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Freitag, 16. Juni 2017

Im Restaurant Jedermann in Straßkirchen

Das niederbayrische Straßkirchen liegt zwischen Straubing und Plattling an der B8, hat offiziell 3170 Einwohner, die sich auf 15 Ortsteile verteilen, eine eigene Postleitzahl und Festnetzvorwahlkennung - aber kein eigenes Kfz-Kennzeichen.

Dafür aber gibt's dort in Person vom Hartl Sepp einen  Holzofenbrotbäcker, der ein sensationelles Brot bäckt und einen höchst bemerkenswerten Koch. Der hat dort 2013 in der Irlbacher Straße 1 das Restaurant Jedermann eröffnet, von dem heute die Rede sein soll.

Sebastian Völkl heißt der junge Mann, der nicht nur bemerkenswert gut kocht, sondern auch eine ebensolche Vita vorzuweisen hat: Bevor er sich dazu entschied  die Kunst des Kochens von der Pike auf zu lernen - und er tat dies bei keinem Geringeren, als dem Superstar der einstmals "jungen Wilden" unter Deutschlands Köchen Stefan Marquard in dessen Jolly Roger Cooking Gang - hat Sebastian Völkl nämlich Sozialpädagogik studiert und mit Diplom abgeschlossen. Ein intelligenter, gebildeter junger Niederbaier ist "der Sebastian" also, wie er sich auf der Website des Jedermann nennen läßt, und zudem mittlerweile Vater dreier Kinder.
von Robert Bock

Meine charmante Begleiterin und ich sind nicht zum ersten Male hier im Herzen der, beim bloßen Durchfahren, recht trist anmutenden Ortschaft, wo das architektonisch und innenarchitektonisch geschmackvoll gestaltete Lokal im Schatten des Kirchturms von St. Stephanus wie eine Perle in der Auster wirkt.

Beim Erstbesuch am 3. März 2017 haben wir lediglich einen (sehr guten) Kaffee getrunken, den Hartl Sepp und seinen glühendheißen Holzofen besucht und sind dann weiter nach Sengkofen, wo uns die Jungs vom Goldenen Krug beinahe den Abend verdarben ...

Heute hat der Dietl Martin für sich und uns einen Tisch für 13 Uhr reserviert. Vorher will er uns sein brandheißes Projekt zeigen. Der Bierbrauer vom Dietl-Bräu 2016 in Hunderdorf, der ein sensationelles Helles produziert, will noch im Juni in Oberalteich bei Bogen die Klosterwirtschaft aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken.

Ein prächtiges Gebäudeensemble - aber noch unsäglich viel Arbeit für den Martin, bis dort eine der vielleicht bairischsten Wirtschaften weit und breit Auferstehung feinern wird: Mit Bier vom Dietl-Bräu und ausschließlich grundsolide gemachter bairischer Küche, winziger Speisekarte und einem Klosterladen, wo der Einkehrer regionale Schmankerl kaufen können wird. Sogar eine richtige, 14 Meter lange Gredbeng soll vor dem Wirtshaus stehen ... Wo findet man das noch? Wenn Martin Dietl umsetzt, was er sich vorgenommen hat, bin ich zuversichtlich, an dieser Stelle bald über eine neue Perle altbairischer Wirtshauskultur des 21. Jahrhunderts berichten zu können, zu der es sich hinzupilgern lohnen wird ...

The future is unwritten - Das Jedermann ist Gegenwart ...

Wir nehmen Platz auf der mit einem Sonnensegel überspannten geräumigen Terrasse im, der Straße abgewandten, rückwärtigen Teil des Gebäudes. Ruhig ist es hier im Schatten des Kirchturms, die Stühle sind bequem, der Tisch wackelt, nicht, weil der Boden uneben wäre, sondern weil Platte und Gestell nicht ordentlich verschraubt sind ... Irgendwas ist immer, meine Leserinnen und Leser kennen das bereits.

Was trinken? Meine charmante Begleiterin bestellt - nicht weil ihr dessen Produzent gegenübersitzt - ein "12,5" vom Dietl Bräu, zu dem ich zunächst ebenfalls tendiere, mich dann aber für ein Hofmark-Weißbier aus Cham entscheide.
Kein Weizen, an das ich mich erinnern werde, ich bin sicher das Weißbier vom Dietl Martin, das er demnächst "launtschen" wird, wie Marketing-Bubberer wie ich dazu sagen, wenn sie ein neues Produkt in den Markt einführen, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überzeugender schmecken.

Sebastian Völkl ist bekannt für seine kreativ komponierten Risotti. Er arbeitet mit dem Branchenriesen Risogallo zusammen. Wie wäre es beispielsweise mit Veneré mit Scheurebe Spätlese gekocht, mit karamellisiertem Koriander, Pinienkernen, Cremé Fraiche, und Maracuja-Trauben? Nein ...?  Risotto Gran Riserva mit geschmorter Lammkeule, Primitivoschalotten und frisch geriebenen Meerrettich?

Klingt beides nach Gaumensex, oder? Die Rezepte finden sich, für alle Hobbyköche nachvollziehbar, auf der Homepage des Jedermann und zwar hier.

