Montag, 26. Dezember 2016

Zum Weihnachtsmenü beim Korea-Wirt in Altenthann

Die schönste Art sich ordentlich Appetit oder gar Kohldampf zu holen und ihn in der Waldgaststätte Otterbachtal zu stillen, ist, nämliches Tal zu Fuß zu erwandern. Von Hammermühle oder Unterlichtenwald aus etwa, wo sich Einstiege in den gut beschilderten Wanderweg bieten.

Wir haben am ersten Weihnachtsfeiertag reserviert und das Wetter ist nicht dazu angetan,  einen mehrstündigen Spaziergang durch die fantastische Naturidylle zu unternehmen. Wir nehmen das Auto, halten uns nach Donaustauf Richtung Falkenstein und biegen kurz vor Altenthann Richtung Südosten auf die, in steilem Gefälle zum Talgrund führende, gut asphaltierte Straße ein, die uns nach rund einem Kilometer ans Ziel führt. Bruckhaus 1, Altenthann lautet die Adresse. Oberpfalz, weder Nord-, noch Südkorea ...

Es ist das erste Mal, dass ich im Winter hier einkehre. Das wunderschön, inmitten von Fischteichen in einem engen Kerbtal gelegene Anwesen des "Korea-Wirts", wie der Volksmund das Gasthaus nennt, offenbart bei nasskaltem Wetter völlig andere Facetten  als im Sommer. Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag werde es ein leckeres Weihnachtsmenü geben, versprach die Facebook-Präsenz des Lokals. Auf das sind wir scharf ...
von Robert Bock

Korea-Wirt - der Spitzname des Lokals basiert der Legende nach auf einer Sonntagspredigt des Altenthanner Pfarrers, der seine Schäflein davor warnte, jenem Sündenpfuhl am Talgrund, der sich harmlos Waldgaststätte Otterbachtal nenne, und wo weiland der Großvater des heutigen Küchenchefs, der König Franz, nach Dafürhalten der Geistlichkeit, so ausschweifende Feste initierte, dass das Seelenheil der Gemeindemitglieder in Gefahr geriete, weil man sich dort allzu zügellos Wein, Weib und Gesang hingebe. Da gehe es zu wie in Korea, wetterte der Pfarrer von der Kanzel herab - welche Vorstellungen von den Sitten dieses südostasiatischen Landes auch immer ihm damals durch den Kopf gegangen sein mögen. Fortan sei man halt, auf Hochwürdens Levithen pfeifend, "nach Korea" gegangen, wenn den Altenthannern nach Jux und Geselligkeit zumute gewesen sei ...

Der Gastraum präsentiert sich im Landgasthoftstil der 1980er Jahre. Mindestens so alt sind die Zimmerpflanzen, die überwiegend in einem erbarmungswürdigen Zustand sind. Manchen wurde nicht einmal ein schmückender Übertopf spendiert: nacktes Plastik beleidigt des Gastes Auge. Es ist so einfach, sich anzugewöhnen, welke Blätter regelmäßig zu entfernen und das vertrocknete Laub des siechen Ficus benjamini nicht nur alle Vierteljahre aufzuklauben ... Wenn ich an meine Sterblichkeit erinnert werden will, fahre ich nach Straubing und besichtige die Totentanzkapelle auf dem Friedhof St. Peter. Im Gasthaus will ich das Leben geniessen und lege keinen gesteigerten Wert auf ein Memento mori.

Wir haben einen Tisch in einem kleinen Erker. Neben uns der Christbaum, hinter uns Heizkörper, die lange keine Grundreinigung mehr erfahren haben. Unter den Heizkörpern Spinnweben wie auf Schloss Dracula in Transilvanien. Auf den Sitzbänken der Eckbankgruppen rundum zeigen sich die Bezüge schon aus weiter Entfernung in einem dringend erneuerungsbedürftigen Zustand.

Das Ambiente und Mobiliar eines Lokal mag altmodisch sein, das geht in Ordnung, aber dass es sich sauber und gepflegt präsentiert, das darf ein zahlender Gast erwarten. Wer Renovierungsarbeiten unterlässt, weil er der Meinung ist, das passe schon, der täuscht sich. Gebe dein Lokal der Erosion preis und die Gäste stimmen mit den Füßen ab. Da müssen Küche und Service schon exorbitant gut - und das konstant - performen, um solche Schwachpunkte zu nivellieren ...

Wir bestellen das Weihnachtsmenü: Leberknödelsuppe --- Schweinefilet mit Waldpilzsoße, Spätzle und Salat oder Zander im Kräutermantel gebacken auf Ratatouille und Petersilienkartoffeln --- Lebkuchenparfait --- Espresso oder ein Stamperl Kräuterlikör.

