Samstag, 28. Oktober 2017

Im Höhenhof zum Schützenwirt in Oberhinkofen

Luftlinie genommen ziemlich genau mittig zwischen Bad Abbach und Obertraubling, residiert seit 2006 am nördlichen Rand des alten Standortübungsplatzes von Oberhinkofen, versteckt im Wald und integriert in den Komplex eines Schützenheims, ein Restaurant mit ambitionierter Speisekarte, das im Raum Regensburg auf viele Freunde und Stammgäste verweisen kann: Der Höhenhof zum Schützenwirt, den Thomas und Alexandra Daxl mit ihrer Familie bewirtschaften. Neben dem Restaurant, von dem alleine ich heute berichte, bieten sie mit ihren zahlreichen Angestellten auch  Catering für Hochzeiten und Events aller Art an.

Warum ich dort bislang noch nie eingekehrt bin, frage ich mich selbst. Meine charmante Begleiterin hat das Lokal vorgeschlagen, an einem Sonntagmittag dort für uns kurzfristig für 11:30 Uhr reserviert und ich halte das für eine sehr gute Idee. Die frühe Stunde sei die einzige Chance gewesen, sagt sie, überhaupt noch zwei Plätze zu ergattern! Im Regelfall ein sicheres Indiz, dass man in einem Lokal nicht mit Enttäuschungen zu rechnen braucht ...
von Robert Bock

Es kursieren die wildesten Geschichten von Menschen, die sich auf der Suche nach dem Höhenhof zum Schützenwirt heillos verfahren haben sollen und mit leerem Tank irgendwo im Nirgendwo gestrandet seien.
Diese Geschichten hielt ich stets für übertrieben, doch prompt biege auch ich, von Obertraubling her kommend, eine Ausfahrt zu früh nach links ab, doch dann leitet mich ein laubverdecktes Schild nach 150 Metern direkt auf den großzügigen Parkplatz vor der Schießanlage und dem Restaurant ... Pardon: "Gaststätte" steht über dem Eingang des von außen betrachtet wenig repräsentativen Zweckbaus.

Drinnen relativiert sich der Eindruck: Gepflegt wirkt der Flur, der uns empfängt und so üppig wie liebevoll mit allerlei Antiquitäten-Krimskrams ausstaffiert. Die schwarzen Ledersessel kenne ich aus dem Wartebereich des Reifenhändlers, wo ich zweimal jährlich zum Räderwechsel vorstellig werde. Stilistisch wollen sie nicht so recht ins Ensemble passen.Wir reden hier zwar über den Flur, nicht über den Gastraum, jedoch gilt auch in der Gastronomie die alte Redewendung, wonach es keine zweite Chance für einen ersten Eindruck gebe.

Der Gastraum selbst ist licht, weit und gemütlich warm. Überall brennen Kerzen, die Tische sind geschmackvoll herbstlich dekoriert. Noch ist die Stube erst zu einem Viertel gefüllt.

Freundlich, ja herzlich, nimmt uns eine Dame mittleren Alters vom Service in Empfang und geleitet uns an unseren Tisch.

Ich schicke vorweg, dass der Service im Höhenhof zum Schützenwirt sich an diesem Tag Bestnoten verdienen wird. Sämtliche Servicemitarbeiterinnen, einschließlich der Chefin, werden auch unter Höchstlast stets ein Auge auf jeden Gast gerichtet haben und ihre zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt wirkende gute Laune und Freundlichkeit verlieren. Alle Achtung: da können sich viele ostbayerische Lokale der gehoben-gut bürgerlichen Kategorie eine dicke Scheibe abschneiden.

Was das Ambiente angeht, hat man unser beider Erachtens das Maximum des Möglichen aus dieser Halle herausgeholt. Viel Holz, Bauernmöbel und allerlei antiker Hausrat sorgen im Schein flackernder Kerzen für gediegen sonntägliche Wohlfühlatmosphäre und eine wohltuend gedämpfte Geräuschkulisse.

