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Montag, 30. April 2018

Müller-Thurgau-Maniacs (XVI): Julia Glaser | Weingut Glaser-Himmelstoss | Dettelbach und Nordheim am Main | Franken

In Mainfranken scheinen überdurchschnittlich viele Winzerinnen und Winzer ihren Müller-Thurgau zu lieben, auch wenn sie ihn Rivaner nennen. Wer einen Blick auf die Liste meiner Ehrentitelträger wirft, versteht, was ich meine: 8 von 15 Winzerinnen und Winzern sind in Franken beheimatet.

Mit dem Weingut Glaser-Himmelstoss aus Dettelbach und Nordheim am Main findet das erste V.D.P.-Weingut Eingang in die Liste der "Müller-Thurgau-Verrückten".

Konkret in Person der "Juniorchefin" Julia Glaser, die, nach Abschluss ihrer Winzerausbildung vor zwei Jahren und ihrem Studium von Weinbau und Önologie in Neustadt an der Weinstraße, in das Familienweingut, das sie selbst als "Drei-Generationen-Weingut" bezeichnet, heimgekehrt ist, um dort Verantwortung für Gegenwart und Zukunft des Betriebes zu übernehmen.

"Altbewährtes erhalten und Neues zulassen", schreibt mir Julia Glaser. Nach dem Motto, was gut sei, bleibt, halte man an Traditionen fest, man sei sich aber für spannende Neuerungen nicht zu schade. Und wer weiß, vielleicht werde aus etwas, was im Kleinem anfange, ja irgendwann ein bewährter Bestandteil ihres Tuns ...
von Robert Bock

Julia Glaser schreibt mir über das Weingut ihrer Familie:
"Ursprünglich waren wir zwei Weinbaubetriebe. Weinbau Siegfried Glaser in Nordheim und Weinbau Hans Himmelstoss in Dettelbach (beides meine Großväter). Doch wie es der Zufall so wollte, lernten sich meine Eltern kennen und lieben. Beide waren damals, unabhängig voneinander, Winzer aus Leib und Seele und fest entschlossen in den eigenen Familienbetrieb einzusteigen. Doch aus den eigenen Zukunftsplänen beider wuchs schnell ein gemeinsame Zukunft - aus zwei Weingütern wurde eines. Bis heute führen meine Eltern das Weingut Glaser-Himmelstoss gemeinsam. Doch auch meine Großeltern haben nie aufgehört für und mit dem Wein zu leben. 
Bis heute sind wir an beiden Standorten fest verwurzelt. Der eigentliche Betrieb mit Traubenverarbeitung und Weinausbau befindet sich heute in Nordheim. In unseren Fachwerkhaus in Dettelbach lädt eine gehobene Gastronomie mit einigen Gästezimmern und traumhaft belaubten Innenhof zum Verweilen ein. Das Restaurant Himmelstoss selbst ist verpachtet und wird von Roman Krückel, einem befreundeten Sommelier, geführt. Vinotheken gibt es an beiden Standorten. In Zusammenarbeit mit dem Restaurant können wir somit in Dettelbach auch Weinverkostungen mit Menübegleitung oder köstlichen Kleinigkeiten auf die Beine stellen"

14 ha Rebfläche liegen verteilt in drei Ortschaften: Sommerach, Nordheim (ursprünglich Papas Weinberge) und Dettelbach (ursprünglich Mamas Weinberge). Die Qualitätsphilosphie des Weinguts Glaser-Himmelstoss ist meines Erachtenss klar und schlüssig:
  1. Qualität kommt allein aus dem Weinberg. Deshalb setzen wir auf ganzjährige Handarbeit, natürlich auch bei der Traubenlese. Diese erfolgt bei uns selektiv, komplett von Hand. So kommt es nicht selten vor, dass wir während der Lese ein und denselben Weinberg nicht einmal, sondern zwei- oder dreimal einen Besuch abstatten.
  2. Das aufrichtige Handeln im Umgang mit der Natur, in der wir leben und arbeiten, hat für uns immer Priorität. Wir sehen es als Pflicht unsere bezaubernde Kulturlandschaft mit all ihren großen und kleinen Mitbewohnern in ihrer ganzen Schönheit für nachkommende Generationen zu erhalten und zu pflegen. 
Silvaner, Müller-Thurgau, Riesling, Scheurebe, Weißburgunder, Grauburgunder, Traminer, Rieslaner, Bacchus, Kerner, Portugieser, Spätburgunder, Schwarzriesling und Domina baut das Weingut Glaser-Himmelstoss an.

Authentische, klare und ehrliche Weine, wolle man produzieren, formuliert Julia Glaser; Weine die den Boden, auf dem die Reben wurzeln, im Glas schmeckbar machen. Weine, die auch mal Ecken und Kanten haben dürfen ohne unharmonisch zu wirken. Weine mit Nachhall. Weine, die in Erinnerung bleiben. Weine mit der Balance zwischen Mineralität und Frucht.