Drei Gänge inklusive Digestif für 17,90 EUR - das hört sich fair an.

Doch werden uns Küchenchef Franz Christian König und sein Servicepersonal - heute seine Frau Mama am Ausschank und eine junge Dame - überzeugen?

Wir ordern eine Flasche Mineralwasser, einen trockenen 2015er Pinot Noir aus Baden und einen 2016er Weißen Pfälzer Landwein.

Keine Preise für die Weine auf der Karte? Das sollte Profis nicht passieren. Noch weniger sollte man dem Gast jedweden Wein in solchen "Römern" servieren.

Wenn schon Römer, dann sollte ferner nicht der eine 0,2 Liter, der andere 0,25 Liter fassen. Vor allem dann nicht, wenn schließlich auf der Rechnung zweimal 0,25 Liter abgerechnet werden.

Der Weißwein ist ein Sauerampfer, wie man ihn nur unter Inkaufnahme von Sodbrennen geniessen kann, der Spätburgunder aus Baden erstaunlicherweise gut trinkbar, wenn auch sein Bouquet aufgrund dieser Karikatur eines Weinglases kaum zu erahnen ist.

Bitte, bitte, liebe Familie König: Wenn Wein, dann ordentliche Gläser! Sie schätzen doch vermutlich ihre Gäste und wollen doch, dass man sich nicht nur einmal in seinem Leben bei Ihnen ein Glas Wein bestellt? Ein Satz akzeptabler Weiß- und Rotweingläser (Bordeaux- und Burgundergläser allerdings, wenn Zweigelt und Pinot Noir angeboten werden), kosten kein Vermögen, bringen den Wein optimal zur Geltung und verwöhnen jeden Gast mit Weinverstand, statt ihn zu beleidigen und in den Bierkonsum der Marke T&T zu treiben.

Die Leberknödelsuppe ist ein gelungenes Entré in dieses Menü. Aber warum serviert man sie uns in vorsintflutlichen Suppentässchen, deren Durchmesser gerade so den Leberknödel fasst?  Die wenigen Löffelchen Brühe - gerne hätte ich davon eine Kelle mehr genossen - sind sauber und ohne Helferlein von Hand gemacht, das Wurzelgemüse hat perfekten Biss und die Leberknödel schmecken ausgezeichnet. Ein schöner großer Suppenteller mit breitem Rand würde dem bekanntlichermaßen stets mitessenden Auge zweifelsohne gut tun und die geschmackliche Qualität dieser Suppe unterstreichen, statt den Eindruck zu trüben.

Mein Zander in Kräuterkruste auf Ratatouille und Petersilienkartoffeln schmeichelt dem Auge, duftet hinreissend und es ist eine Freude dieses Gericht zu verspeisen.

Der Fisch ist zart und auf den Punkt gegart, saftig und keine Spur trocken. Das Ratatouille werde ich später der stets präsenten jungen Dame gegenüber, die uns kompetent und freundlich bedient, loben. Fruchtig, schöne mediterrane Kräuternoten. Das Gemüse mit Biss und nicht verkocht, wie leider allzu oft, wenn Ratatouille serviert wird. Den Kartoffeln fehlt das Salz, jedoch glänzen sie schön buttrig und sind von sehr guter Qualität.

Den buttrigen Glanz meiner Kartoffeln hätte sich meine charmante Begleiterin an ihren Spätzle gewünscht. Die sind zwar zweifellos handgemacht und perfekt im Biss, aber zu wenig gesalzen und eben nicht buttrig. Die Dame ist im Schwabenland zur Welt gekommen und aufgewachsen, da kennt man sich aus mit Spätzle. Ich gebe zu bedenken, dass Butter verhindere, dass die Nudeln die sehr schmackhafte, sahnige Waldpilzsoße aufnähmen. Ist ihr egal: Spätzle hätten einen feinen Butterglanz zu haben, Punkt. Regel 1: Widerspreche nie einer Frau, wenn du den Feiertag weiterhin geniessen willst.

Das Schweinefilet ist sehr schmackhaft gewürzt und perfekt gebraten. Insgesamt ein eher unspektakuläreres, aber grundsolide zubereitetes Gericht - wenn da die lieblose Präsentation nicht wäre. Die Uni-Mensa schafft das ebenso, verzichtet allenfalls auf die anachronistische Deko aus Lollo Rosso mit blasser Tomatenscheibe. Im Hintergrund singt Drafi Deutscher Marmor, Stein und Eisäään briiicht ... Sie passen wie Arsch auf Eimer, die Musik und diese Deko.