Wir studieren die optisch elegant aufgemachte Speisekarte. Zwei der Hauptgerichte, eines vom Kalb, eines vom Tintenfisch, seien aus, werden wir mündlich unterrichtet.

Das Lesen der Karte ist reine Freude. Schwer sich zu entscheiden, ob der wunderbar klingenden Gerichte, die Küchenmeister Tom Daxl da zusammengestellt hat. Preislich liegt bis auf den Schweinsbraten mit Kraut und Knödl für 7,90 Euro kein Fleisch- oder Fischgericht als Hauptgang unter zehn, das Gros eher über 15 und einige auch über 20 Euro.

Der Schweinsbraten, der an mir vorbei an einen anderen Tisch schwebt, sieht prima aus. Aber schon wieder Schweinsbraten?! Am Ende monieren meine Leserinnen und Leser, ich solle den Blog in auswärts schweinsbraten essen regensburg umbenennen, so oft wie ich in letzter Zeit dieses Gericht besprochen habe ...

Nein, diesmal soll es für mich Fisch sein. Für meine charmante Begleiterin Zwiebelrostbraten. Als Entrée wählt sie eine Latte Macchiato vom Zitronengras mit gespießter Garnele (5,90 Euro), ich die Suppe des Tages (3,50 Euro). Es handle sich um eine Leberspätzlesuppe, kündigte der Service an. An der Brühe hoffe ich zu erkennen, wie Tom Daxl es mit seiner Kochehre hält: Fonds, Brühen und Suppen sind die Visitenkarte guter Küche.

Die Getränke: Eine Flasche San Pellegrino für uns beide, für die Dame - in Aussicht auf den Zwiebelrostbraten - den roten Hauswein - ein Zweigelt aus Niederösterreich für 3,90 Euro (0,2 Liter), für den Herrn, der sich auf seinen Fisch freut, der weiße Hauswein - ein Grüner Veltliner aus ebendiesen Gefilden zum selbigem Preis.

Beide Weine werden in schmucken kleinen Karaffen und hervorragend geformten, zugleich robusten Gläsern aus dem Hause Stölzle Lausitz serviert. Gut, es gibt dünnwandigeres Glas, aber eleganter kann es kaum daherkommen und erfreut den Gast mit Ästhetik und Funktionalität. Mir wäre lieb, ich könnte das auch über den Wein berichten.

Mein Grüner Veltliner ist gerade noch angemessen temperiert, wird in der Folge schnell zu warm und damit noch träger und factettenärmer als im ersten Eindruck. Auch dem Zweigelt fehlt es an Bums und Finesse. Warum nur, fragen wir uns, machen so viele Gastronomen den Fehler, so derbe, ausdruckslose Weine ausgerechnet zu ihren Hausweinen zu küren? Soll dies kommunizieren, dass das Haus insgesamt nicht mehr Niveau als diese banalen Tropfen hat ...?

Meine charmante Begleiterin ist regelrecht hingerissen von ihrem asiatischen Zitronengras-Süppchen. Ich darf kosten und kann ihre Begeisterung nachvollziehen. Optisch, geschmacklich und von der Konsistenz her haben weder sie noch ich Vergleichbares irgendwo besser erlebt.

Dass die Küche Suppe kann, wäre damit belegt gewesen, doch leider reißt meine Leberspätzlesuppe nieder, was die Zitronengras-Latte an positiven Eindrücken verbuchen konnte.


An der Brühe liegt es keineswegs, die schmeckt tadellos (obschon eine Spur zu salzig für meinen Geschmack). Kräftig ist sie, klar und sauber gezogen. Die Leberspätzle sind das Problem - mein Problem. Ich mag, wenn sie deutlich nach Leber schmecken, wenn Leber drin ist. Ich persönlich mag sie nicht zu fest, aber auch nicht so weich, dass sie auf der Zunge schmelzen.

