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Samstag, 2. September 2017

In der Vinothek Iphofen

Wer noch nie im fränkischen Iphofen war, sollte das nachholen.

Für mich zählt das Städtchen im nördlichen Steigerwald mit seinen fünftausend Einwohnern zu den schönsten Orten Deutschlands: Wer Rothenburg ob der Tauber oder Dinkelsbühl mag, wird Iphofen lieben.

Gegenüber den beiden genannten klassischen süddeutschen Zielen für Fachwerk- und Mittelalterfans, kann Iphofen zudem in die Waagschale werfen, dass dort - dank der Gipskeuperböden an den sanften bis steilen Lagen des Schwanberges - Weißweine von Weltformat gedeihen und 20 Weinbaubetriebe, darunter mit Wirsching, Ruck und Arnold drei V.D.P.-Weingüter, dem Weinfreund mit ihrer Hände Arbeit wonnevolle Stunden schenken. Konzentriert präsentiert werden die Iphofener Weine zu feinem Essen in der Vinothek Iphofen, von der in diesem Feature die Rede sein soll.
von Robert Bock

Man kennt das ja: Man möchte auswärts irgendwo gepflegt dinieren und sich eine Flasche Wein gönnen, aber - je nach Kategorie des Restaurants - werden schon im Einstiegsbereich der Weinkarte Preise aufgerufen, dass einem heiß und kalt wird.

Kalkulationszuschläge auf den Einstandspreis mit Faktor 3 bis 4 sind die Regel. Und so kostet eine schöne Flasche, die der Winzer dem Gastronomen für zehn Euro verkauft, im Restaurant geschmeidige 30 bis 40 Euro.
Mit den Getränken verdient es sich viel leichter Geld, als mit der (Sterne-)Küche - das ist allgemein bekannt, denn außer Lagerkosten und Abschreibungen fürs Glas und den Weinkühlschrank fallen kaum Kosten an. Anders in der personalintensiven Küche, dem hohen Wareneinsatz für die Lebensmittel und dem Service. Am Ende muss für den Unternehmer die Mischkalkulation stimmen - für den nicht auf Rosen gebetteten Gast bedeutet das, dass er mittlerweile kaum mehr irgendwo ein Glas Wein mit 0,1 Liter für unter 4 Euro bekommt. Oft genug leider kaum genießbare Plörre aus Italien oder Spanien, die selbst für die Essigproduktion ungeeignet gewesen wäre.

In Iphofens Vinothek ist das anders, denn diese Institution dient den hiesigen Winzern als Schaufenster ihres Schaffens.

Ein jeder von ihnen steuert eine kleine handvoll Weine bei, die dort zu sehr zivilen Preisen in Portionsgrößen zu 0,1 Liter, 0,25 Liter oder einer ganzen Flaschen in hervorragenden Gläsern und bestens temperiert, solo oder als Essensbegleitung, ausgeschenkt werden.
So kostet eine Flasche 2015er Riesling vom Julius-Echter-Berg, Iphofens beste Lage, von einem der unbestritten besten Weingüter Deutschlands, Hans Wirsching, dort als Essensbegleitung 15,50 Euro.

Im Weingut selbst, das einen Katzensprung entfernt liegt, muss der private Endverbraucher für exakt diesen Wein im Bocksbeutel 12,50 Euro anlegen.

Besser kann man Weine m.E. in einer Weinkarte nicht deklarieren, wie dies in der Vinothek Iphofen getan wird: Kurz & knapp & ohne übertriebenes Verkäufergeschwafel.

Die preiswerteste Flasche im Ausschank der Vinothek Iphofen, ein Silvaner, kostet 9,80 Euro, die teuersten Weine übersteigen, sofern ich beim Studium der Karte nichts übersehen habe, nicht die 17-Euro-Grenze.

Maggie Schauner und Steffen von der Tann vom ortsansässigen Weingut Von der Tann haben uns die Vinothek empfohlen. Meine charmante Begleiterin und ich haben die beiden Müller-Thurgau-Maniacs zuvor in ihrem Weingut besucht. Man serviere dort die besten Sauren Zipfel der Stadt - in Essigsud mit Zwiebeln gegarte Bratwürste. Das hat uns Maggie versprochen.

Wir haben Glück und ergattern noch ein Plätzchen auf der Terrasse vor der architekonisch gelungenen Vinothek. Der Spagat zwischen Mittelalter und Moderne ist den Stadtplanern und Architekten Iphofens mustergültig gelungen. Ein Fest fürs Auge, wohin man blickt, ein Dorado für detailverliebte Fotografen.

Wir bestellen - was sonst? - zweimal Saure Zipfel. die im positiven Sinne übersichtliche Speisekarte hätte viele schöne Gerichte offeriert und das zu sehr zivilen Preisen. Aber nein, uns war nach diesem fränkischen Klassiker. Dazu eine Flasche des besagten Wirsching-Rieslings und ein Fläschchen stilles Wasser. Die Glocke von St. Veit, der mächtigen gotischen Stadtpfarrkirche schräg gegenüber, schlägt sieben Mal, wir klappen die Karte zu.

