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Samstag, 4. Juni 2022

Im Gasthaus zur Krone in Großheubach

Dem Attribut "gut bürgerlich" für den Stil einer Küche haftet ein Anklang von Spießigkeit, hartschädligem Konservatismus und uninspirierter Langeweile an.

Wie erstaunlich aufregend "gut bürgerliche" Küche jedoch sein kann, durfte ich neulich im churfränkischen Städtchen Großheubach nicht erfahren, sondern erleben!

Ralf Restel heißt der Inhaber und Küchenchef des Gasthauses zur Krone in Großheubach, der mit seiner Gattin Nikola Restel das seit 1969 im Familienbesitz befindliche Haus mit einigen modern und komfortabel eingerichteten Fremdenzimmern führt.

Ein Geheimtipp ist das Gasthaus zur Krone in der landschaftlich, kulturell wie oenologisch reizvollen Region Miltenberg-Bürgstadt-Großheubach-Klingenberg beileibe nicht, denn der Guide Michelin zeichnet die Küche von Ralf Restel seit vielen Jahren mit dem  Prädikat "Bib Gourmand" aus ...

von Robert Bock

„Sorgfältig zubereitete und preiswerte Mahlzeiten“ - so die Bedeutung des Prädikats "Bib Gourmand" - bieten, zur Erleichterung der Einordnung des Niveaus von dem in dieser Kritik die Rede sein soll, im Raum Regensburg das Restaurant Schwögler in Bad Abbach und Kandlbinder Küche in Ponholz an. Wir sprechen also zwar nicht von der "Champions League", aber vom oberen Tabellendrittel der "Bundesliga" der Kochkunst gemäß der Klassifikatonsphilosophie des Guide Michelin.

Ralf Restel hat sein Handwerk in ersten Häuser erlernt, bevor er den elterlichen Betrieb in Großheubach 2005 übernahm. Unter seinen Lehrmeistern unter anderem die 2-Sterne-Kochlegende Lothar Eiermann. 1983 begann Ralf seine Lehr- und Wanderjahre im Sternerestaurant „Anker“ in Marktheidenfeld, weitere Stationen waren die Schweizer Stuben in Wertheim-Bettingen und das 2-Sterne-Haus Wald & Schlosshotel Friedrichsruhe.

 Nikola "Niki" Restel hat das Restaurantfach in ersten Häusern, unter anderem im Hotel Bareiss Baiersbronn, von der Pike auf gelernt und sich als überaus kompetente und engagierte ausgebildete Sommeliere und Beirätin der Sommelier-Union Deutschland e.V. profiliert. 

Die Weinkarte der Krone spiegelt Niki Restels Expertise: Es dominieren Weine exzellenter fränkischer Weingüter, insbesondere solcher aus der churfränkischen Region, Teil des traditionell so bezeichneten "Mainvierecks": Eine Weinregion die, nicht zuletzt aufgrund der international widerhallenden Arbeit des Weinguts Rudolf Fürst im benachbarten Bürgstadt, für herausragende Rotweine (insbesondere Spät- und Frühburgunder) berühmt ist. 

Der deutliche Regionalbezug der Weinkarte (Churfranken, Maindreieck, Steigerwald) fügt sich stimmig zum fränkisch-regional ausgerichteten Stil der Küche und dem gemütlichen Ambiente des Hauses. Wem nicht nach Frankenwein ist, der findet aber auch eine schöne Auswahl an Weinen aus der Pfalz, dem Rheingau, von Ahr und Nahe sowie aus Spanien und Italien

Handverlesen und sehr persönlich geprägt von der Hausherrin Expertise ist diese Weinkarte, alles andere als eine lieblose 08/15-Zusammenstellung eines Weingroßhändlers für einen wenig weinaffinen Kunden aus der Gastronomie, die Etikettentrinker beeindrucken will und letztlich ohne Seele und Bezug zur Küche ist. Vor Ort in dieser Weinkarte ein wenig stöbernd zu verweilen, dazu rate ich bereits an dieser Stelle ausdrücklich ...

"Gut bürgerliche Küche" im Angesicht solcher Lebenslinien, das mag befremdlich klingen ...

Was ich mit meinen persönlichen Eindrücken belegen will ist, dass dieses vielgeschmähte Attribut ungemein aufregend sein kann, wenn Könnerschaft im Spiel ist. 

Beleg: Das 4-Gänge-Degustationsmenü, das ich in der Krone genossen habe:

 

Die Wahl meines Hauptgerichts fiel auf den Rehrücken mit der vorgeschlagenen Weinbegleitung, eines herausragenden Spätburgunders des bereits erwähnten Weinguts Rudolf Fürst,  die übrigen Gänge begleitete ein duftig-aromatisch-würziger Silvaner eines Lokalmatadoren, des Weinguts Kremer aus Großheubach.


