Montag, 12. Oktober 2015

Madame entdeckt die Langsamkeit: Im Nagaya in Düsseldorf



Zum ersten Mal führt mich eine Geschäftsreise nach Düsseldorf. In einer Reportage vor langer Zeit habe ich erfahren, dass dort viele Japaner leben und das Stadtbild prägen: Läden, Unternehmen, Restaurants… Und so entschied ich mich die Gelegenheit zu nutzen eine gute japanische Küche zu genießen und ein paar Wörter Japanisch zu sprechen.

Doch wohin? Das Internet spuckt eine Reihe von Tipps und alle sagen mir nichts… Die Wahl fiel auf Nagaya in der Klosterstraße 42, zentral im Düsseldorfer Japantown auch "Nippon am Rhein" genannt. Das Nagaya ist laut deren Facebook-Seite dekoriert mit einem Stern im Guide Michelin und 16-Gault-Millau-Punkten. 

Ein sehr freundlicher Herr nahm meine telephonische Reservierung entgegen und meine Vorfreude auf den Abend stieg.

Begrüßt wurde ich vor Ort von einem aufmerksamen, freundlichen Herrn, der mir aus dem Mantel geholfen und ihn zur Garderobe gebracht hat. Danach begleitete mich der Ober zum Tisch. Der erste Eindruck vom Interieur ist positiv: schlicht, klare Farben, ein wenig Bambus, ein Bild an der Wand ...
von "Madame"

Der Tisch ist ebenso schlicht gedeckt – Decke, kleine Blumenvase, Kerze. Die Stäbchenbank ist ein formschönes Pflanzenblatt. Der Tisch ermöglichte den Blick auf das Personal hinter der Theke und deren Vorbereitung der Speisen. Es ging erstaunlich entspannt zu, keine Hektik, kein lautes Wort.

Hätten Sie gerne ein Glas Champagner? - Nein, danke.
Möchten Sie ein Glas Wein? - Ja, gerne. Was würden Sie mir empfehlen?
Die Auswahl bestand zwischen Riesling von der Nahe, Weingut Weber, 2014 (8€) und Chardonnay (die Zusatzinformationen habe ich mir leider nicht gemerkt).
Leider befand es der Ober nicht für notwendig, mir als allein speisende Dame eine ordentliche Weinkarte zu präsentieren. Offenbar sind nur Männer in der Lage eine kompetente Weinauswahl zu treffen. Irgendwas ist immer...

Riesling oder Chardonnay? Was für eine Frage: Natürlich Riesling! Der Wein entsprach den Erwartungen: vollmundig, typische Säure, duftend nach Holunderblüten, außerdem gut gekühlt und in schönem Glas serviert. Eine kleine Flasche stillen Wassers, die auf einem eisernen Untersetzter gestellt wurde, rundete die erste Runde ab.

Wenige Sekunden später kam ein zweiter Ober und brachte die Menükarte. Das aktuelle Menü heißt OMAKASE und besteht aus 10 Gängen. Dies erschien mir zu üppig. Meine Frage bzgl. einer kurzen Variante des Menüs wurde bejaht und so einigten wir uns darauf (139€). Der freundliche Herr wies darauf hin, dass ich Zeit und Appetit benötigen werde. Nun, das ist ja überhaupt kein Problem. Im Nachhinein bereute ich die verkürzte Version, aber dazu später…
Er bat mich das Menü aufmerksam durchzulesen und fragte ob eine Allergie gegen ein bestimmtes Lebensmittel bestehe oder ich etwas nicht möge. - Nein.

Nach kurzer Wartezeit kamen die ersten Kunstwerke … Gänsestopfleberterrine-Rolle umwickelt in rote Bete und Puderzucker. Der Ober erzählte einiges zu jeder Speise, leider konnte ich mir nicht alles merken. Was kann man dazu sagen? Eine Explosion des Geschmacks im Mund – konzentriert, unverfälscht und ungewohnt. Ein Gedicht. Hmmm…das ist ja erst der Anfang.

Die Verzehrreihenfolge der Speisen wurde mir wärmstens vom aufmerksamen Ober empfohlen.
Thunfischtatar mit Caviar präsentiert in einer Art was? Holz? Knochen?
Wagyu-Bresaola Kartoffelchip – Eine Sensation! Die Creme umhüllt von knuspriger dünner Kartoffelschicht. Sehr gelungen. Dafür hätte ich die Gänsestopfleberterrine stehen lassen…

Als nächstes brachte der Ober eine schwarze Bento-Box. Mehr Understatement geht nicht! Sobald der Deckel aufging, wurden Neugierige mit einer beachtlichen Auswahl an kleinen Schweinereien belohnt:
Gamba und Feige mit Sesamsause, geräucherter Lachs und Knobu-Meeresalge, Japanisches Omelett mit gegrilltem Aal und Schwarzwurzel mit Kabayaki-Sauce, Shrimp-Tempura, Schneekraben und Lotoswurzel, geschmortes Wagyu-Wangenfleisch im Petersilien-Mantel. Jedes ist sehr gelungen. Nagaya-san hat den Geschmack jeder verwendeten Zutat mit Perfektion zum Ausdruck gebracht. Mein Favorit war das geschmorte Wagyu-Wangenfleisch im Petersilien-Mantel – Sowohl die Konsistenz als auch Geschmack haben hier am meisten überrascht.
Der Ober erwähnte, dass er es noch nicht selber probiert hätte. Schade für ihn ...

