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Freitag, 10. August 2018

Zu Besuch bei Emma in Viechtach

Es ist Mitte des Vormittages, als ich vor dem Emma anlange.

Riesige Schirme, farblich auf die Fassade abgestimmt, werfen großzügig Schatten auf die einladend gestaltete Terrasse vor dem Lokal. An zwei, drei Tischen wird opulent gefrühstückt. Von außen her macht Emma schon mal etwas her ...

Von Neukirchen beim Heiligen Blut  nach Regensburg entscheidet man sich gewöhnlich für die kürzeste Route, aber habe ich es nicht eilig, wähle ich gern landschaftlich reizvollere Nebenstrecken. Diesmal, am Sonntagvormittag nach Lucki Maurers Kulinarikfestival 2018, über das 8000-Einwohner-Städtchen Viechtach.
von Robert Bock


Ein gezielter Abstecher, aber nicht weil Anton Schmaus' Familie hier 13 Generationen lang das Hotel Schmaus am Stadtplatz 5 geführt hat. Mittlerweile firmiert eine Karat Tour GmbH unter Führung zweier Menschen mit russisch-osteuropäischem Namen als Inhaberin des Hotels und der kleine Anton, der den leicht abschüssig angelegten Viechtacher Stadtplatz wohl zigtausendmal querte, ist längst in die große weite Welt der Spitzengastronomie aufgebrochen, um eine erstaunliche Karriere hinzulegen ...

Am diagonal anderen Ende des sehenswerten Stadtplatzes, Hausnummer 13, hat im Frühjahr ein Spross einer anderen tradtitionsreichen Gastronomenfamilie gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Susanne Vetterlein ein Lokal aufgemacht, dem mein heutiger Abstecher gilt: Andreas Achatz.

Andreas Achatz
Der Restaurantfachmann, Koch und Sommelier führt das Buchners in Niederwinkling, ein topmodernes Hotel mit ausgezeichneter Küche, drunten an der Donau, wo es nicht so hügelig ist wie hier im Bayerischen Wald. Berufliche Erfahrung hat er in ersten Häusern, unter anderem beim legendären Heinz Winkler und bei 3-Sterne-Koch Christian Bau gesammelt.

Sein älterer Bruder Mathias Achatz hat sich im Stammhaus der Familie, im Restaurant Buchner in Welchenberg einen Michelin-Stern erkocht. Ich persönlich halte Mathias' Küchenleistung eines zweiten würdig.

Beider junger Männer Eltern, Ingrid (geb. Buchner) und Josef Achatz, haben als Gastronomen aus Fleisch und Blut in jungen Jahren das  bairische Wirtshaus neu definiert und wurden für diese Kulturleistung mit zahlreichen Preisen geehrt.

Jetzt also eröffnet der Achatz-Junior mit seiner Liebsten das Emma in Viechtach. Oder ist es umgekehrt: Die Liebste mit dem Junior ...? Susanne Vetterlein hat das Restaurantfach von der Pike auf gelernt und die junge Frau vermittelt den Eindruck, genau zu wissen, was sie will. Anders wäre die Doppelbelastung Buchners Niederwinkling und Emma für Andreas Achatz vermutlich auch schwer zu bewältigen.

Es ist Markt auf dem Stadtplatz in Viechtach. Kunst- und Lebensmittelhandwerker bieten ihre Ware feil, ein paar Textilhändler Kollektionen billiger Tigerprint-Klamotten für die Dame merkwürdigen Stils und Geschmacks. Es wäre ein spannendes Thema zu erörtern, was Frauen dazu motiviert, sich außerhalb des Faschings als Raubkatzen zu verkleiden.  Es würde den thematischen Rahmen dieses Blogs doch arg weiten und trüge mir wieder reichlich Schelte ein ...


Ich habe mich nicht angemeldet und bleiben will ich allenfalls auf einen Eiscafe. Den, ausgerechnet, gibt es aber leider nicht, wird sich herausstellen, dafür aber einen Frappé. Hauptsache eiskalt und Hauptsache Koffein ist mein Motto nach forderndem Vortag beim Kulinarikfestival und einer viel zu kurzen Nacht.

