Zum dritten Mal stehe ich mittlerweile bei einem Großevent auf der "anderen Seite" und darf mich Seit' an Seit' mit Spitzenköchen beweisen.
Giovanni Fungi, wie ihn sein Freund Lucki Maurer auch nennt, ist heute ebenfalls in Neukirchen beim Heiligen Blut beim Kulinarikfestival 2018. Diesmal als schlendernder Gast, nicht wie sonst an Töpfen und Pfannen. Wenn man so will, haben wir die Rollen getauscht ...
von Robert Bock
Johann Pilz fühlt sich sichtlich unbehaglich in dieser ihm ungewohnten Rolle, kämpft gegen die Stimme des Gewissens an, die ihm einflüstert, er könne doch nicht Kollegen, mit denen er ungezählte Schlachten geschlagen hat, im Schweiße ihres Angesichtes schuften lassen, während er sich schnabulierend treiben lasse?! So ist er, der Johann - und genau deswegen reissen sich die Stars der Szene um seine Dienste, wenn volle Pulle angesagt ist.
Gott sei Dank hat der Johann heute seine Freundin dabei. Die erdet ihn. Andernfalls würde er sich wahrscheinlich schon nach 20 Minuten bei Eric Söllner eine Kochjacke geborgt und übergestreift haben ... Und so entdeckt der gute Johann peu à peu die jedem Koch nützliche Seite des Gastseins: An fremden Töpfen umarmt dich die Inspiration.
Spyridoula Kagiaoglou & Eric Söllner |
Eric Söllner war 2017 ebenfalls beim Kulinarikfestival zugegen. Mittlerweile ist der talentierte junge Koch der Küchenchef im 4-Sterne-Hotel Waldschlössl, dem Stammsitz der Familie von Festivalveranstalter Lucki Maurer. So schnell ein Jahr vergeht, es kann sich so viel ändern ...
Sein Herr Papa, die Musikerlegende Hans Söllner - selbst gelernter Koch - ist auch wieder unter den Gästen. Wir unterhalten uns über die "gute alte Zeit" am Bauzaun der WAA in Wackersdorf. Eine schöne Zeit sei das gewesen, sagt Hans Söllner lachend - ich erinnere mich weniger schöner blauer Flecken, die ich mir seinerzeit im Gerangel mit der Staatsmacht und im ungleichen Kampf gegen Wasserwerfer eingehandelt hatte ...
Eine Ikone war er damals für mich, dieser Hans Söllner, ein Leuchtfeuer unerschrockener Zivilcourage, einer der sich von nichts und niemandem verbiegen ließ. Ohne einen wie Hans Söllner und andere Protagonisten des damaligen Widerstandes gegen die Atomwirtschaft, wäre Regensburg und die Oberpfalz nicht die lebenswerte Boom-Region, die wir kennen und lieben. Ja, auch einem Enfant terrible wie ihm haben wir das zu verdanken, nicht einem Strauß, Tandler, Streibl, noch einem Stoiber oder Seehofer und wie die christsozialen Amigos allesamt hießen und heißen, die unser aller Heimat behandeln als wäre sie ihr Eigentum.
Ich helfe heute wieder aus. Spyridoula Kagiaoglou, die Olivenölqueen aus Tegernheim, und ich sind nach dem Kulinarikfestival 2017 und dem Würzburger Aromia-Festival im März 2018 mittlerweile ein eingespieltes Festival-Team. So habe ich mich auch dieses Jahr wieder breitschlagen lassen, ihr an ihrer Station zur Hand zu gehen.
Heiko Antoniewicz / Spyridoula Kagiaoglou / Christoph Brand |
Neben uns beziehen alte Bekannte Station: Heiko Antoniewicz und Adrian Hurnungee, daneben Sternekoch Alexander Huber (Huber-Wirt, Pleiskirchen - seit 1612 in 11. Generation. 46 Jahre vor dem Röhrl in Eilsbrunn eröffnet), eins weiter der Nördlinger Sternekoch Jockl Kaiser. Sternekoch Benedikt Faust (Kuno 1408, Würzburg), schräg gegenüber, widerlegt einmal mehr Karl Lagerfeld, wonach jemand der Jogginghosen trage die Kontrolle über sein Leben verloren habe.
Mathias Achatz, der Sternekoch aus Welchenberg musste kurzfristig leider passen, aber die Sterneköche Mario Corti, Bastian Falkenroth, Michael Reis und Thomas Gerber kaschieren die Lücke, die Achatz' Absage hinterlässt. Schade, ich bin ein großer Fan der Kunst des Niederbayern. 2017 war sein Lachstatar mein persönliches Festivalhighlight.