Genau im rechten Biss sollen sie sein: al dente, wie der Italiener das nennt. Die Daxl'schen Leberspätzle erfordern Kaumuskelkraft und davon reichlich. Hart wie Vollgummi und leider gänzlich geschmacklos schwimmen sie obenauf und bereiten mir nicht die geringste Spur Freude. Da kann auch die originell geformte Suppenschale nichts zum Besseren wenden. Diese Tagessuppe hat sich leider einen gebrauchten Tag andrehen lassen ...

Nun ja ... Ich setze alle Hoffnung auf den Hauptgang. Aufgepasst: Saltimboccca vom Loup de mer mit Sepiarisotto (4) und Dicken Bohnen (15,90 Euro) Klingt wie Musik in meinen verfressenen Ohren und ich gehe davon aus, nicht nur in meinen ... Wenn da nicht diese omninöse, in der Speisekarte nicht näher erklärte "4" hinter dem Sepiarisotto stünde. Doch dazu später mehr ...

Der Beilagensalat zum Zwiebelrostbraten mit Bratkartoffeln meiner charmanten Begleiterin verkürzt zumindest ihre Wartezeit.

Der Salatteller wirkt, als sei die Hälfte vergessen worden, aber nein, auch am Nachbartisch gleichen sich optisch die Teller.

Ein paar reichlich mit Dressing nappierte Blätter Lollo Rosso, zwei Scheiben Gurke, ein einsamer Tomatenschnitz und ein Teelöffel Karottensalat bilden das Ensemble.

Die Salatblätter wurden nicht zerkleinert. Das halte ich für eine um sich greifende Unsitte und mir persönlich Indiz für mutmaßliche Faulheit der Küchenbrigade. Welcher Gast schnitzt schon gerne mit Messer und Gabel in einem Beilagensalat herum, der üblicherweise auf 10 Uhr steht, und hängt dabei seinen rechten Armel in die Soße des Tellers mit dem Hauptgericht? Alternativ spritzt man sich den Sonntagsstaat mit Dressing voll, will man die Salatblätter irgendwie auf die Gabel spießen ... Was soll das? Bricht dereinst eine Epoche an, in der wir Gäste unsere Kartoffel gefälligst selbst schälen sollen, weil die Küche zu bequem für diesen Service ist?

Das Dressing ist fad, es fehlt ihm an Säure und schmeckt penetrant nach Rapsöl. Rapsöl taugt, um damit beim Putzen der Küche Fettschlieren in der Duntsabzugshaube anzulösen - zu mehr meines Erachtens nicht. Kulinarisch betrachtet ist Rapsöl der Freifahrtschein ins Desaster.

Einerlei, was die Marketingmaschinerie der bayerischen Landwirtschaft uns über dieses Verbrechen am guten Geschmack auf die Nase binden will: Ich erwarte ein hervorragendes Olivenöl, gleich welcher Herkunft, an einem Salat in einem Lokal, das mit seiner Speisenkarte einen Anspruch vermittelt wie der Höhenhof zum Schützenwirt. Gerne auch steirisches Kürbiskernöl oder ein sehr feines Wal- oder Haselnussöl - aber Rapsöl ist meiner Meinung nach Ausweis von Lieblosigkeit dem Gast gegenüber und Desinteresse der Küche bezüglich entscheidender Details. Fazit: Dieser Beilagensalat ist in sich leider sehr stimmig und in dieser Facon entbehrlich.

Der Zwiebelrostbraten (16,90 Euro) meiner charmanten Begleiterin gleicht optisch vielen Vorschlägen anderer Restaurants: Ein unter einem Berg von frittierten Zwiebeln verstecktes Stück Rindfleisch von der Lende und daneben ein Berg Bratkartoffeln. Die in der Pfanne angeschwenkte Cocktailtomate und Schnittlauchringe sorgen für eine Spur individueller Präsentation, die weitläufige Verteilung der Soße bis hin zum Tellerrand weist auf unrunden Lauf der Servicekraft hin.