Der Beilagensalat ist insgesamt durchwachsen geraten: Das Dressing (mit Apfelmus und Orangensaft, sehr schön!) und der Kartoffelsalat sind hervorragend - die Rote Beete aus dem Glas und die Gewächshaustomaten aus Almeria eine blasse, geschmacklose Zumutung.

Sellerie, Karotten, Kraut ... Es gäbe jede Menge salattauglicher Wintergemüse aus der Region. Weshalb diese halbreifen Nachtschattenfrüchte? Im Plural deswegen, weil sich auch rote Paprika auf dem Tellerchen befand.

Das Dessert schlägt in optischer Darbietung und handwerklicher Qualität alles bisher in diesem Menü Gebotene. Das Lebkuchenparfait und sein warmer Fruchtspiegel mit in Alkohol marinierten Orangenfilets ist eine wunderbare Nachspeise.

Man hätte den Rand des Glastellers (schon wieder grüßen die 80er ...) von Fingerabdrücken mittels eines Tuches befreien können, dann wäre meinerseits gar nichts zu kritisieren gewesen.

Der Espresso zum Finale ist gelungen und der Kräuterlikör ("Oberpfalzer") beschließt dieses in der Tat preiswerte Menü würdig. Wir loben ausdrücklich die Kunst von Franz König in der Küche. Er kocht sauber und ohne Convenience-Mist, was er macht, hat Hand und Fuß. Man würde ihm aber das Entflammen einer frischen Liebe wünschen, dann würde auch genügend Salz an Spätzle und Kartoffeln sein.


Der Mann kann etwas, vor allem liebt er es Desserts zu machen und zu präsentieren. Das spürt, schmeckt und sieht man dem Teller an.

Wenn er sich dazu durchringen könnte, auch Suppe und Hauptgang mit ebendieser Liebe an den Gast zu schicken, der Korea-Wirt würde sich zu einer Pilgerstätte für Menschen mit überdurchschnittlichem kulinarischem Anspruch entwickeln können. Stimmiges, zeitgemäßes Geschirr, gute Weingläser ... Das muss in unseren Augen sein, hier geht es nicht um überflüssige Petitessen, die dem Wirt lediglich Geld kosten - hier spart, ja geizt man an der falschen Stelle!

Der Service, dem der Ruf vorauseilt, wechselhafter Qualität zu sein, war zumindest heute tadellos.

Zum Tadel Anlaß geben uns, wie bereits ausgeführt, die Sauberkeit und Pflege des Ambientes. Auch wären - zumindest an den hohen Feiertagen wie Weihnachten - Tischdecken eine Zier. Eichen-Kunststofffurnier geht unseres Erachstens überhaupt nicht. Auch eine entfaltete Weihnachtsserviette als Alibi-Tischschmuck wirkt lieblos. Lieber nichts als das. Ein Teelicht reißt's nicht raus.

Küche und Service zeigten heute, dass sie ihre Gäste schätzen und verwöhnen wollen - das angeranzte Ambiente, das Geschirr (teilweise) und das mehr als einfache Besteck mit Mensa-Charakter, empfanden wir hingegen als Zumutung. Ein Gastronomiebetrieb sollte zwingend der Erosion seiner Geschäftsausstattung entgegenwirken. Wer nicht beizeiten investiert, verliert. So einfach ist das. Und damit wäre konstruktiv beschrieben, wo wir - rein subjektiv betrachtet - Handlungsbedarf beim Korea-Wirt sehen.

Wir freuen uns auf den Sommer. Dann kommen wir wieder. Auf Schusters Rappen durchs idyllische Otterbachtal. Versprochen.




3 Kommentare:

  1. Zur Suppentasse: in diversen älteren Servierratgebern ist zu lesen, dass eine gebundene Suppe in einem Teller, eine klare Brühe aber in einer Suppentasse zu servieren sei. Insofern hat der Wirt sich an die Etikette gehalten. Zum Schloss Dracula: ein solches gibt es in Transsilvanien, weiland auch Siebenbürgen genannt, nicht. Zwar wird das Schloss Bran bei Kronstadt als solches vermarktet, dies entbehrt jedoch jeder Grundlage.

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  2. Grüß Gott,

    Zur Kritik vom Ambiente pflichte ich bei.
    Essen hervorragend. Allerdings kann ich dem fehlenden Salz und nicht genug buttrig nicht zustimmen. Der Mensch isst heutzutage zu fett & salzig. Abgesehen davon, nachsalzen ist immer möglich.
    Freundliche Grüße Alex

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    1. Hast du von meinem Teller genascht, oder woher weißt du 10 Monate später so genau, wieviel oder wie wenig Salz an meinem Essen war, Alex? ;) Was das Thema Fett angeht, solltest du dein Wissen um gesunde Ernährung ebenso revidieren wie neulich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.

      Robert Bock, auswärts essen regensburg

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