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Freitag, 1. Juni 2018

Buchners Niederwinkling

Familie Achatz-Buchner hat richtig tief ins Portemonaie gelangt und zur Ergänzung Ihres Traditionshauses, dem Restaurant Buchner in Welchenberg östlich von Bogen, im einen guten Steinwurf entfernten Niederwinkling ein modern ausgestattetes Hotel samt integriertem Restaurant mit internationaler Küche gehobenen Anspruchs aus dem Ortskern gestampft.

Im Restaurant Buchner hat der ältere der beiden Achatz-Brüder, Mathias, dem Lokal einen Michelin-Stern und 15 Punkte im Gault&Millau erkocht. Für mich zählt Mathias Achatz mit "nur" einem Stern zu den krass unterbewerteten Vertretern seiner Zunft, wie ich zuletzt im Januar verifizieren konnte.

Sein Bruder Andreas, selbst Koch und vormals Sommelier im Restaurant Buchner, managed seit bald zwei Jahren das Hotel mit Restaurant in Niederwinkling. Genügend Einarbeitungszeit ist nun verstrichen, um dem Restaurant des Hotels einen Besuch zum Mittagessen abzustatten.
von Robert Bock

Nein, die Küche von Mathias Achatz in Welchenberg ist nicht die Messlatte für das Buchners Niederwinkling. Darf sie nicht sein, denn das wäre nicht der Anspruch der dem Gast hier auch nur ansatzweise angedeutet würde. Feine, durchaus raffinierte, moderne internationale Küche mit Lokalkolorit, so würde ich's beschreiben.

Andreas' Eltern, Ingrid und Josef Achatz , sind Urgesteine bairischer Wirtshauskultur. Sie haben das Wirtshaus des späten 20. Jahrhunderts in Bayern quasi neu erfunden und viele, viele Wirte mit ihrer Vision inspiriert.

Beide verkörpern die Erkenntnis, dass man mit der Zeit gehen muss, will man in der Zukunft eine Rolle spielen. Eine Rolle sollen und wollen dort die beiden Brüder spielen und die Familientradition fortführen. So gehört es sich für Sprösslinge eines niederbairischen Familienbetriebs.

Das Buchners Niederwinkling ist in dieser dünn besiedelten, von Landwirtschaft geprägten Gegend ein Wagnis. Eines, das nur in Verbindung mit der herausragenden Kochkunst von Mathias Achatz funktionieren kann.

Ein zweiter Stern - ich traue Mathias diesen zu - und der Feinschmeckertourismus kommt auf Touren. Schließlich lohne sich ein Umweg zu einem zweibesternten Restaurant, so definiert es der Guide Michelin. Und - wenn schon, denn schon - dann übernachtet man auch gleich hier und nimmt den Shuttle zum Hotel. In drei Minuten ist man da und es kann einem wurscht sein, wieviele Gläser feinen Weins man genossen hat.

Andreas Achatz begrüßt uns. Der junge Mann hat mindestens 25 Kilo abgenommen, seit ich ihn vor etwas mehr als zwei Jahren zuletzt sah. Mein tiefster Respekt für diese Leistung! Er entschuldigt sich, viel zu tun sei an Bürokram, verschwindet wieder im Büro. Alltag eines Unternehmers ... Eine freundliche Dame nimmt sich unser an.

Meine charmante Begleiterin und ich nehmen in dem mit reichlich Holz und edlem, modernen Mobilar sehr hochwertig, ja edel ausgestattem Restaurant Platz. Es ist Mittag und viel ist an diesem Mittwoch im Mai nicht los. Ja, die Lage im Nirgendwo zwischen Bogen und Deggendorf ist eben alles andere als prädestiniert für Laufkundschaft ... Draußen auf der Terrasse vier Gäste, Raucher. Drinnen, neben uns beiden, vier weitere.


Unser Tisch gewährt uns Aussicht in die offene Küche. Dort glänzt und blitzt es nur so. Für die Küchencrew ist eine offene Küche Segen und Fluch zugleich. Einerseits kann der Gast so ausnahmsweise die Helden der Töpfe und Pfannen bei der Arbeit bewundern, andererseits, verrät mir später Küchenchef Franz Czeka (ich hoffe seinen Nachnamen korrekt geschrieben zu haben, falls nein, Verzeihung!), sollte man stets lächeln und sich eines zurückhaltenden Umgangstones befleissigen. Wer je in professionellen Küchen gearbeitet hat weiß, dass dort der Ton, vor allem von Küchenchefs der alten Schule, ziemlich rau sein kann.

Wir studieren die interessante und von der Anzahl der Positionen her erfreulich übersichtliche Karte.

Hier wird selbstverständlich frisch gekocht und man macht nicht den Kardinalfehler, sich im Bestreben, es jedem Gast Recht machen zu wollen, zu verzetteln und deswegen auf Convenience-Ware zurückgreifen zu müssen.

Die freundliche, sehr entspannt agierende Dame, die uns bedient, annonciert mündlich ein Business-Lunch-Menü, das uns beiden sehr interessant klingt:

Drei Gänge, vorab ein gemischter Salat, im Hauptgang einen Wiener Zwiebelrostbraten mit Rosmarinkartoffeln und zum Abschluss Créme brulée. Wieviel das kosten würde? 14,50 €. Na, wer da Nein sagt ...?!?