Der nächste Gang ist gegrillter Porree und Huelva Carabinero. Das Innere des Porree solle ich unbedingt probieren lautete die Empfehlung. Oh ja, außen verbrannt und innen weich.

Das nächste Gericht hat keinen Namen, vergessen … Es kam auf einem Teller mit Trockeneis. Schnickschnack.

Anschließend kam ein Sushi-Gang:

4 Empfehlungen von Yoshizumi Nagaya mit sehr scharfem Ingwer und Wasabi präsentiert auf kleinem Holzbrett. Separat stellte der Ober ein Schälchen Soja-Soße. Nagaya-san ist es gelungen Wasabi gleichzeitig scharf und süß abzuschmecken. Hervorragend. Empfehlung des Obers von rechts nach links zu essen. Der Fettgehalt der Fische nehme zu. Das habe ich nicht gemerkt - bin ich so abgestumpft ...?

Die Wartezeit verkürzte ich mir mit dem Beobachten anderer Gäste und musste schmunzeln, dass es ihnen genauso wie mir erging – Erstaunen und Freude bei jedem Gang.


Der Hauptgang: Holländisches Wagyu-Rind mit Buchweizen-Crispi, Rucola und Sonstigem dazu eine gefüllte Rolle. Leider weiß ich nicht mehr was sich unter der Rolle befand. Das Schwarze ist aus Olive. Wie wurde es hergestellt? Getrocknet? Das Spiel der Konsistenz und des Geschmacks ist schier unmöglich in Worte zu fassen. Das Fleisch war sehr zart; die Jus sehr geschmackvoll. Buchweizen? Nun das kenne ich aus der russischen Küche. Nach dem ersten Probieren steht das Urteil: Nein, das kenne ich nicht aus der russischen Küche. Wie nur brachte Nagaya-san die Aromen dieses Knöterichgewächs zur Entfaltung? Knusprig, aromatisch, lecker.

Birne und Schokoladeneis. Birne, naja … damit kann man mich selten bis gar nicht begeistern. Im Nagaya wurde ich eines Besseren belehrt. Es bleibt wohl ein Geheimnis von Nagaya-san wie er diesem langweiligen, unscheinbaren Obst seine Aromen abgewinnt und diese so verarbeitet, dass man sich im Himmel wähnt…

Das Schokoladeneis hat mich nicht umgehauen; das Birnen-Praliné umso mehr – halbflüssige Birnenfüllung umhüllt von schwarzer Schokolade… HAMMER!!! Einen intensiveren Geschmack habe ich selten erlebt.
Als ich fertig war kam der Ober und bat mich die Folie doch noch zu probieren. Danke für Ihre Empfehlung! Diese sogenannte „Folie“ dekoriert mit Minz-Blättern war der Hit und schmeckte leicht zitronig und nicht nur süß.

Erst danach fiel mir ein, dass ich zum Dessert gerne einen Dessertwein trinken würde. Der Ober meinte, er hätte etwas Besseres als einen klassischen Dessertwein und empfiehl mir einen Sake-Pflaumen-Wein (18€). Es wäre aus Japan importiert und sei eine Seltenheit in Deutschland. Angeblich hat es Herr Obama auch probiert. Darauf meinte ich nur, hoffentlich habe es ihm genauso gemundet wie mir. Dieser war vortrefflich, jedoch würde ich es nicht zu einem Dessert genießen. Der Pflaumen-Geschmack ist zu intensiv und übertönt die feinen Aromen eines Desserts.

Das Süße Finale zum Schluss bestand aus vier unterschiedlichen Süßteilchen. Eine Reihenfolge wurde nicht empfohlen. 

Als erstes ein Macaron – Etwas schokoladig und recht gut. Ich mag keine Macarons, diese war jedoch sehr schmackhaft. Die Schokoladenfüllung erinnerte an Mousse au chocolat und schmolz buchstäblich im Munde. Gewürze? Vielleicht Kardamom, vielleicht Nelken?



Das zweite Teilchen war eine Biskuit ähnliche Rolle mit Matcha, die dem Ganzen grünliche Farbe gegeben hat. Leicht süßlich hat es geschmeckt, die säuerliche Marmelade hat hervorragend zu der Rolle gepasst. 

Erdbeer-Weiße Schokolade-Praliné – Cremige Füllung, knusprige erdbeerige Streusel auf der weißen Schokolade. Sehr gelungen.

Und zuallerletzt das Schokoladen Praliné – Das hat nicht zum "Süßen Finale" gepasst. Die Schokolade meines Praliné schmeckte leicht ranzig. Schade. Vor allem hielt der Vergleich zu Birnen-Praliné nicht stand. Das wäre ein angemessenes Süßes Finale.

Frau Nagaya hat nachgefragt, ob sie mir ein Taxi rufen solle. - Ja, sehr gerne.

Fazit: Es war mir eine Freude in Nagaya mein Abendessen zu genießen und vieles Neues zu entdecken. Eine klare Empfehlung für einen weiteren Besuch. Nächstes Mal würde ich keine kurze Version des Abendmenüs nehmen. Die hochwertigen Zutaten, die Kunst der Verarbeitung und Darstellung machten mich neugierig auf die ausgefallenen Gänge. Zu sehr hätte ich sie gesehen und geschmeckt. Kleine Punktabzüge gibt es für das Schokoladen-Praliné, für die für unnötig befundene Weinkarte und die unterlassene Nachfrage bzgl. eines Dessertweins, eines Kaffees oder eines Digestifs.

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