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Freitag, 15. April 2016

Im Gutsausschank des Weinguts Altenkirch in Lorch am Rhein

Im beinahe nordwestlichsten Zipfel des Rheingaus, ein paar Kilometerchen südlich nur der Loreley, liegt zwischen die Ufer des Rheins und steile Weinberge geklemmt das Städtchen Lorch. Weit überwiegend wird, wie überall im Rheingau, Riesling angebaut.

Doch inzwischen auch vermehrt Spätburgunder - nicht nur im benachbarten Assmannshausen, das für seine Roten weltberühmt ist. Wir haben in einer der wunderschönen 4-Sterne- Ferienwohnungen des in Lorch beheimateten Weingutes Altenkirch eingecheckt, uns dessen bewußt, dass es dort nicht nur Wein gibt, sondern auch einen Gutsausschank.

Das ist nicht unwichtig, denn so muss sich nicht einer von beiden beim Verkosten des edlen Rheingauer Rebensaftes zurückhalten: Man krabbelt nötigenfalls die enge Wendeltreppe aus rotem Sandstein ins Appartement hinauf, nachdem die Zeche beglichen ist. Verlaufen unmöglich ...

Ein "Gutsausschank" also, so lautet die Bezeichnung. Dass uns allerdings eine derart ausgezeichnete Küche in wunderschönem Ambiente erwarten würde, das war so nicht zwingend zu erwarten ...
von Robert Bock

Karfreitag, unser zweiter Tag im Rheingau. Start in die Saison: Nach längerer Winterpause öffnet heute der Gutsausschank wieder seine Türen für hungrige Geniesser. Bereits gestern, bei unserer Ankunft, war die Küchenbrigade - junge Leute mit diesen koch-obligaten Kinnbärtchen - bereits am werkeln. Ein herrlicher Duft nach klassisch angesetzten Fonds und Saucen liegt in der Luft: Wurzelgemüse, Knochen, Tomatenmark und reichlich roter Wein. Ratsam zu reservieren, empfahl uns Frau Göttert, die sich um die Ferienwohnungen kümmert und dies in einer Art und Weise tut, wie wir es noch nie erlebt haben. Unser Tipp: Wollt ihr ein paar Tage in die Gegend fahren, mietet euch bei Altenkirch in eine ihrer vier Ferienwohnungen ein. So eine schöne, gut ausgestattete und liebe- wie geschmackvoll eingerichtete Ferienwohnung haben wir bislang nirgends erlebt. Würde der Zug nicht durchs enge Rheintal fahren, an dessen Geräusche man sich aber schnell gewöhnt, wäre es perfekt gewesen - aber, ihr wisst ja: irgendwas ist immer und gegen die Bahn kannst dort nichts machen. Nur gute Fenster - und solche waren verbaut.

Die Gasträume des Gutsausschanks waren in früheren Epochen wohl Wirtschaftsräume des Weinguts. Sie wurden liebevoll restauriert und umgebaut und mit einer geschmackvollen Mischung aus Antiquitäten und moderner Kunst gestaltet.  Das Beleuchtungskonzept zaubert wohlig warmes Ambiente. Keine Hintergrundmusik - hier bilden sanftes Gläserklirren und Gespräche die akustische Untermalung. Wir fühlen uns sofort wohl. Dies ist kein normaler Gutsausschank, wie es sie in der Region zuhauf gibt, das merkt man sofort.


Die Karte folgt einer Logik, wie sie für einen Gutsausschank folgerichtig scheint: Erst die Weine, dann die übersichliche Auswahl an Speisen, die allesamt mit den Weinen des Hauses harmonieren. Bier gibts auch. So steht es auch auf der Karte: "Bier" steht da. Eine Position, schlicht und einfach. Punkt. Wer ausgerechnet im Rheingau, der Heimat der besten Rieslinge der Welt, Bier bestellt, trägt auf Mallorca sommers Pelzmützen. Mehr gibts dazu nicht zu sagen.

