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Sonntag, 25. September 2016

Im Landshuter Backhendl-Himmel, dem Wintergarten

Ich bin ein großer Backhendlfan.

Das wissen meine treuen Leserinnen und Leser mittlerweile. Findet sich eines auf der Karte eines Lokals, das ich noch nicht kenne oder hab ich es dort noch nicht probiert, dann bestell ich es.

Ich kann in Ostbayern selbstverständlich nicht alle Backhendl kennen, aber meine  persönliche Referenz im Regensburger Raum ist die Variante von Josef Kögl in den Winzerer Weinstuben in Winzer.

Ohne dem guten Josef auf die Füße treten zu wollen: Das meiner Meinung nach beste Backhendl Ostbayerns, serviert das "Neo-Bairische Biergarten-Lokal" (O-Ton Speisekarte: "Frisch-Bairisch-Modern") Wintergarten in Landshut am Dreifaltigkeitsplatz 8, unweit der Martinskirche und der Grieser Wiese, dem Großparkplatz, auf dem man in Landshut im August die Bartlmä-Dult abhält. Die fand zum Zeitpunkt des Besuches, über den zu berichten sein wird, gerade zum 677. Mal statt ...

Es ist ein herrlich sonniger Sonntag im späten August und Biergartenwetter. Vor zwei Jahren hatte ich hier bereits das Vergnügen mit dem "Wiener Backhendl nach Art des Hauses (ausgelöst) von Schenkel und Brust mit Kartoffel-Vogerl-Salat, Sauce Tartare" - wird die Küche den damals denkwürdigen Genuss wiederholen können?
von Robert Bock

Man sitzt schattig unter uraltem Baumbestand - aber die jenseits der Mauer verlaufende B15 schräg gegenüber der Grieser Wiese sorgt nicht für himmlische Ruhe.

Es ist schön eingedeckt draußen im gepflegten Garten mit seinen 120 Plätzen. Drinnen besticht der Laden mit modernem zeitgeistigen bairischen Schick, an dem sich hiesige Gastronomen gerne versuchen aber m.E. öfter scheitern als reüssieren.

Die herausragend disponierte junge Dame vom Service in adrettem Karohemd und einer Frisur, wie man sie in LA, aber nicht Landshut erwarten würde, bringt zügigst die Karte, die meine charmante Begleiterin und mich lediglich der Getränke wegen interessiert, denn wir sind des Backhendls hier. Das stand vorab bereits fest.

Arcobräu liefert hier das Bier. Für die Dame ein Weizen vom Fass, für mich ein Zwickl-Bier. Wunderbar aromatische Biere sind das und mein Zwickl in einem sehr eleganten satinierten Glaskrug. Mehr gibts dazu nicht zu sagen.

Das Backhendl dauert ein wenig. Gut Ding will Weile haben. Hier wird erstklassig gekocht und aufs freundlichste bedient - wir sehen es an den Speisen, die an die Nachbartische geschickt werden. Jedes (jedes!) bairische Wirtshaus in Regensburg kann sich hier eine dicke Scheibe abschneiden, alleine was Optik, Duft und Portionsgröße der Speisen auf dem Teller angeht: Herausragend appetitanregend! So muss das sein - aber warum ist das nicht so bei uns? Weshalb muss man die ekelhafte Hammelstrecke über die B15 nach Landshut über sich ergehen lassen, um so und nicht anders bairisch essen zu können? Es ist im Schnitt ein Trauerspiel ... An alle einschlägigen Wirtinnen und Wirte aus dem Raum Regensburg, die sich nicht der Illusion ihrer selbstempfundenen Großartigkeit: Packt eure Küchenchefs in den Fonds eurer Limousinen und begebt euch zu Marktforschungszwecken nach Landshut. Hier kann man eine Menge lernen! Vor allem die Köchinnen und Köche aus den nicht mehr ganz so neuen fünf Bundesländern, die meiner Erfahrung selten eine glückliche Hand beweisen, wenns um bairische Küche geht. Es fehlt leider nach wie vor grundlegend an Gastronomiekultur im ehemals sozialistischen Osten. Die oft fehlende Sozialisierung mit gehobener Küche merkt man als Gast leider an allen Ecken und Enden. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel ...

Dann kommt es, unser Backhendl ... Bilder sagen mehr als tausend Worte. Eine opulente Portion steht vor uns und das Wasser läuft uns im Mund zusammen, denn es duftet bereits nach feiner Butter, noch bevor die Teller auf dem Tisch stehen.

Der Küchenchef und Inhaber des Wintergartens Johannes Neoral hat das Handwerk der bairisch-östereichischen Küche in Wien und Salzburg (Kuglhof) gelernt, verrät uns unsere Bedienung später beim Zahlen.

