Freitag, 15. März 2019

Lin braucht Glück

Jeder mag von All-you-can-eat-Konzepten halten was er mag, aber ab und zu verspüre ich Lust, mir bei einem Buffet-Asiaten gepflegt die Wampe vollzuschlagen und mich dabei am Publikum zu delektieren.

Ich kenne die "Mutter aller Schlachten" dieser Spielart zeitgenössischer Gastronomie in Ulan Bataar aus eigener Anschauung - nach wie vor ist sie meine Referenz in Sachen sogenannten Mongolian Babecues.

Im Großraum Regensburg lasse ich lediglich zwei Buffet-Tempel etwas gelten, obschon jeweils nicht ohne Einschränkungen: Ogawa in Regensburg und Palasia in Obertraubling.

Doch jüngst hat, als gäbe es nicht schon überreichlich viele dieser Gourmand-Oasen, ein neuer Laden aufgemacht. Der größte seiner Art sogar im Raum Regensburg: Lin im Glück heißt er und setzt mit seinem All-you-can-eat-AND-DRINK-Ansatz neue Duftmarken im hartumkämpften Markt. Ob sich die Mitbewerber fürchten müssen? Ich habe vorbeigeschaut ...
von Robert Bock

Dass das Lin im Glück überhaupt je eröffnen würde, hatten viele Buffet-Fans schon bezweifelt. Ursprünglich sollte es Lin IN Glück heißen, bis jemand die Betreiber auf das schlechte Deutsch hinwies. Blöd gelaufen, dass da das Geschirr schon bedruckt war ... Shit happens.

Für November 2018 war der Start im Oktober angekündigt worden, dann hieß es "vor Weihnachten" - ganz bestimmt! Großes Ehrenwort!
Dann Funkstille.
Dann wurde es Januar, das Lin im Glück hatte noch nicht eröffnet und auf der Facebookseite amüsierte sich das ungeduldige Volk, mich eingeschlossen, in allen Farben des Humors, so bunt und schillernd wie die übliche Deko solcher Lokale.

Dann kommt der 7. Februar und plötzlich heißt es: Wir haben eröffnet! Sushi | Wok | Teppanyaki. Alkoholfreie Getränke in der Flatrate inbegriffen!

Erste Anfragen aus dem Kreise meiner Leserschaft trudeln ein, ob ich denn vorhätte, den neuen "Chinesen" zu besuchen und darüber zu berichten ...  Zwei Wochen nach Eröffnung zeichnet sich ab, dass der riesige Schuppen Auslastungsprobleme zu haben scheint: Die Preise werden gesenkt, die Begründung, man habe günstigere Lieferanten aufgetan, klingt in meinen Ohren fadenscheinig. Auf 22,90€ fürs (O-Ton) "Große asiatische Erlebnis-Buffet & BBQ-Grill" inklusive alkoholfreier Getränke belief sich am Tag meines Besuchs der Tarif. Damit liegt man rund fünf bis sechs Euro über den Preisen der Konkurrenz, die allerdings die alkoholfreien Getränke extra berechnet.

Im ehemaligen Selgro-Großmarkt in der Straubinger Straße 77 in Regensburg hat man sich auf 1150 qm einquartiert. 200qm Buffet, 400 Sitzplätze. Den Charme der vormaligen Nutzung der Immobilie als Lebensmittelgroßmarkt haben die umfangreichen Umbaumaßnahmen leider nicht beseitigt.

Kühl, grell beleuchtet und pastelltonkitschig präsentiert sich das Lin im Glück. Eine Atmosphäre, wie ich sie vergleichbar in Großraumrestaurants in Peking erlebt habe. Hat mir weder dort, noch hier gefallen. Dabei hatte die Facebookseite am 6. Oktober 2018 folgendes versprochen: "Wir laden Euch ein, uns in unseren warmen, in stimmungsvolles Licht getauchten Räumlichkeiten, zu besuchen."

Womöglich ist mein Geschmack eigen, aber so warm und stimmungsvoll wie das Licht im Lin im Glück, stelle ich mir allenfalls das Licht einer Supernova vor, kurz bevor der Stern sich selbst vernichtet hat ...

Mir persönlich verschafft Wartesaal-Atmosphäre kein heimeliges Gefühl. Sogar auf chinesisches Hintergrundmusikgedudel verzichtet Lin (zum Glück?). Um sich die GEMA-Gebühren zu sparen? Personal, vornehmlich osteuropäischer Herkunft, tritt nur auf, um Teller abzutragen und dem Gast in Auftrag gegebene Teppanyaki-Teller zu bringen. Das allerdings mit wachem Blick und zügig.  