Die Speisen sind der Jahreszeit angepasst, es dominieren regional-orientierte Gerichte und die Zutaten liefern beinahe ausschließlich lokale Lebensmittelerzeuger und -lieferanten. Den ortsansässigen Metzger Perabo kennen wir bereits - ausgezeichnete Leber- und Blutwurst und ein wundervoller Presskopf (eine Art weißer Pressack) - ebenso den Lorcher Bäcker Laquai. Bei beiden haben wir am Vortag noch ein wenig eingekauft und waren von den ersten Probierhäppchen begeistert.

Es bestätigt sich einmal mehr unsere These: In Regensburg ist kein Metzger in der Lage a) einen Metzger in Franken outzuperformen und b) auch im Rheingau dürfte es für unsere uninspirierten und würzfaulen Fleisch- und Wursthandwerker schwierig sein, jedoch ist hier unsere Stichprobe mit einem Betrieb zu klein, um darauf ein tragfähiges Urteil zu gründen. Der beste Metzger Regensburgs kommt übrigens unseres Erachtens aus Kallmünz, heißt Johann Mayer vom gleichnamigen Mayerhof in Schirndorf 13, und verkauft seine durch die Bank hervorragenden Produkte - die einzige grobe Bratwurst, die ich als solche hier gelten lasse beispielsweise - zum Beispiel Donnerstags auf dem Bauernmarkt beim Landratsamt und am Samstag auf dem Neupfarrplatz.

Madame bestellt einen Riesling vom Grauschiefer - einen nach hauseigener Kategorisierung der Weine "Terroirwein" (0,2L 4,50 EUR) -, ich einen trockenen Gutsriesling - die "Einstiegskategorie" des Weinguts Altenkirch (3,50 EUR). Rheingauriesling wie er sein muss: trocken, knackige Säure, harmonisches Spiel mit der Frucht. Selbst dieser Einstiegswein dieses Gutes (0,75L zu 6,90 EUR ab Hof) stellt alles in den Schatten, was für den doppelten Preis in unseren heimischen Weinhandlungen zu haben ist.

Ich entscheide mich für Schweinebäckchen mit Erbsenpüree und Wurzelgemüse (14,50 EUR) und bin sehr, sehr angetan von der Ausführung: Die Bäckchen sind butterzart und sehr aromatisch, das Erbspüree buttrig, leicht stückig und hat einen Hauch Minze gesehen. Warum findet man das in unseren Breiten so selten auf einer Karte? Das Wurzelgemüse ist grob streifig geschnitten, offenbar dampfgegart und anschließend in Butter geschwenkt. Es gibt nur ein Lokal, in dem ich bisher speisen durfte, das Petersilienwurzel, Pastinaken, Karotten, Sellerie und Co. noch einen Hauch aromatischer aufs Gleis gesetzt hat, als die Altenkirchs in Lorch: Das Apollonia in Sirminan/Südtirol. Die Sauce ist kraftig und verdient Applaus. Kein Wunder, dass es tags zuvor bereits so gut gerochen hat.

Madame mags heute deftig: Frikadellen ("Fleischpflanzerl") mit Kartoffelstampf und Wirsing-Speck-Gemüse (12,00 EUR). So derb das klingt, so fein die Ausführung: Die Fleischpflanzerl sind von herausragend zarter, luftiger Qualität, ohne dass merklich mit Brot gestreckt wurde.

In uneren heimischen Breiten kennen wir nur einen, der Pflanzerl in dieser Güte zustande bringt: Tom Rosenberger. Seine Lammpflanzerl sind unserer Meinung nach die Referenz in Geschmack und Ausführung auf heimischen Terrain. Hier kein Lamm, hier Schwein - deshalb ein nicht ganz statthafter Vergleich.