Butterschmalz - nicht irgendein billiges Pflanzenöl - in der Pfanne, ordentlich gerüttelt und am Ende ein Stück frischer Butter rein für den unnachahmlichen Duft. So und unter keinen Umständen anders, schöpft man ein Referenz-Backhendl! Und das für absolut faire 13,20 EUR.

Die Panade kann besser nicht gelingen und wird bis zum letzten Bissen knusprig bleiben. Herrliche Wellen hat sie in der Pfanne (nicht Friteuse!) geschlagen, dunkle Einsprengsel deuten auf die Verwendung von Laugenbackwerk (Brezen?) hin. Gewohnt, dass man in Regensburger Biergärten oft lauwarme Speisen serviert bekommt, weil sie zu lange am Pass stehen, verbrennen wir uns beide beinahe den Schnabel. So heiß und rösch ist dieses Backhendl, als wäre es aus der Pfanne an den Tisch geflogen! Ein wenig müssen wir also warten. Derweil den Kartoffel-Vogerl-Salat probieren? Beides ist nicht gemischt, was der Optik und Knackigkeit des Feldsalates förderlich ist.

Der Kartoffelsalat ist ein typischer niederbairischer Vertreter seiner Art: Schlotzig, cremig, hervorragende aromatische Kartoffeln bilden die Grundlage und es ist in diesem Fall überflüssig zu erwähnen, dass dieser Salat hausgemacht ist und kein einziger Verdachtsmoment auf maskierte Eimerware hindeutet. Besser kann man einen Kartoffelsalat niederbairischer Art nicht machen. Der Vogerlsalat ist knackfrisch, nicht zu säurelastig angemacht - und penibel geputzt. Auch das kenn ich aus Regensburger Lokalen nicht zwingend so - da hat es schon zwichen den Mahlzähnen geknistert und geknastert, dass mein Zahnarzt schon den neuen Porsche-Katalog rascheln zu hören meinte.

Die Sauce Tartare ist keine klassische Komponente eines Wiener Backhendls, aber hier wird ja auch ausdrücklich "nach Art des Hauses" ausgelobt. Diese Sauce schmeckt eindeutig selbstgemacht. Ausgezeichnet und stimmig passt sie zum mittlerweile ausreichend heruntergekühlten Backhendl. Ich hätte die Majonnaise allerdings mit Spyridoulas Olivenöl angemacht, das mittlerweile die ostbairischen Sterneküchen erobert hat - eine bessere Majonnaise und damit Sauce Tartare hätte die Welt vermutlich noch nicht gesehen.

Das Hähnchenfleisch ist ein Traum, saftig und auf den Punkt gebraten. Es ist tatsächlich wie versprochen ausgelöst - keine furztrockenen Convenience-Chunks - und ungeheuer geschmackvoll. Keine billige Fleischqualität, das kann man schmecken, nur vom Besten und von regionalen Lieferanten! Top!

Langer Rede kurzer Sinn: Wer Backhendl liebt und nach Landshut kommt, dem können wir eine uneingeschränkte Empfehlung für den Wintergarten aussprechen. Ich gehe sogar so weit zu empfehlen extra wegen dieses Backhendls nach Landshut zu fahren, jawohl!

Auch die anderen Speisen, die an Nase und Auge vorbeizogen, weckten die Lust auf einen Wiederholungsbesuch. Ob ich es allerdings tatsächlich übers Herz bringen würde, auf dieses göttliche Backhendl zu verzichten und statt dessen von der aktuellen Sommerkarte beispielsweise Kalbszüngerlsalat mit steierischem Kernöl und Salatbouquet, Gebratenes Filet von der Lachsforelle auf rote Rüben, mit Rehlingssauce und Kräuterkartoffeln, Marinierte Ochsenfetzen ( aus dem Schlegel geschnitten, 4 Wochen gereift) oder Dry Aged Kotelett vom Weideochsen mit hausgemachter Gewürzkräuterbutter und Salat zu bestellen?

Schau mer mal ... 

Normalerweise ist ja immer irgendetwas - meine treuen Leserinnen und Leser wissen es. Gut, für die Nähe der B15 und Idioten auf knatternden Mopeds und penisverlängernder Motorradmotorisierung kann das Lokal nichts und ich klammere dieses Manko deswegen aus. Hier gibt es, gemessen an der Erwartung, die geweckt wird, ansonsten nichts zu bemängeln. Küche auf höchstem Niveau, Service hervorragend - auch die Toiletten sind modern, piccobello und eine lupenreine Visitenkarte dieses Lokals.

Besser bairisch habe ich in ganz Ostbayern bislang nicht zweimal im Zeitabstand von zwei Jahren gegessen. Bleibt zu wünschen, der Wintergarten in Landshut möge dieses Niveau langfristig halten.

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