mollig, sahnig, cremig. Später entwickeln sich Aromen von Birne, Apfel, Birnenkompott und Honigmelone.

Ein Gänsehautwein in der Literflasche! Spontaner Eindruck: Einer der, wenn nicht der interessanteste M-Th, den ich je getrunken habe! Enorm komplex im Charakter, kein frisches Terrassenweinchen, sondern ein Müller-Thurgau, in den man sich vertiefen muss und möchte. Idealerweise aus einem wuchtigen Burgunderglas zu genießen: Dieser Wein braucht Platz!

2015er Müller-Thurgau Kabinett trocken "Gegenstrom" | Nordheimer Kreuzberg | Öko-Weingut Zang | Nordheim/Main | Franken | 12,5% Alc. Burgunderflasche mit gutem Korken ohne Kapsel| Naturland-Bio | RZ 3,7g/L | GS 4,7g/L | 11 EUR

Im Glas (Spiegelau Authentis Burgunderkelch): Goldgelb bis Bernstein, dicht
Nase: Apfelsäure, Apfelschalen, Honigmelone, Buchsbaum
Zunge&Gaumen: Weich, cremig, sahnig, vollmundig, sehr nachhaltig, sehr dezentes Moussieren, Boden zunächst vor Frucht, dann Apfel, Birne, Kompott von gelben Früchten, reife Mirabellen.

Rainer Zangs Weine wollen durch Eigenständigkeit und Charakter überzeugen und die Lage bestmöglich widerspiegeln. Dieser komplexe Müller-Thurgau ist Beleg für dieses Ansinnen, beginnend mit dem Etikett, wo sich das Prädikat beinah versteckt: Understatement pur. Zang modelliert das Terroir heraus, zulasten verspielter Fruchtigkeit. Ungewöhnlich, ungewohnt - spannend!

2014er Müller-Thurgau Kabinett trocken "Supernova" | Nordheimer Kreuzberg | Öko-Weingut Zang | Nordheim/Main | Franken | 12,5% Alc. Burgunderflasche mit gutem Korken ohne Kapsel | Naturland-Bio


Im Glas (Gabriel): Goldgelb, dicht, zähe Schlieren am Kelch
Nase: Aprikose, getrocknete Aprikosen, Holunderblüten, Cantaloupe-Melone
Zunge&Gaumen: Seidig-cremig, sahnig, reife Mispeln, weiße Maulbeeren - nachhaltig, lang, kein Moussieren,

Beinahe minütlich changiert dieser Wein im Nasen- und Gaumeneindruck. Komplex und wuchtig, deutlicher von Frucht geprägt mit weniger Erdigkeit als der 2015er Jahrgang beeindruckt dieser Wein nicht minder als sein jüngerer Bruder.

Alle drei Müller-Thurgau-Weine von Rainer Zang und seiner Familie haben mich auf ihre Weise tief beeindruckt. In der Zusammenschau bestätigen sie gelebte Liebe und Leidenschaft für die Müller-Thurgau-Rebe und handwerkliches Spitzenkönnen in der Umsetzung einer klar definierten Philosophie. Ich empfehle Freunden des Müller-Thurgau alle drei Weine im Paket zu bestellen (oder vor Ort zu kaufen) und zu verkosten - es wird ein Wein-Erlebnis werden, das weder ein Müller-Freund, noch ein -Skeptiker so schnell vergessen wird.

Ohne den anderen Müller-Thurgau-Maniacs zu nahe treten zu wollen: Wenn jemand es verdient, der Primus inter pares unter den bislang versammelten Trägern dieses Ehrentitels genannt zu werden, dann in meinen Augen Rainer Zang.















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