Nach dem Gruß aus der Küche, zweierlei Brot mit einem Kräuter-Meerrettich-Frischkäse, eröffnete der 1. Gang, die Terrine von Ziegenfrischkäse mit Beeren an Kräutersalat und Radieschenpesto, das Menü:


Nicht nur eine Augenweide, auch ein Erlebnis für Nase, Zungen und Gaumen. Zwar ist die Größe der Terrinen-Komponente im Verhältnis zum Rest des Ensembles für mich eine Spur zu üppig ausgefallen, aber das ist Kritikastern auf hohem Niveau. 

Bestechend: Die Harmonie der Texturen und Aromen sowie überraschende Kontraste die zum Beispiel Beerenfrucht und Radieschen(grün) eröffnen. 

Eine Vorspeise, die unweigerlich die Konzentration des Gastes einfordert und, ob man will oder nicht, nicht einfach so en passant konsumiert werden kann, sondern genießerisches Beschäftigen einfordert. Wundervoll!


Die Gebackene Riesengarnele auf Spargel im 2. Gang verläßt zweifelsohne das "gut bürgerliche" Genre und lüftet den Vorhang zu Cross-over und internationaler Sterneküche. Ich kann mich nicht erinnern, je eine so perfekt auf den Punkt gegarte Garnele gegessen zu haben. 

Haudünn und crispy der sie umhüllende Teig, zartschmelzend-glasig die Meeresfrucht. Das Spargelgemüse mit dem frischen Kerbel und der Dip so dezent mit Fingerspitzengefühl gewürzt, dass sämtliche Eigenaromen der Zutaten ihre Hauptrolle nicht verlieren, sondern sich nahezu plastisch herausheben.

Ein Gericht dieser Art bindet Saisonalität und Regionalität vortrefflich in den Kontext internationaler Küche ein. Ein Erlebnis!

 


Der Hauptgang präsentiert in sämtlichen Komponenten regionale, saisonale Küche, wie man sie in Churfranken erwarten darf. "Gut bürgerliche Küche" auf hohem, ja höchstem Niveau: Rehrücken | Rahmwirsing | Schupfnudeln.

Im knusprig gebackenen Körbchen Preiselbeerkompott, die Sauce dicht mit wunderbarem Glanz und aromatischer Fülle. Kochhandwerkskunst aus dem Lehrbuch. Der Rehrücken perfekt rosa gebraten, zart und würzig. Die Schupfnudeln zart und buttrig.

Der Rahmwirsing, ja dieser Rahmwirsing ... Überraschenderweise ist er mein persönliches Highlight dieses formidablen Hauptganges, weil er mich an den Wirsing meiner Kindheit aus der Küche meiner oberfränkischen Oma erinnert hat. Ich meine, jede Küche dieser Welt hat automatisch gewonnen, gelingt es ihr, ihrem Gast in die vergangene Welt seiner Kindheit zu entführen und ein Kaleidoskop schöner, liebevoller Erinnerungen in ihm wachzurufen. Danke an die Küche der Krone für dieses weit über profanes Speisen hinausreichende Erlebnis ...


Das Dessert beschließt einen denkwürdigen kulinarischen Abend ohne Schischi und Klingeling, sondern handwerklich hervorragend umgesetzt und klassisch komponiert: Schokoladenmus | Mangosorbet

Kann man dieses Thema besser umsetzen? Ich meine nein. Schlichte Perfektion. Auffällig, nebenbei bemerkt: Die herausragende Qualität der frischen Früchte. Gratulation der Küche zu ihrem Obstlieferanten.

Fazit

55 Euro für dieses wundervoll stimmige und abwechslungsreiche Menü bedeuten angesichts der Qualität der Zutaten, der üppigen Größe der Portionen und der höchst kompetenten Zubereitung und Teller-Präsentation für mich die obere Referenzlinie dessen, was die Auszeichung "Bib Gourmand" im Universum des Guide Michelin von ihrem Wesen her verkörpern soll: „Sorgfältig zubereitete und preiswerte Mahlzeiten“.

Der Service des Gasthauses zur Krone in Großheubach steht der Küche in der Qualität seiner Arbeit kein Jota nach: Freundlich, aufmerksam und stets präsent vermittelt er dem Fremden Willkommensein. Das Ambiente auf der ausgebuchten großen Terrasse zählt bei angenehmen abendlichen Teperaturen zum Angenehmsten, was ich in den letzten Jahren diesbezüglich erleben durfte.

Rundum bescherte mir dieser Abend ein gelungenes gastronomisches Gesamtkunstwerk im Wagner'schen Sinne. Keine "gut bürgerliche", sondern "best bürgerliche Küche" durfte ich erleben und werde mich lange und mit Freude an diesen Abend im Haus von Niki und Ralf Restel erinnern. Gerne werde ich hier erneut einkehren, wenn mich mein Weg wieder gen Churfranken führt.

Überflüssig beinahe, eine uneingeschränkte Empfehlung zum Besuch der Krone in Großheubach auszusprechen. Diese erstreckt sich auch auf die Gästezimmer und das Frühstück. Ein für mich perfekter Ausgangspunkt für einen Kurzurlaub in einer an Sehenswürdigkeiten reichen Region im nordwestlichen Zipfel Bayerns wo Hessen und Baden-Württemberg an Unterfranken grenzen.

1 Kommentar:

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