Griechischer Obazda | Die Rosa Prinzessin | Der Grüne Grieche |
Spyridoula und ich bieten heuer drei köstliche, kalte griechische Fingerfood-Schweinereien an: Pikante Cremes auf Basis von Tiri Feta, griechischem Joghurt und Spyridoula's 100% Weltklasse-Olivenöl mit dem Spritzbeutel in kleine Sauerteig-Croustades gefüllt und ausgarniert: Griechischer Obazda (Chtipiti nach dem Rezept ihrer Mama Sophia; säuerlich-scharf mit einem Hauch geräuchertem Paprika und Anis), Die Rosa Prinzessin (mit Roter Beete, Knoblauch, Dill, Spyridoula's 100% Greek Olive Oil & Limone - ausgarniert mit frischem Dill und einem Tropfen von Spyridoulas großartigem Kaffee-Olivenöl Spyridoula's 100% Coffee Arabica) und Der Grüne Grieche - eine Variante des griechischen Obazdn mit feinster süßer und scharfer grüner Paprika aus der Voivodina, Spinat, Kreuzkümmel und Schwarzem Sesam. Weit vor Ende des Tages sind 1200 Croustades befüllt, vom Publikum verspeist und ich schwöre, ich werde so bald keinen Spitzbeutel mehr in die Hand nehmen ...
Bei Temperaturen um 35 Grad im Schatten setzt die Hitze binnen weniger Minuten vor allem der Rosa Prinzessin zu, denn diese enthält keinen Schafskäse, nur Joghurt und Olivenöl als Basis. Als die Wetterprognose sich im Laufe der Woche auf Hochsommerwetter festgelegt hatte, war guter Rat gefragt: Wie die hitzeempfindlichen Cremes in Form halten?
Gut, dass die Griechin in der Spitzengastronomie der Region so hervorragend vernetzt ist. Helmut Schwögler (Restaurant Schwögler, Bad Abbach) schlug ihr Agar-Agar als Bindemittel vor, Anton Schmaus (Storstad, Regensburg) favorisierte Xanthan. Der Sternekoch gab seiner Lieferantin gar ein Packerl dieses Wundermittels mit auf den Weg, auf dass die Griechin ihre Rosa Prinzessin nicht unter Tränen zerlaufen sehe - am Ende entschied sie sich, nach einem Test beider Bindemittel am fraglichen Objekt zuhause, für Schwöglers Agar-Agar.
Trotzdem ist uns die kapriziöse Prinzessin zur Stunde Null eine Spur zu flüssig geraten, und das saubere Befüllen der Sauerteigbrotförmchen heikel. Ich habe mir extra eine Koch-Pinzette besorgt, um den frischen Dill, nach Art von Mathias Achatz unter Wahrung des Goldenen Schnitts und anderer Fibonacci-Relationen, gen Mekka auszurichten und just, als ich dies hochkonzentriert versuche, spricht mich ein Gast an.
Ob ich der Herr Bock sei, fragt mich ein junger Mann. Ich bejahe und er gibt sich als Leser meines Blogs zu erkennen. Aus Freising stamme er und verpasse keinen Artikel. Er wird nicht der einzige Gast bleiben, der die Gelegenheit nutzt, ein paar Worte mit dem Blogger, weniger mit der Küchenhilfe, die ich heute spiele, zu wechseln. Mich freut es, meine Leser persönlich kennenzulernen, ist doch das Kommunizieren übers Internet typischerweise sehr anonym.
Auf der Gala-Terrasse herrscht maximaler Andrang. Niemand will sich die Häppchen der Sterneköche entgehen lassen. Spyridoula und ich stehen unter Volldampf und wir würden leer ausgehen, wenn da nicht so freundliche Menschen wie Georg Scheck - ein passionierter Gourmet, Hobbykoch und Stammgast von Spyridoulas Kochkursen - und Johann Pilz wären, die uns ein ums andere Mal mit Tellern der Kollegen versorgen. Georg ist happy, mann kennt es seinem strahlenden Lächeln an. Erstens, weil seine charmante Frau heute mit dabei ist, und zweitens weil ihn das Angebot an Speisen begeistert.
Heiko Antoniewicz / Frank Oehler |
Lange vor der Öffnung der Pforten scharte sich die Prominenz um seine Station. Von fermentierten Limonen, geröstetem Gerstensalat, Umami-Salz und in Kaffee gebeiztem Black Cod war die Rede: Ohhhs und Ahhhs der Kollegen. Frank Oehler, Benedikt Faust, wer war nicht zugegen? - allerorten anerkennendes Nicken ...
