Foto: Robert Bock |
Verehrte Leserschaft, ich kann versichern: das Gericht schmeckte ebenso hinreissend, wie es sich präsentierte. Auch wenn ich nur kosten durfte, denn Madame hatte sich für dieses Fischgericht entschieden.
Was das ist? Gebratenes Saiblingsfilet aus Passeier auf Kürbis-Lauch-Gemüse und Kartoffel-Rösti mit Rote-Beete-Schaum. 17,30 EUR. Wer da meckert, hat in Lokalen der gehobenen Küche nichts verloren und begeistere sich meinetwegen an löschblattdicken Schnitzeln Wiener Art für die Hälfte, die über den Tellerrand hängen oder Fresse-so-viel-er-kann zum Flat-Rate-Tarif beim Buffet-Chinesen ...
Bodenständig, regional, ehrliche, ausgezeichnete Gerichte aus besten Zutaten, gepflegte heimische Weine und ein herzlicher Umgang mit dem Gast: Das Restaurant Apollonia in Südtirol, im Weiler Sirmian, hoch über dem Tal der Etsch, ist eine unserer Entdeckungen dieses Herbstes 2015.
Auf 930 Meter über dem Meer führt das enge Sträßchen in engen Serpentinen von Nals aus durch Obsthaine und Weingärten (hier oben gedeiht ein exzellenter Weißburgunder) und man meint schier, der Berg nähme kein Ende. Doch dann ist man doch irgendwann angelangt und die Aussicht nimmt einem schier die Luft zum Atmen: Weit schweift der Blick über das Tal der Etsch, über Bozen bis hinüber zu den Dolomiten: zum Rosengarten in seiner ganzen Pracht: Wow!
von Robert Bock
Foto: Robert Bock |
Das gefällt mir, das gefällt Madame, wir werden wiederkommen, das sag ich gleich vorweg. Das Apollonia gehört zu einer überschaubaren Vereinigung Südtiroler Gastronomen, die sich unter gemeinsamem Label "Südtiroler Gasthaus - Locanda Sudtirolese" Erlebnis- und Qualitätsstandards unterworfen haben. Motto: Wo man sich Willkommen fühlt. Von der Website:
"Regionaltypischer kulinarischer Genuss, ungekünstelte Gastfreundschaft und ein feiner Sinn für Tradition: Das sind die Markenzeichen, für die sich der Hoteliers- und Gastwirteverband mit der Initiative „Südtiroler Gasthaus“ stark macht. 30 Traditionsbetriebe im ganzen Land leisten so ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung und Verbreitung einer historisch gewachsenen Gasthauskultur."
Foto: Robert Bock |
Eine freundliche Dame bringt die Speisekarte. Und die liest sich einfach wunderbar. Zwei Stilkonzepte auf je einer Doppelseite. Auf einer jeden der beiden Munition genug für ein schönes Menü, das man sich individuell zusammenstellen (lassen) kann, nach gusto aber auch miteinander mischen. Konkrete Menüs mit oder ohne passender Weinbegleitung suchen wir vergeblich. Ich mag solche Menüs, lassen diese doch Rücksschlüsse auf Kreativität und Struktur des Denkens eines Koches und des Sommeliers zu.
Ein Blick auf beide Karten (Draufklicken zum Vergrößern):
"Südtiroler Gasthausküche" bietet regionale Klassiker, teils traditionell, teils modern interpretiert:
Foto: Robert Bock |
"Apollonia Küche" offeriert ein buntes Bild aus italienischer bis österreichischer Küche, trotz allem mit klar erkennbaren regionalen Touch:
Foto: Robert Bock |
Sehr lobenswert finden wir die konkreten Informationen über die Lieferanten der Produkte, die im Apollonia verwendet werden. Schade, dass man Vergleichbares bei uns so selten sieht:
Foto: Robert Bock |
Foto: Robert Bock |
Wir ordern einen Liter unseres heißgeliebten Meraner Wassers, Madame - was sonst? - einen Riesling, ich einen Lagrein, eine rote autochtone Südtiroler Rebsorte: Tiefrote Farbe, violette Reflexe. Fruchtig, samtene Tanine, bauchiger Körper. Dunkle Beeren in der Nase und am Gaumen, dazu ein Hauch von Tabak, Lakritz und trockenem Herbstlaub. Ich fürchte fast, ich hab die richtige Wahl zu Vor- und Hauptspeise getroffen!
Die Weinkarte: Vorzüglich! Weit überwiegend handverlesene Südtiroler Weine, ein paar Italiener mit Mumm komplettieren sinnvoll dort, wo Südtirols Weinangebot aus geographischen, geologischen und/oder klimatischen Gründen lückenhaft bleiben muss.