Kassiert wird nicht am Tisch, sondern vom Chef persönlich am Ausgang des Lokals an einer Kasse. Kein Pflaumenwein aufs Haus, wohl aber ein Glückskeks. Dass nach Feierabend das Personal das Trinkgeld vereinnahmt und dieses nicht als "steuer- und sozialabgabenfrei behandelte Umsatzkomponente" in den Säckel des Betreibers wandert, davon gehe ich stillschweigend aus.

Ein Vorgeschmack auf künftige Gastro-Standards in Zeiten des Personalmangels? Der Boden glänzt, ist robust und leicht zu reinigen, die Tische ebenso. Ich wähne mich in einer konsequent auf Wirtschaftlichkeit getrimmten Massenverköstigungs-Maschine, marginal erlebnisorientierter als eine durchschnittliche Werkskantine. Was wohl ein Effizienzfanatiker wie der alte Henry Ford vom Lin im Glück gehalten hätte ...?


Das Lokal ist höchstens zur Hälfte gefüllt. Draußen belegen auffällig viele Pick-Ups und andere individualisierte Egoprothesen den Parkplatz. Ferner viele schwarze Mercedes mit Kennzeichen, die mit R-US beginnen.
Weite Teile des Publikums des heutigen Abends - Männlein wie Weiblein - wirken auf mich persönlich, als verbrächten sie ihre Freizeit überwiegend an Spielekonsolen, in Tattoostudios und/oder Bordellen. Zukunftsvorsorge dürfte sich aufs Lottospiel und Sportwetten beschränken und was vom Arbeitslohn für private Altersvorsorge noch übrig ist, wird in Lokalen wie diesem verfressen.

Wer Jogginghosen trägt, habe die Kontrolle über sein Leben verloren, stellte der jüngst verstorbene Karl Lagerfeld einst fest. Mit ihm gemeinsam hätte ich gerne einmal ein Lokal wie dieses besucht. Was er wohl zu Latex-Leggings und Jeggings gesagt hätte, über deren Bund die Lovehandles quellen wie überkochender Griesbrei? Jogginghosen, Muscleshirts und Baseballkappen prägen den Style des Abends. Selbstverständlich legt kaum einer der "Herren" seine Kappe beim Essen ab. Weshalb? Schämt man sich etwa seiner stylischen Schiffschaukelbremserfrisur ...? In jeder freien Sekunde gaffen manche in ihr Wischkästla: Sie  texten mehr, als sich miteinander zu unterhalten.



Ungewöhnlich häufig nehme ich ostdeutsche Dialekte wahr. In Buffet-Tempeln keimt - im Unterschied zu sogenannten "feinen Lokalen" - keine Schwellenangst; hier bleibt man von diesem dumpfen Gefühl im Leben zu kurz zu kommen verschont, das der Sozialismus im kollektiven Gedächtnis seiner Opfer und deren Nachkommen verankert hat. Diesem Gefühl - und nichts anderem, fürchte ich - haben wir Deutschen die Wiedervereinigung zu verdanken: der damals sehrenden Sehnsucht nach Säx-Schobs, Gölf Ge-De-Iis und Fideeoräggordern.

Wie bei der Konkurrenz auch, laden sich viele Gäste die Teller bevorzugt mit mutmaßlich teuren Garnelen voll. So voll, dass sie sie gerade noch unfallfrei an ihren Tisch bugsieren können. Faulheit, weil man sich einen zweiten Weg ersparen will, oder, ja: die angesprochene Angst, zu kurz zu kommen? Am Spezi-Zapfhahn Hochbetrieb, wie nicht anders zu erwarten: Konsequente Verfolgung des Prinzips der maximalen Schädigung des Wirts.

In summa nehme ich persönlich wahr: ein Hochamt des schlechten Modegeschmacks und öffentlicher Leugnung der Relevanz guter Manieren: ein Dorado für teilnehmend beobachtende Misanthropen und Dystopisten.

Genug am Publikum delektiert ... Auch wenn die Gäste eines Restaurants, also dessen erfolgreich erreichte Zielgruppe, Teil des Gesamterlebens eines Lokalbesuchs sind (und damit nicht unerheblich fürs subjektive Wohlbefinden dort): Unterm Strich ist dem Kritiker anzuraten, den Blick in erster Linie auf seine(n) Teller zu richten.

Ich habe mich, eines ersten, umfassenden Eindrucks willen, wie Raupe Nimmersatt querbeet durchs Buffet gefressen; Ausschau haltend nach kulinarischen Alleinstellungsmerkmalen (USP) und der Konkurrenz etwaig überlegener Garkunst.

Das Thema Unique Selling Proposition des Lin im Glück ist rasch abgehandelt: Vietnamesische (kalte, rohe) Frühlingsrollen (das geht um Klassen besser!), portugiesische Pastéis de Nata, schwarzes Sesam-Eis (Industrieware), eine ansehnliche Gummibärchenauswahl (brauchts des?) und ein gut sortierter SB-Kühlschrank mit exotischen Fruchtsaftgetränken (Lychee, Guave, Maracuja, Aloe Vera u.w.m.). Nein, sorry, kein Schokobrunnen. Das wird viele kleine und große Kinder enttäuschen.

