Am Faschingsdienstag hat es mich nach Schwandorf verschlagen. Nördlich des Pfaffensteiner Tunnels ändern sich in der Wahrnehmung eines Regensburgers unvermittelt Menschenschlag und Landschaft. Und je weiter man ins Kernland der Oberpfalz vordringt, desto dunkler raunt der Dialekt.
Schwandorf also ... Was hat er denn in diesem Nest verloren?, fragt sich womöglich der eine oder andere und erführe er, dass ich nicht einmal in der pulsierenden Metropole selbst (SAD, the City that never sleeps ...) eingekehrt bin, sondern in einem westlich der City gelegenen Weiler namens Richt, er kräuselte vermutlich die Brauen. Besser allerdings für ihn, er legte seine Hochmut ab, denn im Hofcafé des Brunnerhofes kann man ausgezeichnet oberpfälzisch-bodenständig speisen.
von Robert Bock
Seit 1989 führen Apollonia und Franz Brunner den Brunnerhof und haben den landwirtschaftlichen Betrieb, der seit 1865 in Familienbesitz ist, mit Kreativität. Fleiß und sehr viel Liebe mit ihren Kindern zu einem multidimensionalen Betrieb entwickelt, der klassische Landwirtschaft mit Hofmetzgerei, Direktvermarktung eigener und zugekaufter Produkte im Hofladen, Gastronomie und Töpferei in sich vereint. Entsteigt man dem Auto, riecht die Luft nach Bauerhof. So muss es sein!
Das Fleisch der am Brunnerhof artgerecht aufgezogenen Strohschweine genießt in der gehobenen Gastronomie der Region einen hervorragenden Ruf. Martin Kandlbinder von der Alten Post in Ponholz beispielsweise serviert es seinen Gästen und ein Spitzenkoch wie er versteht etwas von Qualität.
Die Tiere werden auf Stroh gehalten. Dadurch wird das angeborene Wühlverhalten der Schweine unterstützt. Rudel-Aggressivität und Gelenkverletzungen kommen praktisch nicht vor. Artgerechte Haltung bedeutet ein gesünderes und besseres Leben für die Tiere und der Kunde profitiert von der gesunden und nachhaltigen Premium-Qualität des Fleisches, welches mit gutem Gewissen verzehrt werden kann.
Man schlachtet und wurstet selbst seit den 1950er Jahren auf dem Brunnerhof und ich lege meiner Leserschaft ans Herz dort einmal einzukaufen. Und wenn Ihr schon dort seid, dann lasst Euch im Hofcafé verwöhnen. So wie ich am heurigen Faschingsdienstag ...
Ein Kätzchen döst auf einem Gartentisch in der noch kraftlosen Februarsonne.
Ob es von der Schlachtschüssel gekostet hat, die auf der Schiefertafel samt Kraut und Bratkartoffeln für 9,90 Euro annonciert wird und deshalb ein Verdauungsschläfchen nötig hat, bezweifle ich, aber mir läuft bereits vor dem Betreten des Hofladens das Wasser im Mund zusammen.
Gut, dass meine charmante Begleiterin und ich reserviert haben, denn das Hofcafé ist gut besucht. Altersschnitt der Gäste heute circa 70. Beinahe alle verputzen sie die Schlachtschüssel. Hier in Richt, wird der Veganismus keine Handbreit Bodens je gewinnen ...
Kaum haben wir Platz genommen, ticken die Uhren langsamer. Seltsam, wie beruhigend manche Orte aufs Gemüt von Großstadtmenschen wirken ... Eine freundliche und stets präsente junge Dame nimmt unsere Bestellung auf: zweimal die Schlachtschüssel, zweimal mit Kesselfleisch und Blut- und Leberwürsten, Kraut und Bratkartoffeln. Statt ihrer hätten wir auch Dotsch (Reibekuchen aus Kartoffeln) dazu haben können.
Dazu zweimal ein dunkles Zoigl vom Schnellingerbräu aus dem benachbarten Irrenlohe, das bereits zu Schwarzenfeld gehört. Bügelverschluß, schlichte Versiegelung mit Banderole, die gleichzeitig als Etikett dient. Plopp!
Es gibt Institutionen in der Oberpfalz (und auch in Oberfranken), die wünsche ich mir dem Weltkulturerbe zugehörig. Darunter die vielen kleinen Privatbrauereien in diesem Teil der Welt, die einen Gerstensaft verfertigen, um den uns der Rest der Welt beneiden darf.
Außerhalb Oberfrankens habe ich selten so ein würziges, nach Schwarzbrotrinde, Thymian und Bohnenkraut schmeckendes, komplexes dunkles Bier getrunken, wie dieses Zoigl vom Schnellinger Jürgen. Probiert`ses dan gspiad`ses, verspricht der Bräu auf seiner Homepage und hat den Mund damit keineswegs zu voll genommen. Großartig!
Die Schlachtschüssel des Brunnerhofs zählt zu den besten, die ich je gegessen habe. Ich bin von Kindesbeinen auf in dieser Hinsicht verwöhnt. Meine Urgoßeltern mütterlicherseits hatten einen Bauernhof und ich war als Dreikäsehoch dabei, wenn an eiskalten Januartagen im Hof die feist gemästete Sau mit aufgeschlitztem Bauch unter dem Scheunentor dampfte. Mein Opa väterlicherseits war Metzger und verstand sich meisterhaft aufs Verfertigen von oberfränkischen Brat-, Blut- und Leberwürsten ... Kaum der Brust entwöhnt, für jeden Oberfranken Grundnahrungsmittel.
Die Schweine hatten - im Unterschied zu leider unerträglich vielen ihrer Artgenossen - ein glückliches Leben bei den Brunners. Der Weg vom Stall zur Schlachtung war maximal kurz und stressarm, Kesselfleisch und Würscht sind frisch, frischer geht es nicht. Das schmeckt man. Das Sauerkraut ist schlicht gewürzt, sehr fein gehobelt und die Säure perfekt ausgewogen, die Kartoffeln kann man besser wohl kaum braten und würzen.
Es wird abgetragen und wir fühlen uns behaglich wie das Kätzchen draußen vor der Tür. Franz Brunner kommt an unseren Tisch und bietet uns ein Verdauungsschnapserl aufs Haus an.
Ein Stamperl am Faschingsdienstag genossen, bewirke, dass man das ganze Jahr über nicht von Staounzn (Stechmücken) gestochen werde, verspricht er. Ich genehmige mir einen Bärwurz, meine charmante Begleiterin einen Holunderblütenbrand. Auf ihre Frage, ob das tatsächlich funktioniere, antwortet er lakonisch: "In 100% der Fälle nicht." Ehrlich wie seine Produkte, ehrlich wie das Gesamtkonzept seines Hofes.
Fazit: Verbunden mit einem Lob an Gattin Apollonia, die in der Küche für diese hervorragende Schlachtschüssel verantwortlich zeichnet, spreche ich eine ausdrückliche Empfehlung zur Einkehr im Brunnerhof aus. Details zu den am jeweiligen Tag angebotenen Speisen, entnehmt ihr bitte der Homepage und Facebook-Präsenz des Brunnerhofes.
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