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Samstag, 22. Januar 2022

Durchs leckre Kurdistan: In der Lokanta in Regensburg

Freitagnachmittag kurz nach vier. Der Winter zieht alle Register. Ein eisiger Wind weht aus undefinierbaren Richtungen durch die Gassen der westlichen Regensburger Altstadt und peitscht uns den Schnee ins Gesicht. Ich habe keine Handschuhe an und die Schlaufen der Einkaufstaschen schneiden in meine eiskalten Hände. 

Meine Begleiterin und ich wollen in ein Lokal, das mit Fug und Recht die Bezeichnung "Regensburger Institution" verdient: Die "Schwedenkugel", seit bald 30 Jahren familien- und heute von Cengiz und Nihat Kaplan geführt, auch bekannt als das oder die "Lokanta"

Türkisch-kurdische Küche serviert man hier. Ich bin seit Mitte der 1990er Jahren bereits häufiger hier eingekehrt, jedoch liegt mein letzter Besuch wenigstens ein Jahrzehnt zurück. Zu einem "Griechen" wären wir zwar lieber gegangen, aber die griechische Gastronomie im Raum Regensburg ähnelt  nach wie vor kulinarischen Touristenfallen und hat so gut wie nichts mit authentischer griechischer Küche zu tun. Deshalb heute lieber kurdische Küche ... 

von Robert Bock ...

Die kulinarische Seite Kurdistans ähnelt der traditionellen Küche der Griechen Kleinasiens, die im Zuge der "Kleinasiatischen Katastrophe" vor rund 100 Jahren in weit überwiegender Mehrheit - sofern sie ihre Haut retten konnten - ihre Heimat zwangsweise an die neue Türkei Mustafa Kemals verloren, in vielerlei Hinsicht ohne ihre spezifische Eigenheit zu verleugnen; ebensowenig wie das stolze, nach wie vor in der Türkei, Syrien und dem Irak unterdrückte, um seine Unabhängkeit und einen eigenen Staat kämpfende uralte Volk der Kurden.

Wir eilen gegen den Wind gestemmt durch die Gassen der Regensburger Altstadt gen Westen. So ein Pech, das Lokal öffnet offiziell erst in einer halben Stunde! Ein freundlicher Herr mittleren Alters mit hochgeschlagenem Jackenkragen, beeilt sich, vom Arnulfsplatz her kommend, die Tür aufzusperren, um sich ins Warme zu flüchten ... Wir bitten ihn um und er gewährt uns Einlass. 

Um den "Corona-TÜV" kommen wir nicht herum. Er führt sie so akribisch durch, wie ich dies von einem ehrbaren Gastronomen erwarte: 2G-Nachweis plus Ausweisdokument. Haben wir, wir dürfen bleiben.

Die Küche sei noch nicht soweit, sagt er, auch der Service käme erst in einer Viertelstunde zur Arbeit, aber wenn wir schon etwas trinken wollten, gerne. Wir bestellen zweimal dunkles Weißbier. "Alte Liebe", Kuchelbauer. Damit wir uns die Zeit vertreiben können, bringt er uns schonmal die Speisekarte

Darin lesenswerte Infos zum Haus, zur kurdischen Küche und kurdischer Kultur. Die Speisenauswahl ist weder zu klein noch zu groß, genau richtig. Viel Vegetarisches, aber auch Fleisch und Fisch.

Alle Speisen würden hier frisch zubereitet, lesen wir. Das gefällt uns. Denn Konservendips, Krautsalat mit ätzender Essigsäure aus dem Metro-Plastikeimer und widerwärtigen Quark-Tzatziki wie er bei vielen hiesigen "Griechen" Standard ist: Soviel Lieblosigkeit, ja offensichtlichen Hass auf ihre Gäste, verzeihe ich einer Küche nicht.

Wir entscheiden uns für die "Lokanta-Platte" für 2 Personen. Die besteht im ersten Schritt aus einem großen Teller mit kalten vegetarischen Meze-Variationen, gefolgt von einem Querschnitt kurdischer Grillspezialitäten (Lammspieße, Hühnchenspieße, Kebab) an Bulgur, kurdischen Bratkartoffeln/Pommes, Tzatziki, Salat und Fladenbrot. Das Paket soll 45,50€ kosten, klingt gut, und darauf wollen sich die Griechin mir gegenüber und ich heut einlassen.

Die Meze-Platte gefällt uns. Bis auf die Dolmadakia, die einen konserventypischen Essiggeschmack haben, jedoch deren Füllung durchaus selbstgemacht sein könnte, sind alle weitere Komponenten frisch und handwerklich hervorragend zubereitet. Meine Griechin meint, es könne möglich sein, dass die eingelegten Weinblätter, die sie ebenfalls öfters im türkischen Supermarkt kaufe, wenn sie griechische Dolmadakia zubereiten wolle, diesen Geschmack abgäben, wenn man sie vor der Verwendung nicht gründlich genug wässere. 