Die eiskalten Radler aus Weltenburg (3,20 €) werden uns in Halbliter-Keferlohern mit dem modernen Buchner-Logo serviert.

Stilistisch schlagen sie eine Brücke zwischen niederbairischer Wirtshaustradition und der modernen Innenarchitektur und ihrem weltläufigen Anspruch.

Wir beobachten Franz und seine beiden Mitarbeiter wie sie unser Essen zubereiten. Ohne Hektik, konzentriert und mit Liebe zum Detail gehen die drei zu Werke.

Der Vorspeisensalat wird uns nebst eines Amuse bouche (zweierlei Weißbrot mit einer Ruccola-Frischkäse-Creme) serviert.

Einen hochwertigeren kleinen Salat mit einem interessanteren Dressing habe ich lange nicht serviert bekommen. Knackfrische bunte Blattsalate, in tatsächlich mundgerechte Stücke zerzupft; Paprika, Radieschen, Möhrenjulienne - schöne Säure, appetitlich Pink das Dressing das den Salat nicht zu viel und nicht zu wenig nappiert. So macht ein Salat als Eröffnung eines mittäglichen Menüs Spaß.

Der Hauptgang duftet unbeschreiblich. Die geschmorten, nicht frittierten Zwiebeln des Wiener Rostbratens und die blitzsaubere, kräftige nach Knochen, Fleisch, Wein und Wurzelgemüse schmeckende, ungebundene Sauce sind dafür verantwortlich.

Das gut eineinhalb Zentimeter dicke Rindfleisch ist butterzart, perfekt medium gegart und mit einem Sträußchen Kresse schlicht garniert. Hervorragend!

Die Rosmarinkartoffeln stehen dem nicht nach. Wundervoll aromatisch sind diese kleinen, halbierten Kartoffeln. Außen, dank der Schale, leisten sie im Biss leichten Widerstand, innen sind sie seidenweich und zergehen auf der Zunge. So simpel das klingen mag: Auch Rosmarinkartoffeln wollen erst einmal auf den Punkt gebracht sein.

Ingrid und Josef Achatz schneien ins Hotel, erkennen uns und schauen auf einen Plausch bei uns vorbei. Frau Achatz, die Ärmste, hat sich vor einigen Wochen einen offenen Schienbeinbruch zugezogen. Noch ist sie etwas wackelig auf den Beinen, aber eine gestandene Niederbayerin und Wirtin wie sie neigt nicht zum öffentlichen Jammern. Josef Achatz wirkt in Freizeitkluft viel lockerer als Abends, wenn er die Gäste drüben im Sternerestaurant in Fragen des Weins berät und sie bedient. Freundliche Menschen, alle beide. Ich mag sie leiden.

Fehlt noch die Créme brulée zum Abschluß. An sich bin ich kein ausgesprochener Fan dieses Desserts, drum - wie sagt man Neudeutsch? - flasht mich die Buchner'sche Interpretation des Klassikers so außerordentlich.

Die warme Karamellkruste ist tatsächlich hauchdünn, so wie sie sein muss, aber leider zu selten so ist. Die Creme selbst: sagenhaft aromatisch. Kurzum: Eine bessere Créme brulée habe ich bislang nirgendwo gegessen. Bravo an Franz und sein Team, Bravo Andreas Achatz, der ein gutes Auge und Händchen bei der Auswahl seiner Brigade bewiesen hat.

Zum Abschluss gönnen wir uns noch einen ausgezeichneten Espresso (2,20€) und haben zu zweit für weniger als 40 Euro ohne Trinkgeld ausgezeichnet und durchaus üppig zu Mittag gegessen. Klar, wer erwartet, dass im Buchners Niederwinkling jedes Kresseblättchen mit der Pinzette gen Mekka ausgerichtet auf dem Teller liegt, der kehrt abends lieber in Welchenberg ein.Wert auf gediegenes Geschirr und hervorragendes Besteck wird aber auch hier gelegt.

Es passt hier stilistisch eins zum anderen und es wird mit Markenlogo-Fetischismus nicht ansatzweise so penetrant überzogen wie bei Wenisch im nahen Straubing, wo gefühlt bald jedes Salzkorn im Streuer und Blatt der Klopapierrolle das Logo des Hauses eingraviert bekommt ...

Diesen Grad an gediegener Stimmigkeit, den ich bei Buchners erlebt habe, erlebe ich im Regensburger Raum in Lokalen vergleichbaren Anspruchs leider zu selten. Insofern rege ich die mitlesende Gastronomenschaft an, gelegentlich einen Ausflug nach Niederwinkling zu unternehmen.

In Welchenberg Fine Dining auf Sterneniveau, in Niederwinkling gehobene, hervorragend gekochte gut-bürgerliche Küche mit internationalem Touch. Mir hat das Mittagessen Lust auf mehr gemacht. Vielleicht mal abends Pasta aus dem Parmesanlaib ...? Oder lieber doch drüben bei Mathias Achatz erneut Wonneschauer riskieren? Man hat's nicht leicht, wenn man verfressen ist ...

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