Heiko Antoniewicz |
Die fermentierte Zitrone im salzigen Lemon Curd weckt fast vergessene Assoziationen in mir. Ein Kurzurlaub im Hochsommer, im Gemüsefach meines Kühlschranks ein Eisbergsalat, den ich vor Reiseantritt vergessen hatte. Wer je den Duft bräunlicher "Fermentationsbrühe" in seinem Kühlschrank erlebt hat, dieser histaminschwangeren Mischung aus organischem Abfall unterschiedlichster Fäulnisgrade, muss Antoniewicz' Gericht halb aufgegessen irgendwo abstellen.
Ein halbes Dutzend solcher halbvoller Teller stehen auf einem Mäuerchen unweit des Hoteleingangs. Darunter meiner. Ist es nicht erstaunlich, wie oft Eisbergsalat im Kühlschrank vergessen wird ...?
Ich mag es ja, wenn jemand neue Steckenpferde reitet und fühle mit unverstandenen Genies aus vollem Herzen mit - aber was das Thema Fermentieren betrifft, da scheiden sich die Geister.
Ich sehe mich keineswegs alleine mit meiner Irritation, wie die Plauderei mit Gästen im Laufe des Abends ergab. Sauerkraut und Kimtschi, schön und gut - aber es muss doch nicht alles milchsauer vergoren oder sonstwie mutwillig vergammelt verspeist werden, nur weil dies ohne Schaden zu leiden möglich ist. Nur um zu beweisen, dass es geht? Der gesundheitliche Mehrwert fermentierter Nahrungsmittel ist - entgegen wohlfeiler Legenden - wissenschaftlich nicht belegt, es handelt sich einfach um einen Weg der Haltbarmachung aus Zeiten, da es weder Kühlschränke noch globalisierten Warenaustausch gab. Kulinarisch ist diese Sau, die gerade mit Macht durchs Dorf getrieben wird, für mich ein Irrweg. Aber wen interessiert schon meine unmaßgebliche Meinung ...
Benedikt Fausts Beitrag |
Heiko Antoniewicz & Benedikt Faust |
Spyridoula Kagiaoglou & Jockl Kaiser |
Surbonbon auf pikantem Linsensalat mit Meerrettich-Espuma |
Das angeblich beste Fleisch der Welt - Österreicher neigen, wie auch Oliver Scheiblauer, gelegentlich zu übersteigerter Vollmundigkeit - überzeugt mich nur eingeschränkt.
Zwar ist die Kruste seines rückwärtsgegarten Schweinebauchs unsagbar knusprig, jedoch das Fleisch so übersteigert, ja hyperreal butterzart, dass sich der Zunge keinerlei Widerstand entgegenstellt. Zu wenig. Gut fürs Altenheim, aber nicht für Menschen mit Resten an Bisskraft. Der Godfather of Spanferklhaxn und ich waren diesbezüglich einer Meinung, weniger ist manchmal mehr, man kann's auch übertreiben.
Besser gefiel mir da schon das Morgan Ranch Beef Brisket "Smoked" mit Gurke, Frischkäse und Asche an der Station von Otto Gourmet.
Der Beitrag von Stefan Petrausch |
Aber kann ich das alles tatsächlich mit allen Sinnen genießen? Hektik, Gedränge an den Stationen, ich selbst nur kurz beim Jagen & Sammeln. Die Arbeit ruft!
Das Publikum ist vom Festival begeistert, so mein Eindruck, und bereut keinen Cent des Eintrittspreises.
Austern satt |
Es ist bereits nach Mitternacht, da Spyridoula und ich unsere Station abbauen. Zeit für ein, zwei, drei 0,25er Weißbier vom Rhaner Bräu. Soviel wie ich heute geschwitzt habe, kann ich in der kurzen Zeit gar nicht nachfüllen. Eine Handvoll junger Damen in bonbonfarbenen Dirndln lotet die Grenzen ihrer Alkoholtoleranz aus. Manche brauchen's einfach peinlich ... Die großteils ziemlich groggy in den Seilen hängenden Crews bauen mit Flaschen feiner Weine Adrenalin ab. Ich bin froh, als ich um 2 Uhr im Bett liege. So schnell schläfst du nach einem Tag wie diesem trotz tiefer Erschöpfung nicht ein.
Werde ich wieder dabei sein 2019? Tha doume, wie die Griechen sagen: Schau mer mal ... Die MeatNight 2018 am 1. September im mittelfränkische Sugenheim beim Fränkischen Bratwurstkönig Jens Hoferer liegt erstmal am nächsten ...
Wer an Eintrittskarten für Lucki Maurers Kulinarikfestival 2019 kommen will, muss sakrisch schnell sein. Binnen 13 Stunden war bei Verkaufsstart im November 2017 das 2018er-Festival ausverkauft. Ich rechne mit einem neuen Rekord für 2019.
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