Mein Favorit ist nicht der rotbraune Dip mit Kichererbsenaromen und leicht stückiger Textur (nicht mit einem Hummus levantinischen Stils vergleichbar), sondern der Spinat mit (mutmaßlich) Tahin und einer schönen hintergründigen Schärfe hat es mir angetan. Davon könnte ich gerne auch einen ganzen Teller mit diesem schönen, warmen Fladenbrot verdrücken. Der Tzatziki könnte zwar für meinen Geschmack etwas mehr Knoblauch vertragen, aber - Himmel sei Dank! - er basiert zumindest auf Joghurt und frischer Gurke und ist nach unserem Dafürhalten hausgemacht! Den "Hirtenkäse" aus Kuhmilch mag ich weniger, solchem ziehe ich Käse aus Schafs- und/oder Ziegenmilch vor. Ja, ich weiß, der kostet mehr, aber er schmeckt halt einfach besser, ist regionaltypischer und ich würde in einem Lokal wie der Lokanta auch gerne etwas mehr bezahlen, wenn ich einen ausdrucksvolleren Käse serviert bekäme. Alles in allem sind diese Meze aber auf jeden Fall ein schöner Einstieg und machen Lust auf mehr.


Das Hauptgericht enttäuscht uns nicht. Die Kartoffeln sind handgeschnitten wie griechische Patates tiganites, nur eine oder zwei Prisen Salz mehr würde ich ihnen gönnen und sie statt in Sonnenblumenöl in Olivenöl frittieren. Und zwar in richtig gutem, extra nativem Olivenöl. Wer je solche "griechischen Pommes", nach allen Regeln der Kunst zubereitet, kennengelernt hat, will keine anderen mehr ... Doch auch diese kurdischen Pommes gereichen der Küche des Lokanta zur Ehre.

Der Bulgur ist dezent tomatisiert und perfekt gegart, ein wenig Chili/Biber würde ihm allerdings gut tun, sollte dies nicht kurdischen Traditionen zuwider laufen. Der große Salatteller für zwei Personen als Beilage ist vielfältig, bunt und schmackhaft, Fladenbrot, reichlich Tzatziki - da kann man nicht meckern. 

Die Lammspieße sind fantastisch gebraten: Saftig, aromatisch, zart. Wenig gewürzt, so dass die Qualität des Fleisches schön zur Geltung kommt. Meine Lieblingskomponente der Lokanta-Platten-Hauptdarsteller.

Ebenfalls kompetent zubereitet sind die Hähnchenspieße, die so zart sind, dass sie auf der Zunge zergehen möchten. Wir vermuten auf den meiner Meinung nach cleveren Trick, das Hühnerfleisch einige Stunden vor der Zubereitung in Salzlake einzulegen. Habe ich auch schon mal ausprobiert und für gut befunden. Furztrockene Hühnerbrust braucht niemand - gewußt wie. Außen knusprig, innen zart: Die Küche des Lokanta weiß mit Hühnerfleisch umzugehen - wie auch immer ihr dies handwerklich gelungen ist.

Die Köfte/Kebab sind ähnlich wie die Lammspieße zurückhaltend gewürzt - das ist der Stil der Lokanta-Küche - und ich habe grundlegend nichts an ihnen auszusetzen. Eine Prise Kreuzkümmel hätte aber womöglich zu höheren Graden der Begeisterung meinerseits beigetragen.

Satt und zufrieden verlassen wir die Lokanta. Der Service ist gastfreundlich, flott und präsent. Die Küche repräsentiert die kulinarische Tradition Kurdistans mit Herz und Leidenschaft. Alleine das Lesen der Speisekarte ist eine Freude und läßt erkennen, dass man hier niemals derartige kulinarische Verbrechen an der eigenen Kultur zulassen würde wie viele "Griechen" Deutschlands mit unsäglichen "Kreationen" wie "Gyros mit Metaxa-Sauce" oder "Gyros-Kalamari", für die man sie in Hellas teeren, federn und anschließend den Haifischen zum Fraß vorwerfen würde. Und das zurecht ...

Mit Getränken zahlen wir ohne Trinkgeld rund 52 Euro. Ein mehr als angemessener Preis für das Gebotene. Hierher komme ich künftig gerne wieder einmal und probiere mich durch die interessante Karte. Gleiches empfehle ich auch meiner geneigten Leserschaft und spreche gerne eine Empfehlung für das Lokanta in der Haaggasse 15 in Regensburg aus.

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