Ob es Julia Glaser im Verein mit ihren Eltern und Großeltern bezüglich ihrer drei Müller-Thurgau-Weine, die ich verkostet habe, gelungen ist, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden? Herausragend unter diesen ist - nicht nur für mich - eine 2013er Beerenauslese aus der Premiumlage Dettelbacher Berg-Rondell. Die junge Frau gibt sich, was dieses edelsüße Tröpchen und ihre persönliche Rolle angeht, ganz Fränkin, bescheiden:

"Ehrlicherweise muss ich hier gestehen, wenn jemand in die Reihe der "Müller-Thurgau-Maniacs" aufgenommen werden sollte, dann sind es meine Eltern. Ihre Idee war es, inspiriert durch eine Weinreise ins Sauternes, eine Müller-Thurgau-Beerenauslese im ähnlichen Stil zu erzeugen. Und schon allein eine Beerenauslese vom Müller zu erzeugen, was unter der Weingutsleitung meiner Eltern durchaus nicht selten vorkam und auch heute bei uns immer noch vorkommt, halt ich für außergewöhnlich. Nun aber auf die Idee zu kommen eine Müller-Thurgau-Beerenauslese auch noch ins Barrique zu legen und nicht, wie man es bei Süßwein in Franken erwarten würde, mit vergleichsweise reichlich Restzucker und geringen Alkohol zu füllen, sondern den Wein mit 13%vol. auf die Flasche zu bringen, ist wohl eine ganz besondere Wertschätzung des Müllers. Doch was kann der Müller nicht, wozu man im Sauternes drei Rebsorten braucht? Wie der Sémillon neigt die Müller-Thurgau-Traube im hochreifen Zustand zu einer Ausbildung wunderbarster Edelfäule. Er hat Aroma ähnlich dem Muscadelle und eine feine, für einen Süßwein lebensnotwendige Säure, für die man im Sauternes die Rebsorte Sauvigon blanc als notwendigen Ergänzungspartner braucht."
Meine Verkostungsnotiz zu diesem Wein:

2013er Müller-Thurgau Beerenauslese | VDP. Erste Lage | Dettelbacher Berg-Rondell | 13% Alc | 0,375L


Im Glas (Gabriel Universalglas): Helles Bernstein, zähe Schlieren, enormer Extrakt, dicht, klar.
Nase: Birne, Holunderblüten, Muskat, Aprikosen(kompott), Honig, Wiesenblüten
An Zunge & Gaumen: Ölig, kliedet den Mund aus, schöne Restsäure, süß | Große, gelbe Rosinen, Honig, Zimt, Aprikosenmarmelade, reife Honigmelone.
Fazit: Ein großer Moment für jeden bekennenden Weinfreund; erst Recht für Liebhaber edelsüßer Weine. Kaum zu fassen, wozu der vielgeschmähte Müller-Thurgau in kundigen Händen fähig ist.


Zwei weitere Müller-Thurgau-Varianten des Jahrgangs 2016 stehen zur Verkostung an: Der "Ortswein" in klassischer Variante und eine spontan auf der Maische vergorenen Variante. Zu den Hintergründen Julia Glaser:


Die Idee unseren Ortswein Müller durch ein paar Prozent eines Maische vergorenen Müllers aufzupimpen, hatte ursprünglich ich in den Raum geworfen. Ich dachte daran, dem Wein durch ein paar Prozent eines Maische vergorenen Weißweins mehr Länge und Substanz zu geben, die kühle und klare Struktur und vor allem die uns so wichtige Muschelkalk Mineralität dennoch beibehalten zu können. Aber auch der Rest des Familienclans konnte schnell überzeugt werden und so wurde letztes Jahr zum ersten mal auch ein Müller im Hause Glaser-Himmelstoss spontan auf der Maische vergoren. (Mit Silvaner und Grauburgunder sammeln wir mit Maische vergorenen Weißweinen bereits seit 2011 unsere eigenen Erfahrungen und sind uns auch sicher, dass wir es mittlerweile schaffen unsere, besondere Eigeninterpretation von Maische vergorenen Weißwein auf die Flasche zu bringen. Diese ist erstaunlich klar, strukturiert, kühl und präzise mit viel Länge am Gaumen und ergänzt somit unser Sortiment im Sinne unserer Philosophie perfekt. Ziel war es 2011 vor allem einen Wein mit außergewöhnlicher Lebensdauer zu produzieren. Doch so eine Idee spinnt sich natürlich weiter und so werden heute unsere Maischegärer nicht mehr nur separat gefüllt, sondern dienen auch als willkommene Ergänzungspartner im Rückverschnitt jeweilger Rebsorten.) Beim Müller war die grundsätzliche Idee, wie bereits erwähnt, genau anders herum. Wir wollten einen Ergänzungspartner für unseren Ortswein, für den besonderen Kick.

