Freitag, 15. September 2017

Früher war zwar nicht alles besser, das Frühstück im Goldenen Kreuz schon



Wer lang genug auf der Welt ist, um das - ja, man muss es so sagen - legendäre Frühstück im Goldenen Kreuz am Haidplatz aus den 1990er und Nuller-Jahren des 21. Jahrunderts noch zu kennen, erschrickt womöglich dieser Tage, bestellt er sich, wie ich nostalgisch gestimmt, den Klassiker des dortigen Frühstücksangebots.

Als ich zu Studentenzeiten noch in der Innenstadt wohnte, suchte ich das Goldene Kreuz an Wochenenden gerne auf. Fünf Deutsche Mark für einen Teller mit Wurst, Schinken, Käse, Honig und Marmelade nebst einem Haferl Kaffee. Kein kleines, kein großes Früchstück - genau richtig für meinen Geschmack. Der runde Preis war damals unschlagbar und für den schmalen Studentengeldbeutel Luxus, den ich mir - Sommers wie Winters - gelegentlich gönnte.
von Robert Bock

Heuer trieb es mich an einem Sonntagmorgen im Juli nach längerer Zeit wieder einmal auf Schusters Rappen mit dem Fotoapparat  durch die Altstadt. Ich mag es einer Stadt beim Aufwachen zuzuschauen ...

Kein Lieferverkehr, keine Radelrambos, keine Touristentrauben. Lange Schatten, die gen Westen fallen. Sommer in der Stadt ...


Ich strolche vorbei an Spitalgarten und Alter Linde längs der Donauauen westwärts, quere am Paffensteiner Wehr den großen Strom und erfreue mich der Rosenpracht im Herzogspark ...

Schade, dass der Turm verschlossen ist. Früher konnte man ungehindert hoch droben die Aussicht genießen.

Irgendwann erreiche ich den Haidplatz. Vor dem Goldenen Kreuz sitzen erste versprengte Frühaufsteher. Platz ist reichlich und ich setze mich dazu, studiere die Karte mit den Frühstücksangeboten ...

Tatsächlich, das "Kreuzfrühstück I" gibt es noch! 5,70 EUR kostet es mittlerweile, ansonsten liest sich die Beschreibung wie in der "guten alten Zeit".

Was die slapstickhafte Unerfahrenheit des Servicepersonals betrifft, hat sich in den zurückliegenden mindestens 25 Jahren, in denen ich hier als Gast Erfahrung sammeln darf, nichts, aber auch gar nichts geändert. Die junge Frau war bei meinem ersten Besuch hier noch nicht auf der Welt. Sie flippert zwischen den nach wie vor zu eng gestellten Tischen hin und her, als ginge es um ein Freispiel. Auf die Reihe bringt sie kaum etwas korrekt. Sie tut mir leid, die Arme, vermutlich ist es ihr Premierentag und dann gleich drei Tische gleichzeitig zu bedienen ... Jede Tasse Kaffee trägt sie einzeln aus dem Bauch des Lokals. Woran es wohl liegen mag, dass das Goldene Kreuz in der Lage ist, solche Traditionen über die Jahrzehnte zu retten ...?

Zwei Tischchen weiter kämpft ein wackerer Schwabe gegen die heimlichen Herren des Haidplatzes: Wespen im Fressrausch. Die Raubinsekten haben's auf sein Marmeladensemmerl abgesehen. Er flüchtet sich ins Innere. Die Schwaben von heute scheinen auch nicht mehr so tapfer zu sein, wie sie sich einstmals wähnten ... Angesichts der wildentschlossenen Agressivität dieser Haidplatzwespen schwant aber auch mir Ungemach ...

Mein Frühstück naht! Doch was ist das ..!? Ich erinnere mich genau, zu oft habe ich hier über die Jahre das "Kreuzfrühstück I" geordert: Früher fand sich auf dem Teller eine Scheibe wirklich guten, luftgetrockneten Schinkens, ein Radl hervorragender Kalbslleberwurst, ein Scheibchen qualitativ hochwertigen Hartkäses oder Camemberts, eine Scheibe Spianata Romana und zwei Glasschälchen, gefüllt mit Marmelade und Honig.

Jetzt finde ich auf dem Teller einen penetrant übersalzenen Rohschinken, furztrockene Putenbrust, eine Scheibe sehr einfachen Käses von der Meterstange (Allgäu-Edamer?), eine Scheibe Salami von Discounterqualität, in Plastik verpackte Marmelade und Honig nebst einer winzigen, abgepackten Butter. Mir scheint, das Thema Nachhaltigkeit wird hier mittlerweile konterrevolutionär gehandhabt und Qualität vom Verbum "quälen" abgeleitet.

Der Filterkaffee ist von mir vertrauter, guter Qualität, das Baguette ist, wie früher schon, immer um eine Scheibe zu klein - ansonsten ist die Qualität der Frühstückskomponenten massiv verflacht. Schade eigentlich. Die Wespen fanden es super. Ich weniger, zumal ich mich nach 10 Minuten vergeblichen Wartens aufs Bezahlen ins Innere begab, um dem Insektenangriff endlich fliehen zu dürfen, ohne mich der Zechprellerei bezichtigen lassen zu müssen.

Qualität sei, wenn der Kunde wiederkomme und nicht das Produkt, lautet eine alte Management-Maxime. Es war mein letztes Frühstück hier. So enttäuscht hat mich ein hiesiges Lokal schon lange nicht mehr. Wenn ich mich am Thema "Verfall einstmals großer Namen" delektieren wollte, griffe ich lieber zu den Buddenbrooks.

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