Die Sauren Zipfel sind ausgezeichnet in jeder Komponente. Lorbeerblatt im Sud, Wacholderbeeren, frische Petersilie - sehr schön! Dazu serviert man hervorragendes Sauerteigbrot.

Ob man zwingend eine Bratwurst im Bändel verwenden muss, darüber streiten die Gelehrten, weil die fette Wulst des Bändeldarms gern tranig schmeckt und eine Bändelbratwurst leichter aufplatzt - aber diese Bratwurst schmeckt wunderbar nach frischen Kräutern wie Majoran und Kerbel.

Aber, ich muss ja irgendetwas  finden: Der Sud hätte meiner persönlichen Vorliebe nach einen Spritzer mehr Säure vertragen, aber ansonsten kann man dieses Gericht kaum besser zubereiten. Wo wird man heute noch in gediegenem Ambiente und mit hervorragendem, stets präsentem Service durch die Chefin höchtspersönlich, genüßlich satt für 6,90 Euro ...?

Wir teilen uns zum Nachtisch eine Portion der Käse-Variationen für 7,90 Euro: Saisonale Käsespezialitäten der Hofkäserei Brunner mit gemischtem Brot.

Aromatischer Käse, schön ausgarniert und mit einem Feigensenf serviert, den ich in dieser Qualität so noch nicht genießen durfte, war dies ein würdiger Abschluß unseres Mahls.

Beinahe hätte ich vergessen, dass sich meine charmante Begleiterin von mir zu einem Gläschen passenden Dessertweines überreden ließ: Eine 2015er Scheurebe Spätlese lieblich, Julius-Echter-Berg vom Weingut Muth. By the way ... Allenfalls Weinnovizen und Pseudo-Weinkenner bestellen in erster Linie Rotwein zum Käse. Die wenigsten Käsesorten korrespondieren - im Unterschied zu vielen Weißweinen - mit Rotwein. Und, ja, restsüß darf, ja muss bei manchen Käsesorten (insbesondere Blauschimmel) sein. Warum sonst wären Feigensenf und süße Weintrauben traditionell beliebte Partner ...? Ach, soll doch jeder essen und trinken was er mag ...

Wir grooven geschmeidig durch mittelalterliche Gäßchen gen Unterkunft und unausgesprochen steht so gut wie fest, dass wir auch den Abend des Folgetages gerne hier verbringen wollen.

Auch ist dies dem Umstand geschuldet, dass einige Iphöfer Gasthäuser ausgerechnet jetzt ihren Sommerurlaub machen. Die Auswahl an Alternativen vor Ort ist Anfang August deshalb übersichtlich ... Jene, die geöffnet haben, offerieren leider Schnitzelsammelsurien oder anachronistisches Zeug, das so erotisch anmutet wie Sex in der Finsternis: Schweinelendchen Madagaskar, Kutscherpfännchen und Züricher Geschnetzeltes mit Rösti nebst Zusatzstoffcodes auf der Karte, die die Zeilen bis zum Anschlag füllen. Pizza oder Döner kann mir persönlich insbesondere in Franken unter Garantie gestohlen bleiben.

Gesagt getan: Am Folgetag noch einmal Vinothek!  


Diesmal bestellen wir Saure Zipfel. Hatten wir die nicht berereits gestern ...?!

Egal - diese sauren Bratwürste sind so etwas Feines, beide könnten wir die jeden Tag essen ...

Dazu diesmal eine Flasche 2016er Silvaner trocken QbA vom Silvanerweingut Seufert. 
Hintnach eine Portion "Angemachter Käse" (5,50 Euro) - mit anderen Worten: Einen Obazdn, den man nun infolge jüngster Bürokratenpossen nicht mehr so nennen darf, es sei denn man unterwirft sich als Wirt kostspieligen Zertifizierungsfisimatenten.

Abschließend ordern wir eine Portion Crepes Suzette mit flambierten Orangenfilets (6,20 Euro).

Weil der Silvaner gar so schnell verdunstet ist, kosten wir uns anschließend im Zehntellitertakt durch die Weinkarte und beschließen unseren letzten Abend in Iphofen mit einem Fränkischen Tresterbrand.

Hier läßt sich's Schlemmen ohne ein Vermögen ausgeben zu müssen ...

Fazit:  

Das gastronomische Konzept der Vinothek Iphofen ist rund und stimmig, die Wein- und Speisenauswahl und deren Zubereitung (von Küchenchef und Mitinhaber Pascal Bassing) bar jedes echten Kritikansatzes, der Service (Mitinhaberin Svenja Waldow) bestmöglich, das Ambiente hochästhetisch und gemütlich.  

Es gibt wenige Lokale mit gehobener gut-bürgerlicher Küche modernen Anstrichs, die mich in den zurückliegenden zwei Jahren so begeistern konnten.

Deshalb spreche ich für die Vinothek Iphofen gerne eine uneingeschränkte Empfehlung aus und bedanke mich bei Maggie Schauner für diesen hervorragenden Tipp.

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