Ich darf von den zentralen Komponenten ihres Hauptgerichtes meiner charmanten Begleiterin kosten und schließe mich Punkt für Punkt ihrer durchwachsen ausfallenden Kritik an.

Um mit dem Positivum zu beginnen: Das Fleisch ist von ordentlicher, wenngleich geschmacklich nicht umwerfender Qualität und auf den Punkt perfekt und wie bestellt Medium gebraten. Die Bratkartoffeln sind Bratkartoffeln  - ohne in irgendeiner Weise Anlaß zur Begeisterung oder den Wunsch auf einen Nachschlag herauszufordern. Zu belanglos insgesamt für eine Küche mit Anspruch. Die Zwiebelringe sind nicht kross, sie sind eher latschig, lauwarm und pappen stellenweise zusammen, die Soße ist ok, aber es fehlt ihr nach unser beider Dafürhalten an Kraft und Fülle am Gaumen. Nein, Zwiebelrostbraten geht besser, viel besser. Das weiß ein erfahrener Koch wie Tom Daxl und da gibt es wohl auch keine zwei Meinungen, wenn man diesen gekostet hat ...

Mein, in einem tiefen Teller serviertes Saltimbocca vom Loup de Mer mit Sepiarisotto und Dicken Bohnen ist - im Unterschied zum Zwiebelrostbraten - optisch eine Augenweide.

Die getrockneten Blütenblätter und ein Zweiglein frischen Kerbels vervollkommnen den ersten Eindruck.

Ich koste vom Kerbel: Wow! Kerbel ist ein Kraut, das meines Erachtens viel zu selten Verwendung findet!

Ich taste mich weiter von oben nach unten in den Teller vor. Der luftgetrocknete Schinken haftet auf der Hautseite des Wolfsbarsches, der gut gebraten ist, obschon eine winzige Spur über den Punkt. Das sehe ich dem Chef im Sonntagsmittagstrubel nach, nicht aber, dass kein Salbeiblatt zwischen Speck und Fisch zu finden ist. Selber schuld, mag man einwenden: Die Bezeichnung Saltimbocca hat in mir die Erwartung von Salbeiaromen geweckt, wie ich sie vom Kalbfleischklassiker her kenne. Ich meine nicht, dass die herben Aromen des Salbeis dem Gesamterlebnis geschadet hätten, im Gegenteil. Der verwendete Schinken ist recht salzig. Da ist es schön, dass nicht der Fehler begangen wurde, den Fisch zusätzlich kräftig zu salzen. So fügt sich beides, in einem Bissen genossen, schön aneinander und schmeckt mir gut.

Der Sepiarisotto ist Schwarz, wie anders nicht zu erwarten. Aber muss er gleich derart Pechschwarz sein? Ich habe selbst schon zwei- dreimal Risotto mit Sepiatinte zubereitet und bin mir bewußt, dass man zurückhaltend mit der Zutat Sepiatinte umgehen sollte, die man in kleinen Tuben zu 4-5g beim Fischhändler kaufen kann. Dann nämlich neigt sich der Farbton ins dunkle Anthrazit und die Reiskörner schimmern in ihrer Pracht wie Perlen in einer Auster aus dem köstlichen, idealerweise zur Welle fließenden Gericht hervor. Dieser Sepiarisotto-Vorschlag erinnert mich an eine politisch inkorrekte russische Redewendung, deren Zitierung mir die geneigte Leserschaft an dieser Stelle  nachsehen möge: "Finster wie im Arsch eines Negers".