Gelesen wurde am 11.10 mit 88 Oe. Wir durften 100% gesundes und vollreifes, aromatisches Lesegut ernten. Ein Teil der Trauben wurde gleich abgepresst und im Edelstahl vergoren. Der andere Teil des Lesegutes wurde spontan auf der Maische vergoren und nach der Gärung in mehrfachbelegte Barriquefässer samt Hefe überführt. Barrique deshalb, um die bei der Maischegärung entstandenen Tannine wieder etwas durch den Luftaustausch einzubinden. Die Hefe wurde regelmäßig aufgerührt. Abgefüllt wurde erst kurz vorm Herbst letzten Jahres.

Gesagt, getan!! Der Dettelbach Müller VDP.Ortswein kam mit 10% des Maischegärers auf die Flasche und präsentiert sich mit viel Substanz. Dass es nun der Maische vergorene Müller-Thurgau auch separat auf die Falsche geschafft hat, hat er sich selbst zu verschulden. Wir konnten einfach nicht anders!! Denn auch dieser Müller hat sich, unserer Meinung nach, seine Berechtigung mehr als verdient!
Meine Verkostungsnotizen:

2016er Müller-Thurgau QbA | VDP. Ortswein | Dettelbacher Berg-Rondell | Bocksbeutel, Schraubverschluss | 12,5% Alc. | Gesamtsäure 5,8 g/L | Restzucker 3,9 g/L

Im Glas (Gabriel Universalglas): Helles Strohgelb
Nase: Vanillekipferl, Lychee - parfümiert.
Zunge & Gaumen: Mundfüllend, saftige Säure, gelber Apfel, Zitrusfrüchte (Grapefruit), Zitrusschalen, Muskat, Pfeffer.
Fazit: Die derzeit modernen Vanillekipferlnoten stehen diesem Müller-Thurgau nur, wenn man sie wirklich liebt. Nase/Zunge & Gaumen harmonieren nur bedingt, unbedingt knackig kalt zu trinken, da er bei zunehmender Temperatur an Finesse einbüßt. Ein Müller-Thurgau, der sich - für meinen persönlichen Geschmack - zu weit vom klassischen Charakter der Sortentypizität, den ein Ortswein im Bocksbeutel meines Erachtens vermitteln sollte, entfernt. Insofern trifft der Wein nicht meine persönliche Erwartungshaltung.

2016er Müller-Thurgau trocken | Landwein Main | Dettelbacher Berg-Rondell | Bordeaux-Flasche, Schraubverschluss | 12,5% Alc. | Gesamtsäure 5,4 g/L | Restzucker 2,0 g/L | spontanvergoren, Ausbau im mehrfachbelegten Holz

Im Glas (Gabriel Universalglas): hellgelb, klar
Nase: Verschlossen, kaum präsent
Zunge & Gaumen: Apfel (Cidre), Grapefruitschale, Kräuter (nicht näher definierbar), Bitternoten (Fernet Branca), feines Moussieren, nasse Holzplanke, grüne Noten (Artischocke), Feuerstein, unspektakulär in der Länge.
Fazit: Spontanvergorene Weine sind lebendig und durchlaufen Entwicklungsphase. In der Nase präsentierte sich mir dieser Wein verschlossen und in der Aromatik zwar eigenständig und im positiven Sinne ungewöhnlich für einen Müller-Thurgau, aber für mich persönlich insgesamt nicht stimmig und im Abgang zu wenig nachhaltig. Möglicherweise habe ich diesen Wein in einer Transformationsphase erlebt und eine Verkostung zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt hätte ihn in anderer Verfassung präsentiert - ein Grundmerkmal aller spontanvergorenen / Orange-Weine, das man als Konsument mögen muss.

Familie Glaser-Himmelstoss arbeitet mit einer klaren Philosophie und immer neuen Ideen an ihren Müller-Thurgau-Weinen und kitzelt spannende, ungewöhnliche Facetten aus Terroir und Rebe.

Alleine für diese liebende Zuwendung gebührt allen drei Generationen der Ehrentitel Müller-Thurgau-Manic, den ich stellvertretend an Julia Glaser vergebe.

Die Beerenauslese zählt zu den köstlichsten Dessertweinen, die ich je gekostet habe und ich lege sie allen Müller-Thurgau-Freunden ans Herz. 25 Euro, die man nicht bereuen wird - eher, weshalb man nicht gleich ein paar Fläschchen mehr gekauft hat, um sie sich in den Keller zu legen und sich auf ihren Genuss zu freuen.

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