Foto: Robert Bock |
Die Kaspressknödel wurden erst in Butter angebraten, dann zogen sie im Wasser gar. Sie sind wunderbar fluffig, trotzdem beißt man nicht auf Luft und der Käse breitet sich im Mund gar wohlig aus ... schade, dass es nur zwei sind. Nette Garnitur: eine bicolore hauchfeine Scheibe einer Rüben- oder Rettich"frucht" und ein gerösteter Walnussbrotchip.
Das Gemüse entfaltet Aromen, die ich von Gemüsegerichten und Beilagen in dieser Dichte und Explosion auf der Zunge nicht gewohnt bin. Diese Erfahrung wird sich gottlob durch alle Gemüsebeilagen unserer Gerichte ziehen: Die Küche geht in herausragender Weise mit dem Thema Gemüse um. Alleine deswegen lohnt sich die Anreise: Liegt es an der grundlegenden Qualität der Rohstoffe? Klar: Was a priori nicht drin ist, kann man dem Lebensmittel schwer entlocken; oder liegt es an ausgefeilten Gartechniken und Liebe im Umgang mit den Produkten? Ich vermute an einer Mischung dieser Faktoren.
Foto: Robert Bock |
Madame meint: Ausgezeichnet! Oh, die waren lecker! Ich durfte probieren und ich jammere auf hohem Niveau: mir war die Pasta ein Spur zu kurz im Wasser. 30 Sekunden vielleicht ... Der eine mags so, der andere anders. Wie gesagt: Jammern auf hohem Niveau - höher als 930 Meter über dem Meer. Madame lobt ferner explizit den großzügigen Umgang der Küche mit Butter - das läßt die Teigtaschen extrem geschmeidig abwärts rutschen ...
Foto: Robert Bock |
Das Fleisch ist butterbutterzart und herrlich aromatisch. Da schmeckt man die Wiese und die Kräuter, die die Rinder futtern, das ist Fleisch in Champignons-League-Qualität. Das Gemüse (Gelbe Rüben und Karotten, Stangen- und Knollensellerie, Petersielienwurzel, Kartoffeln) und diese sämige, buttrige Kartoffelsauce: Ohne Worte - einfach nur schlichte Großartigkeit auf diesem unscheinbar anmutenden Teller für 16,40 EUR. Chapeau!
Foto: Robert Bock |
Foto: Robert Bock |
Madame steht der Sinn nach Desservariationen vom Südtiroler Apfel ((8,50 EUR): Apfelkuchen mit herrlich buttrigem Mürbteig, Apfelsorbet, Mascarpone-Joghurt-Creme mit einem Hauch Zitronenabrieb und exzellentem Apfelmus als Haube, Apfelkücherl mit Vanillesauce. Letzteres habe Madame so ausgezeichnet noch nirgendwo gegessen, sagt sie. Den Apfelchip solle ich nicht unterschlagen, der sei sehr aromatisch gewesen.
Foto: Robert Bock |
Noch zwei Espressi zu fairen je 1,30 EUR und wir sind rundum zufrieden. Ich werde niemals müde werden, Gastronomen, die für die kleine schwarze Peitsche mehr als 1,50 EUR verlangen, gnadenlos der Abzocke zu bezichtigen, versprochen.
Wir bezahlen (ohne Trinkgeld) 87,20 EUR - für drei allesamt gelungene, Gänge mit allenfalls minimalem Verbesserungspotenzial, hochqualitativen, regionalen Zutaten, Wasser, Wein und Kaffee. Herausragend fanden wir die Kompetenz im Umgang mit Gemüsen. Mit Gewürzen wird bedacht und behutsam umgegangen, der Eigengeschmack der Zutaten auf ein Maximum herausgekitzelt: Hier arbeiten Könner!
Kleine Kritikpunkte: Wir hätten uns in einem Lokal dieser Kategorie über einen "Gruß aus der Küche" gefreut. Der Service war nach Übergabe der Speisekarten zu lange abgetaucht. Die Toiletten waren sehr sauber, allerdings wäre eine grundlegende Renovierung auf modernes Niveau ratsam: Die Diskrepanz zum Stil des Gastraums ist zu deutlich. Nach geschätzen 40 Jahren wird es hierfür wieder mal Zeit ... Irgendwas ist halt immer ...
Was in Südtirol keineswegs selbstverständlich ist: Hier stimmt unter dem Strich die Relation von Preis und Leistung. Hier haben wir uns wohl gefühlt und wurden in angenehmer Atmosphäre freundlich und gut bewirtet. Der Aral-Schlemmer-Atlas bewertet das Apollonia mit zwei Kochlöffelkreuzen, im Gault Millaut ist man unseres Erachtens noch grob unterbewertet.
Wir sprechen eine uneingeschränkte Empfehlung aus und werden gerne wiederkommen.
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