Man kennt und erkennt mich beim Betreten des Lokals. Andreas sitzt gerade an der Bar und erledigt Bürokram, Susanne organisiert ihr freundliches Serviceteam und versorgt die Gäste.
Beide freuen sich über den unerwarteten Besuch, Andreas führt mich durch die Räumlichkeiten, erzählt aus der nicht immer geradeaus laufenden gastronomischen Geschichte des Hauses mit der Nummer 13.

Susanne und Andreas haben ordentlich Geld in die Hand genommen, um das Emma zu einem Schmuckkästchen moderner Gastlichkeit zu machen.

Geschmackvoll ist die Innenarchitektur unter Beachtung des Denkmalschutzes gelungen, im Obergeschoss läßt sich's gut Sitzen und speisen, unten dominiert der Café-Bar-Lounge-Charakter.




Wer aus der Gastronomie-Dynastie Buchner/Achatz stammt, wird seinen Gästen keine Speisekarte unter die Nase halten, die zu müdem Gähnen reizt: Hier läuft mir bereits beim Lesen das Wasser im Mund zusammen. In einem - Verzeihung! - Nest wie Viechtach würde das keiner erwarten.

Kein Gericht liegt über 10 Euro und das obwohl nur hervorragende Zutaten verwendet werden. Man pflegt das Tappas-Prinzip: Kleine Portionen, damit der Gast - oder die ganze Tischrunden - sich nach gusto gemeinsam Vielfalt gönnen kann. "Zusammen Essen" lautet das Motto des Emma und das Prinzip zieht sich stringent durch die Karte. Mittags bietet die Küche außerdem - einmal Veggie, einmal dem Menschen artgerechtes Essen - zwei täglich wechselnde Mittagsgerichte an.

Hätte ich nicht erst vor einer Stunde gefrühstückt, ich würde mich gerne hier niederlassen. Einen kalten Tafelspitz süß-sauer mit Frühlingslauch und Champignons (5,40 €) oder die Hirschcurrywurst EMMA (4,90€) würde ich mir einverleiben. Hinterher die Crème Brûlée mit sahnigem Himbeereis oder doch lieber die Schokomousse mit Beerenragout? Jeweils 3,90€.

Ich werde das Speisen hier irgendwann nachholen, habe ich beschlossen, denn hier gefällt es mir und hier weiß ich, dass nicht irgendwelche Dilettanten einen auf dicke Hose machen, sondern, dass hier Vollblutprofis mit klarer Philosophie und Leidenschaft am Werk sind.

Freilich stelle ich keiner Küche, deren Kunst ich nicht persönlich erschmeckt habe, einen Persilschein aus. Auch wenn ein Achatz dafür mitverantwortlich zeichnet. Immerhin kann es sein, dass die hohe Erwartung, die das Gesamt weckt, nicht erfüllt wird, so unwahrscheinlich das in diesem Fall auch sein mag ...

Wie angesichts der Expertise von Andreas Achatz nicht verwunderlich, ist die Weinkarte des Emma in Zusammenstellung und Preisniveau sensationell. Hier wäre man dumm, würde man zu zweit oder zu dritt nicht eine Flasche zum Essen bestellen. Ich kann mir schwer vorstellen, in Viechtach und Umgebung auch nur annähernd Vergleichbares zu finden.

Man ist an keine Brauerei gebunden - so zieren Biere von Neumarkt über Bodenwöhr und Mallersdorf bis hinunter zum Tegernsee die Getränkekarte. Craftbeer (Rhaner) fehlt natürlich nicht. Auch die Auswahl an hochwertigen Spirituosen und Cocktails, obgleich ich kein besonderer Freund und Kenner solcher Getränke bin, macht mich staunen.

Ich verlasse Viechtach, von eiskaltem Frappe erfrischt, mit einem guten Gefühl. Wer in die Gegend kommt, sollte sich ein eigenes Bild machen. Es dürfte jeden Abstecher zur Einkehr wert sein.

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