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Freitag, 6. Juli 2018

Schweinsbraten, zefix! - In der Schlosswirtschaft Heitzenhofen

So zum Küssen war die Luft an einem Sonntag lange nicht. Von stahlblauen Himmeln lacht die Sonne, kein Wölkchen hingetupft, gleichwo.

B i e r g a r t e n raunt die bairische Seele und drängt mich, meine charmante Begleiterin anzurufen, um sie mit diesem meinem Seelenraunen zu infizieren.

Wohin, will sie wissen. Nach Heitzenhofen schlage ich vor, denn heut sei Naabtalwetter. Die Schlosswirtschaft dort hab ich schon eine Weile auf der Liste. Noch bevor Kabel Eins Wirt&Wirtshaus in einer Staffel von Mein Lokal, dein Lokal vorstellen und mir womöglich die Lust versauen wird, will ich mir vor Ort ein eigenes Bild machen - unbeeinflusst der von redaktioneller Hand wahrscheinlich wieder künstlich geschürten Konflikte und der Gossip-Geilheit, die solche TV-Formate bedienen.
von Robert Bock

Wirt und Küchenchef Christian Streier stammt aus NRW. Er hat das Traditionswirtshaus einer konzeptionellen Rundumerneuerung unterworfen und im Januar 2018 neu eröffnet. Ich bewundere Menschen, die sich mutig ins Abenteuer für sie exotischer Küchen stürzen: Bairischer in diesem Fall.

Die Schlosswirtschaft kenne ich bislang nur von außen. Sie liegt direkt am Naabtalradweg zwischen Pielenhofen und Kallmünz an der Strecke des Kallmünzer Halbmarathons, den ich früher ein paarmal absolviert habe. An heißen Tagen sehnte ich mich auf dem Rückweg zum Ziel im nicht mehr allzu fernen Kallmünz nach einem Ende der Strapazen und einem eisgekühlten Radler im idyllischen Biergarten des Lokals, den Vorsatz wahrgemacht hatte ich bis dato nie.

Aber heute nehme ich dort samt charmanter Begleitung Platz an einem Tisch direkt am Zaun, der den Garten vom Fluss trennt. Über uns das dichte Blätterdach eines alten Walnussbaumes, in unserem Rücken der wirtshauseigene Kräuter- und Gemüsegarten.

So ähnlich kenne ich das bislang im Großraum Regensburg vor allem vom Brauereigasthof Eichhofen.

Generell ähneln sich beider Lokale Qualitätsphilosophie, wenn ich der knapp geschnittenen Sonntagskarte und ihrer Präambel vertraue: Kein Essen vom Band, man koche mit Herz und Hand (oh, das reimt sich, und was sich reimt ist gut, altes Koboldgesetz ...). Alle Speisen - so wird durch Unterstreichung betont - seien selbst- und hausgemacht. Die Zutaten stammten aus nachhaltigem und regionalem Anbau und Zucht. Keine Massentierhaltung.

Es folgt eine Liste wichtiger Lieferanten. Das soll Vertrauen wecken und Glaubwürdigkeit vermitteln. Tut es: Den Lieferanten Brunnerhof in Schwandorf-Richt kenne ich gut. Das Fleisch der Brunner'schen Strohschweine ist in der anspruchsvollen Gastronomie der Region - so auch in der Einkehr zur Alten Post in Ponholz - das Maß der Dinge.

Die Sonntagskarte ist in der Tat mit dem Umfang einer dreiviertel Seite DIN A4 sehr übersichtlich. Der Leberkäs mit Spiegelei sei leider aus, bedauert Serviceleiter Phillipp Schütze. Ausgerüstet ist er mit einem Tablett-PC, mit dem er die Bestellungen unmittelbar in die Küche übermittelt.

Verbleiben also heute nur drei Hauptgerichte. Stört uns beide nicht weiter, solange der Schweinsbraten nicht aus ist ...  Ist er zwar nicht, aber es ist wieder einmal kein SchweinS-, sondern ein SchweinEbraten annonciert ...

Wird diese preussische Vergewaltigung des Boarischen in seinen Stammlanden je aufhören? Kruzefixsacklzementhalleluja: SCHWEINSBRATEN hoast des! In Bayern, in Österreich und der deutschsprachigen Schweiz. Wer's mir nicht glaubt, frage einen Sprachgelehrten seiner Wahl. Wie auch beim Rindsbraten deutet das "S" einen Genetiv an: Ein Braten vom Schwein bzw. Rind - kein Braten der Schweine oder Rinder, denn Tiere braten bekanntlich nichts und jede Scheibe stammt von einem Tier und nicht von mehreren. Mag sein, dass man in den Speisekarten von Münchens Schickimicki-Lokalen auch mal ein Carpaccio vom Schweineleichnam, Sushi-Angebatzten, Frikadellen oder Wurstsalat mit Kiwi annonciert. Was würde einem Wirt im Schwäbischen widerfahren, böte er Käsespätzchen oder Käsespätzlein feil? Im Herzen Bayerns muss Bayern bairisch bleiben! Schweinsbraten, zefix! Host mi?