Soll ein Risotto gelingen, ist die Verwendung eines ordentlichen Risottoreises (Arborio, Carnaroli, Vialone) unabdingbar. Mit gewürfelten Schalotten in reichlich feinstem extra nativen Olivenöl anschwitzen, ein Schuss Weißwein dazu, diesen verkochen lassen, dann nach und nach und schöpfkellenweise kochenden Fischfonds, eventuell gemischt mit Gemüsebrühe, und viel Zeit, die man nutzt unentwegt mit einem Holzlöffel zu rühren und zu rühren und zu rühren. Abschließend ein letzte Schöpfer Brühe und kalte Butter - reichlich Butter! - und, vom Herd gezogen, mit geschlossenem Deckel ein paar Minuten ruhen lassen. Fertig. Ein Indiz für einen ordentlichen Risotto ist ein Hinweis in der Karte, dass dieser erst ab zwei Portionen zubereitet werde. Es gibt Italiener, die das so handhaben - bei allen anderen verzichte ich aus leidvoller Erfahrung auf diese Monument italienischer Kochkunst, für das alleine man die Küche des Stiefels lieben muss.

Käse an einem Fischgangrisotto? Nein! In Italien würde man dafür geteert und gefedert über den angrenzenden Truppenübungsplatz gejagt! Schon gar kein Käse, der so zähe Fäden zieht wie ein Fontina oder Taleggio und den übersalzenen Charakter dieses Vorschlags der Küche von Tom Daxl unterstreicht.

Wo sind übrigens die Sepien-Tupen abgeblieben, die ich in einem als solchem annoncierten Sepiarisotto erwarten darf? Keines einzigen Fitzelchen Sepienfleisches kann ich mich in meiner Portion entsinnen. Ich erinnere mich erst im Nachhinein: das spezielle Tintenfischgericht auf der Karte wurde uns beim Aushändigen der Speisekarte als nicht bestellbar annonciert. Keine Sepien in der Kühlung, keine Sepien im Sepiarisotto? Ich Dummerchen, ich: Was stelle ich nur für Ansprüche ...?!

Schwarze Farbe alleine macht allerdings noch keinen Sepiarisotto - Risotto nero wäre meines Erachtens allenfalls als Bezeichung statthaft gewesen. Ebenso ein Hinweis, dass der Sepiarisotto heute leider keine teuren Sepien enthalte. Als Baier ist man zwar Vergleichbares gewohnt, schließlich enthält der Leberkäse weder das eine, noch das andere - aber mir persönlich stößt so etwas in einem Restaurant mit gehobenem Anspruch, dessen Brigade ein weltgewandter Küchenmeister und kein ungelernter provinzieller Quereinsteiger vorsteht, sauer auf.

Der verwendete Reis ist ein grober Fehlgriff, ihm fehlt es an schlotziger Cremigkeit, die von der Verbindung von Brühe, Fett und der ausgewaschenen Stärke des Reiskorns und sonst nichts herzurühren hat, und er hat viel zu viel Biss. Sein Korn ist winzig und kaum aufgegangen. Kein guter italienischer Risottoreis sieht von Hause aus so aus; billiger Rundkornbruch möglicherweise, wie er als "Milchreis" beim Discouter verkauft wird, jedoch kein italienischer Qualitätsreis.

Hat man ihm zu wenig Zeit und rührende Hingabe geschenkt oder ist aus dieser Reisqualität einfach nicht mehr rauszukitzeln? Wurde er vorgekocht, dann aufgewärmt ...? Wenn Risotto, dann richtig!

Wer an einem Sonntagmittag keine Zeit und Liebe für einen Risotto aufbringen mag, weil in der Küche mittags Volllast angesagt ist, der sollte es meiner Meinung nach unterlassen, einen zahlenden Gast den Tag des Herrn zu verderben und dieses Gericht nicht anzubieten. Mit einem Risotto wie diesem, zerstört man unterm Strich alles, was ansonten an einem Gericht gelungen sein mag und das ist schade.