Die Auswahl der Zutaten für den Teppanyaki-Grill ist - vor allem in der Sparte Pilze/Gemüse - kleiner als anderswo. Mich enttäuscht das völlige Fehlen frischer Kräuter (Koriander, Zitronengras, ...) als optionale Zutaten.

Der Mann am Grill beherrscht sein Handwerk und geht zurückhaltend mit dem Glutamatsteuer um. An die Qualität bei Ogawa und Palasia reicht seine Kunst trotzdem nicht heran, weil es den Speisen an Röstaromen mangelt. Zu wenig Hitze unterm Grill?

Beim Obertraublinger Mitbewerber Palasia weiß ich zu schätzen, dass jeder Teller vom Grill mit einem halben Scheibchen Zitrone serviert wird. An rundender Säure fehlt es asiatischem Essen leider zu oft - so auch hier bei Lin.

"Wok" ist explizit angekündigt - darauf habe ich mich gefreut: Richtige chinesische Woks mit Flammenwerfer zum Glühen gebracht, in sekundenschnelle pfannengerührt gegartes Essen: Wer's aus Asien kennt, weiß, das kannst du so daheim an einem normalen Herd nicht nachvollziehen ...  

Doch von einer Wok-Station fehlt jede Spur?! Ich erkundige mich beim Serviepersonal. Man erklärt mir, dass das gängige Einerlei, ja genau: das bei jedem Buffet-Asiaten übliche und sich kaum unterscheidende Sammelsurium an warmgehaltenen Speisen der "Wok" seien. Ahso?! Für mich ein Etikettenschwindel. Wer "Wok" und "Erlebnisbuffet" auslobt, muss meines Erachtens live mit richtigen Woks als Alternative zum Teppanyaki-Grill kochen! 

Die Auswahl, Qualität und Machart der Sushi sind, gemessen am Niveau der Konkurrenz, unterdurchschnittlich. Quaderförmige Reisbatzen mit rohem Fisch, üppiger Einsatz billiger, gepresster Meeresfrüchteabfälle (Surimi genanntes Krebsfleischimitat). Röstzwiebeln und dicke Sesamschichten als Belag (unschlagbar billig!) habe ich so noch nicht gesehen. Wenigstens wirken die Zutaten frisch.

Wer sich an diesem Abend einen "Russenteller" am "Wok-Buffet" vollschlichtet, tut gut daran zu überprüfen, ob der Darm der Garnelen vor dem Garen entfernt wurde.

Womöglich hatte ich nur Pech, aber in meinem Fall war das leider nur ausnahmsweise der Fall.

Zwar ist der Rückenpanzer der Tierchen vor dem Garen aufgeschnitten worden, aber den Sinn dieser Übung hat dem Personal offenbar niemand erklärt.

Es mag sein, dass es Menschen gibt, die für ihr Leben gern Garnelenscheiße essen oder Freude daran finden, diese vor dem Verzehr der Garnele herauskratzen - ich nicht!

Das sogenannte "Wok-Buffet" ist meiner Meinung nach weder umfangreicher noch qualitativ besser als anderswo, viele Speisen schmecken obendrein übersalzen, die obligatorische "knusprige Ente" ist furztrocken und wird am Buffet nur schleppend wieder nachgefüllt.

Passabel für mich einzig: Shrimps mit Stangensellerie - sehr subtil gewürzt und schlicht. Trotzdem: Des Wok-Buffets wegen, muss man bei Lin sein Glück nicht strapazieren.

Mir bleiben unterm Strich drei Positiva in Erinnerung: 1. Sehr schöne, dicke Lammkoteletts, am Grill kompetent und auf den Punkt gebraten. 2. Portugiesische Pastéis de Nata (nicht so gut wie das Original, aber immerhin! (Was diese beim Asiaten zu suchen haben, ist eine andere Frage). 3. Schwarzes Sesameis und dazu Aloe-Vera-Saft: Eine zugegeben verwegene Kombination, die ich Mutigen jedoch zur Nachahmung empfehle.

Fazit: Der Reiz des Neuen wird irgendwann verflogen sein. Ob das an diesem Abend Gebotene reichen wird für Lin im Glück, sich im Wettbewerbsumfeld zu behaupten? Lin wird Glück brauchen, da die Leistung, wie ich persönlich sie in dieser Momentaufnahme erlebt habe, zu Zuversicht keinen greifbaren Anlaß gibt. Es gibt meiner Ansicht nach gewaltiges Verbesserungspotenzial. Ich wünsche den Betreibern, dass es ihnen gelingt, die Stellschrauben zielführend nachzujustieren.

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