Übrigens: Einen wunderbaren Film Rund um den Schweinsbraten in Niederbayern aus der BR-Reihe "Unter unserem Himmel" könnt Ihr Euch hier anschauen ...


Der Serviceleiter der Schlosswirtschaft Heitzenhofen ist wie der Chef zwar ein Preiss, aber von der sehr freundlichen und beruflich kompetenten Sorte. Sein Team, das er per Augenkontakt und Fingerzeig geräuschlos wie gekonnt dirigiert, stammt überwiegend aus dem, von Mitteleuropa aus gesehen, nahen und ferneren (Süd-)Osten und erledigt seinen Job herausragend gut. Stets präsent, immer freundlich, nie aufdringlich erledigen die Herren in sehr passablem Deutsch ihre Aufgaben. Jeder, der Migranten nichts zutraut, dem rate ich in Heitzenhofen einzukehren. Einen freundlicheren und flinkeren Service in einem gut-bürgerlichen Gasthof wird er kaum je erlebt haben. Zwar tragen die Burschen kein Dirndl, aber wir sind ja auch nicht in Köln ...

Wir sind ja zum Essen da und nicht, um uns in erster Linie bedienen zu lassen ... Zweimal Schweinsbraten mit Reiberknödel, für die Dame ein dunkles Weizen aus Weltenburg, für mich eine hausgemachte Hollerschorle. Die schmeckt mir gut, aber einen Schuss mehr Sirup hätte ich nicht als nachteilig empfunden.

Der Schweinsbraten ist eine Pracht! Zwei dicke, saftige, sagenhaft g'schmackige Scheiben vom Schopf eines Strohschweins vom Brunnerhof baden in einer dichten, dunklen Bratensoße. Ausgezeichnet ist diese Sauce mit Kraft und Nachhall Christian Streier gelungen. Der Reiberknödl reißt sich fluffig in zwei Hälften, keine Squashballkonsistenz wie sie den weit verbreiteten Industriekknödln eigen ist!  Keine Zweifel meinerseits: der Streier'sche Knödl ist handgemacht! So soll, so muss es sein!

Für 10,90 € - und damit über der Schweinsbratenschallmauer - mag manch einer einen Beilagensalat erwarten. Der fehlt hier. An sich ist ein Schweinsbraten meiner Meinung nach ohne einen Beilagensalat ebensowenig komplett wie Dampfnudeln ohne Vanillesoße, Weißwurst ohne süßen Senf oder Tofu ohne Müllbeutel für dessen Entsorgung.

Ich nehme es hier in Kauf, weil nachhaltig produziertes, hervorragendes Fleisch, dessen Portionsgröße und die handwerkliche Kunst der Zubereitung im Gesamt die Absenz des Beilagensalates für mich einigermaßen kompensieren. Doch wenigstens als zubestellbare Option würde ich persönlich einen (kleinen) Beilagensalat zu schätzen wissen.

Ein Nachspeiserl? Weder hausgemachter Kuchen mit Kaffee (zu früh am Mittag) noch Industrieeis vom Unilever-Konzern kann uns locken. Weshalb kein handwerklich gemachtes, ehrliches Eis aus einer Gelateria aus dem nahen Kallmünz? Eine Lücke im Konzept! Wir einigen uns darauf, uns eine Portion Obazda mit Brezn zu teilen: Käse schließt den Magen ...

Der Ritter-Obazda entpuppt sich als echtes Alleinstellungsmerkmal der Schlosswirtschaft Heitzenhofen. Er schmeckt so rass nach Ziegen- oder Schafskäse, dass es eine echte Freude für jeden Freund solcher Aromen ist.

Dabei, versichert mir beim Abschied Christian Streier höchstpersönlich, sei nichts dergleichen darin enthalten! Ordinärer Brie sei es, der eingearbeitet wurde. Die Kunst sei die Dauer der Ziehzeit und dies und das, was ich nicht verraten werde aber daheim ausprobieren.

Probiert diesen Obatzdn bei Gelegenheit; er sticht aus dem Einerlei des Üblichen sehr positiv und eigenständig heraus.

Fazit: Wir haben gut gegessen und was wir gegessen haben bleibt positiv in Erinnerung. Der Service war hervorragend, das Ambiente im Biergarten idyllisch, das Innere des Gasthauses, einschließlich der Toiletten, modern und tiptop sauber. Abzüge für den fehlenden Beilagensalat und die Industrie-Eiscreme: 8 von 10 möglichen Punkten für ein Gasthaus dieser Art und seines Anspruchs.

Wir werden wiederkommen an einem Tag mit Naabtalwetter. Mal sehen, wie Christian Streier und sein Team bei Mein Lokal, dein Lokal (Sendetermine voraussichtlich 16.-20. Juli 2018) abschneiden werden. Den Röhrl sollten sie in der Disziplin Schweinsbraten (allein schon der handgemachten Knödl wegen!) und Obatzda - zumindest meiner Einschätzung nach - abhängen können, da hilft auch dessen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde nichts ... Auch dort auf der Karte übrigens preussischer SchweinEbraten. Zefix!

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