Ein Convenience-Produkt wird es womöglich gewesen sein, dieser Schlag ins Gesicht jedes Risottoliebhabers: Die "4" in der Speisekarte legt die Vermutung nahe. Hat sich Thomas Daxl an die von der DEHOGA empfohlene Nummerierung der in seiner Küche verwendeten deklarationspflichtigen Zusatzstoffe gehalten, handelt es sich um den Süßstoff Saccharin. Verifizieren kann ich das leider ex post nicht, denn ich fand weder eine Legende an Ort und Stelle in der Karte und auch nicht in der mir vorliegenden Online-Version der Speisekarte von der Website des Lokals. Profis deklarieren im Sinne des Gastes klar, eindeutig und gesetzeskonform. So zumindest erwarte ich das.

Der Risotto ist unterm Strich zwar einem risottounerfahrenen Menschen ohne Empfindlichkeit oder Unverträglichkeit gegen Saccharin genießbar, mir aber gereicht er mitnichten zur Freude - die Dicken Bohnen, begleitet von nicht annoncierten, zu Rauten geschnittenen breiten, grünen Gartenbohnen, sogar noch weniger.

Was die grünen Bohnen in meinem Teller angeht, hege ich Zweifel, ob sie länger als fünf Sekunden erhitzt worden sind. Sie schmecken quietschknackig nach Rohkost, obschon sie angewärmt sind. Wie jedes Kind wissen sollte, enthalten Bohnen das Phytotoxin Phasin, das man durch ausreichendes Kochen (!) von wenigstens 10 Minuten Dauer unschädlich machen muss. Phasin bewirkt im menschlichen Körper ein Zusammenkleben der roten Blutkörperchen. Der Sauerstofftransport im Blut wird behindert. Bei einem Verzehr großer Mengen sind tödliche Vergiftungen nicht auszuschließen.

Die Dicken Bohnen wirken ebenfalls recht roh. Einen Brocken wie mich wirft das mutmaßlich nicht um, mich ärgert noch mehr der penetrante Geschmack nach Glaskonservenlake, der den Bohnen eigen ist. Wenn sie nicht aus dem Glas stammen, so wurde wahrscheinlich ein geschmacklich grenzwertiger Essig verwendet. Meine charmante Begleiterin bestätigt meinen eigenen Eindruck von Risotto und Bohnen und ich bin froh, dass ich nicht unter Wahrnehmungsstörungen leide.

Mit dem Attest gravierender handwerklicher Mängel umschreibe ich meinen Gesamteindruck dieses Gerichts - ausgenommen der Saltimbocca (ohne Salbei) selbst - noch mit Wohlwollen. Das Krönchen setzt dem Gesamtkunstwerk  der Suppenlöffel auf, der meinem Gericht beigefügt wurde: Risotto isst man stets mit einer Gabel, niemals mit einem Löffel.

Ein schlichtes wie vielsagendes "Danke" auf die Frage, ob es mir geschmeckt habe, muss dem Service beim Abtragen als Feedback folglich genügen. Nachfragen nehme ich keine wahr, ich hätte bereitwillig Auskunft gegeben.


Um 12:15 Uhr werden die Gästen in unserem Rücken zu deren Enttäuschung informiert, der Schweinsbraten sei leider bereits aus. So ein Pech, handelt es sich doch ausgerechnet um das preiswerteste Fleischgericht auf der Karte. Nun müssen sie also - so früh bereits am Mittag - auf deutlich teurere Alternativen ausweichen oder hungrig nach Hause gehen ...

Ein Schelm, wer - wie unsere Tischnachbarn uns unüberhörbar - Böses dabei denkt. Nein, ein seriöses Restaurant wie dieses, zieht doch so billige Schliche im Traum nicht ins Kalkül. Ich rege in diesem Kontext - auch eingedenk der Risottogeschichte - eine spezielle, überschaubare Sonntagmittagskarte an, die die Küche in konstanter Qualität und ausreichender Zahl von Portionen bewältigen kann.

