Würdet Ihr diesem Mann eine Flasche Müller-Thurgau abkaufen?
Heute geht es ausnahmsweise mal nicht ums Essen - heute geht es um dessen Begleitung. Um den Müller-Thurgau: Einen
Weißwein, der durch lieblosen, primär auf Quantität, weniger auf Qualität zielenden Umgang in Weinberg und Keller gewaltig an Reputation verloren hat.
Wie: Kein Riesling, kein Burgunder oder Chardonnay? Ausgerechnet um Müller- Thurgau soll sich's drehen?
Muss das wirklich sein ...?
So tief in ihrem Ansehen sind die Weine der von
Hermann Müller-Thurgau aus dem Schweizer Kanton Thurgau 1882 im Rheingau, genauer: in Geisenheim aus
Riesling und
Madeleine Royale gekreuzte Rebsorte gesunken, dass die wenigsten Wein
enthusiasten - zu denen ich mich, anders als zu den Wein
kennern zähle - auch nur eine Augenbraue lüpfen, wenn ihnen ein Gläschen dieses Weines angeboten wird. Im Gegenteil: rasch ziehen viele ihr Degustationsglas zurück, auf dass es nicht versehentlich davon benetzt werde ...
Zechwein in Literflaschen, ausgelobt als
gefällig und
unkompliziert (schlimmer ist nur noch das Versprechen, es handle sich um einen
Terrassenwein); wo anders als unten im Regal des Discounters, sofern man sich dort überhaupt die Mühe gemacht hat, sie aus den bunten Kartons zu holen, ist er zu finden: so malt sich der Wein-Wissende das aus, denkt er an einen typischen "M-Th": Unter vier, was sag ich: unter drei Euro der Liter, ideal gegen abstehende Hemden, weil er so sauer ist, dass es einem die Arschbacken zusammenzieht, und aromatisch niedrigstmöglich dimensioniert. Oder aber halbtrocken, pappig, flach und gerade gut genug, sich einen anstrengenden Arbeitstag ex post halbwegs schön und lebenswert zu trinken.
Warum also ausgerechnet Müller-Thurgau?
von Robert Bock