Das Wirsing-Speckgemüse schwimmt in einer cremig-sahnigen Sauce, der Eigengeschmack der Zutaten dominiert. Der Kartoffelstampf ist tatsächlich ein Stampf, die verwendeten Kartoffeln sehr aromatisch. Die braune Sauce, die sich mit der Sahnesauce des Wirsings optisch reizvoll verwindet, ist ebenso ausgezeichnet wie meine Sauce zu den Schweinebäckchen. Madame ist sehr zufrieden.

Ich beschließe den Abend mit einer kleinen Käseauswahl (6,00 EUR) und einem Glas Spätburgunder vom Rotschiefer (Terroirwein). Dessen Preis lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren, da der Service vergaß, ihn auf die Rechnung zu setzen. Uns ist das erst daheim in Regensburg aufgefallen. Wir danken an dieser Stelle den edlen Spendern und wünschen reichlich Kompensation für den Lapsus durch neue Gäste, die aufgrund unserer Rezension die Stube bevölkern mögen.

Die Auswahl der Käsesorten, garniert mit roten Trauben, Walnüssen und angerösteten Pinienkernen gefällt mir. An diesem Dessert, das es für 3 EUR mehr auch in einer großen Variante gegeben hätte, gibt es Nullkommagarnichts auszusetzen.

Der Spätburgunder, der ab Hof pro 0,75L-Flasche 12,50 EUR kostet, war aufgrund seiner vollmundigen Frucht keine schlechte  Wahl, wenngleich ein restsüßer Riesling womöglich noch besser gepasst hätte. Es ist nicht leicht den richtigen Wein zum Käse zu finden, zumal, wenn verschiedenste Käsesorten auf einer Platte gemischt sind. Weißwein ist im Regelfall die bessere Wahl, als Rotwein. Insbesondere, wenn Blauschimmelkäse gereicht wird. Was viele nicht davon abhält, ans Gegenteil zu glauben. Selbst schuld ...

Madame ordert die Schokoladenmouse mit Orangensalat für 5,50 EUR. Ein Traum von einer Mousse. Eine bessere habe sie selten gegessen, sagt sie. Mehr sagt sie kaum und genießt andächtig. Ich darf wenigstens probieren und finde Mousse wie Orangensalat in meisterlicher Form gelungen.

Ihr dazu bestellter Riesling Kapellenberg Spätlese (4,50 EUR; ab Hof 0,75L zu 9,00 EUR), konnte sich nicht adäquat durchsetzen. Eine Auslese oder Beerenauslese wäre vermutlich als Begleitung dieses Desserts besser gewesen, war aber im offenen Ausschank leider nicht auf der Karte.

Uns ging es richtig gut nach diesem ausgezeichneten Abendessen. Großes Lob an die Küche und an den Kellermeister, der es versteht ausgezeichnete Weine auszubauen. Nicht nur in den Spitzenkategorien, auch bereits im Einstiegsbereich des Sortiments. Das ist nicht selbstverständlich. Der Service war freundlich, schnell und stets präsent. Großes Lob an die jungen Damen und Herren, die sich so zuvorkommend um uns gekümmert haben.

Madame und ich fragen uns: Wo würden wir den Gutsausschank in unser heimisches gastronomisches Spektrum einordnen? Hinter Anton Schmaus' Storstad und Helmut Schwöglers Restaurant in Bad Abbach, würde Altenkirch einen glasklaren dritten Rang einheimsen, so gut hat es uns dort nicht nur geschmeckt, sondern so wohl haben wir uns dank Ambiente und Service dort gefühlt. Wir sollten auf unserer (W)einkaufstour durch den Rheingau nirgendwo besser speisen als hier. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist hervorragend: Mehr Genuss pro Euro wird man in Deutschland selten erleben.

Kompliment also für die runde Leistung und eine glasklare Empfehlung an alle Leserinnen und Leser, die diese Ecke Deutschlands einmal ansteuern wollen.

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