Meine charmante Begleiterin behauptet ja, meine Risotti seien unschlagbar - wahrscheinlich sagt sie das nur, weil sie weiß, wie man mich einwickeln kann - und will deswegen dem Sebastian seine Kunst auf die Probe stellen: Das Risotto mit Birne, Gorgonzola und Pinienkernen soll es für sie sein.

Es duftet verführerisch, als ihn die sehr freundliche Dame vom Service serviert. Cremig fließt der Brei über den wunderschönen Teller. So muss das sein!

Wie er schmeckt? Ausgezeichnet! Der Reis ist auf den Punkt gegart, der Gorganzola kommt kräftig durch, die Pinienkerne sind perfekt trocken angeröstet. Einen Moment nicht aufgepasst und du kannst die Dinger wegwerfen, ein Moment zu kurz, und ihre wunderbaren Aromen halten sich versteckt.

Wenige Gerichte können mich so begeistern, wie ein gut gemachter Risotto, wenige mich derart tief enttäuschen. Die Liebe ist es, die in diesem Fall den großen Unterschied macht. Ich liebe es Risotti zu rühren, der Sebastian liebt es ebenso. Das Ergebnis spricht Bände ...

Ich habe mich für ein Schnitzel Wiener Art vom Bio-Schwein mit Bratkartoffeln entschieden.

Mehr als eine mittelgroße Kartoffel wurde leider nicht gebraten. Als Beilage mir persönlich deutlich zu wenig, wirken die Bratkartoffeln eher wie ein Deko-Element. Die Schnitzel sind nach den Regeln der Kunst gemacht, vielleicht eine Nuance zu lange im tiefen Fett geschwommen. Schöne Preiselbeeren, prima Dressing am Salat.

Den hätte ich mir in einem separaten Schälchen gewünscht, denn die Blätter sind reichlich nappiert und das Dressing weicht von unten her leider die Panade des Schnitzels auf.

Der Teller und alles, was sich auf ihm findet, ist eine Augenweide - keine Frage. Aber unterm Strich ließe sich meines Erachtens an dieser Interpretation des Klassikers das eine oder andere Detail verbessern.

Martin Dietl ist an diesem Mittag  nach einem großen Salat mit gebratenem Fleisch. Auch sein Gericht wir in schönem Geschirr serviert, dessen asymetrische Form auf dem Foto leider nicht zum Ausdruck kommt, sieht schmackhaft aus, doch probiert habe ich nicht. Drum belasse ich's beim Übermitteln des optischen Eindrucks.

Uns gegenüber hängt ein Täfelchen, auf dem Spargeleis mit Balsamico-Essig angepriesen wird ... Logisch, das muss zum Abschluß sein!

Serviert wird das selbstverständlich hausgemachte Spargeleis mit karamellisierten Sonnenblumenkernen und ausgarniert mit frischem, duftigen Basilikum.

Dieses Dessert - das Spargeleis vor allen Dingen - ist eine Sensation. Was einer aus Spargel alles machen kann, wenn er seinen Beruf liebt und sich aufs Handwerk versteht ...?  Großartiges Dessert! Und das für faire 2,90 EUR.

Dann schaut der Chef vorbei und erkundigt sich nach dem Wohl seiner Gäste.

Martin Dietl und Sebastian Völkl kennen sich gut, auch meine charmante Begleiterin und er kennen sich bereits von Lucki Maurers legendärem Kulinarik-Festival, wo beide auch 2017 wieder am Start sein werden. Mich kennt der Sebastian noch nicht und er zuckt kurz zusammen, als ich mich zu erkennen gebe ...

Ja, auswärts essen regensburg kenne er natürlich, sagt er, mein Blog sei in der Szene mittlerweile ja eine Hausnummer über die man spreche. Das höre ich zwar gerne, beeinflußt aber mitnichten mein Urteilsvermögen ... Er setzt sich zu uns an den Tisch, bemerkt, dass dieser wackelt und ich kenne ihm an, wie es ihn anfasst, dass er das erst heute bemerkt ...

Fast eine Stunde plaudern wir zu viert über Gott und die Welt des feinen Kochens. Sebastian Völkl taut rasch auf und wir stellen fest, dass wir gemeinsame Bekannte aus der Sozialpädagogen-Hochschulszene haben.

Viel hat er noch vor, dieser Sebastian Völkl. Kochen, kochen, kochen - das sei seine Leidenschaft.

Leider gehöre aber zum Gastronomenberuf auch der ganze administrative, kaufmännische Kram, den er sich erst mühsam erarbeiten habe müssen. Betrieb und Familie unter einen Hut zu bringen, verlange zudem den einen oder anderen Spagat ...

In Sebastian Völkl lodert das Feuer der Leidenschaft. Seine Augen blitzen, wenn er übers Kochen spricht. Er hat eine klare Vision für sich und sein Lokal. Das ist eine solide Ausgangsbasis für eine erfolgreiche Zukunft.

Wir sprechen eine ausdrückliche Empfehlung für das Jedermann in Straßkirchen aus. Reservierung sei -vor allem am Wochenende - dringend angeraten.

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