Mein Vater pflegte nach dem gemeinsamen Besuch von Sternelokalen und den damit verbundenen, gelegentlich in der Tat exorbitanten Genüssen, auf dem Heimweg gelegentlich im Scherz vorzuschlagen, bei McDonalds zu halten, "um den schlechten Geschmack aus dem Mund zu bringen" - ich setze heute meine Hoffnung nicht auf den Fastfoodgiganten aus Amerika, ich setze auf einen Florentiner: Florentinereis, übergossen mit einem Espresso (2,90 Euro), meine charmante Begleiterin auf ein Weißbier-Lavendel-Tiramisu im Glas (6,80 Euro).

Die Kugel Eis in meinem kalten Espresso ist mutmaßlich nicht hausgemacht und leider wohl auch kein Sahneeis, sondern, wie bei Industrieeis mittlerweile Standard, basierend auf Molkenpulver, Sojalecitin und Pflanzenfetten, und haut in Mitteleuropa vermutlich niemandem vom Hocker, der handgemachte Eiscreme kennt und liebt. Trotzdem ist dieses kleine Dessert so etwas wie ein Lichtquant, da wir uns bereits dem Ende des Tunnels nähern.

So erlebe ich mein Dessert - jedoch nicht meine Begleiterin das ihre. Weißbier-Lavendel-Tiramisu: Sie löffelt sich durch eine wunderbar fette Mascarpone-Creme in Richtung des Bodens ihres Dessertgefäßes, wo fingerbreit eine hellbraune Flüssigkeit und unwesentlich dunklere Brocken von Biskuit auf sie warten.

So löffelt sie und löffelt und stutzt, ob des plötzlichen Ausbruchs von Lavendelduft, kaum dass die Mascarponeschicht durchstoßen ist und stutzt noch mehr, als sie von der Bodenschicht im Glas probiert ... Sie bittet mich, auch hiervon einen Löffel zu kosten. Mein subjektiver Eindruck: Feine Perlage, die einem Champagner zur Ehre gereichen würde, weitaus feiner und munterer prickelnd als ein Weißbier jedenfalls, entfalten sich in dieser flüssig-teigigen Melange, die nie recht Verbindung zueinander gefunden, oder sich bereits wieder getrennt hat.

Ich sinniere lange, wie sich dieses Phänomen erklären ließe. Eine mir plausibel scheinende Theorie fällt mir erst auf der Heimfahrt in den Sinn: Gesetzt den Fall die Zeit wäre großzügig genug bemessen und die Temperatur ausreichend hoch, könnten sich die Hefepilze des Weißbiers - unter weitestgehendem Luftabschluss unter der dicken Mascarponeschicht - an Zucker und Stärke des Bisquit gütlich getan und diese in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt haben ...  

Eine Tiramisu muss eine Weile durchziehen, das ist klar, aber so lange bis sie gärt ...? Falls meine Hypothese trägt, wer weiß ob ich nicht völlig daneben liege: Weshalb wurde das Weißbier nicht erhitzt und die Hefe abgetötet? Weshalb ausgerechnet für den Sonntag, der Tag an dem sich der Gast gern etwas gönnt, kein frisches Dessert zubereitet? Warum obenauf frische Erdbeeren im Oktober? Weshalb beispielsweise kein zur Saison und Region stimmiger passendes Birnen- oder Apfelkompott? Fragen über Fragen ...


Das Lokal war bis auf den letzten Platz belegt und das wird seine Gründe haben. Mir konnten sie sich leider nicht erschließen. Möglicherweise hatte die Küche heute einen rabenschwarzen Tag oder meine Erwartungshaltung war unangemessen.

Da weist mich beim Verlassen des Lokals eine Tafel vor der Tür auf einen anstehenden Betriebsurlaub ab heute, Sonntag, 15 Uhr hin. Vermutlich stand sie bereits beim Betreten dort und ich hatte sie übersehen Sitzt Familie Daxl etwa bereits auf gepackten Koffern ...?

Sonntagmittags brummt der Laden! Schön, dass wenigstens mittags noch geöffnet ist, mag mancher Gast oder interessierte Leser sich denken. Man kann es aber auch so sehen: Das Geschäft wird unter Inkaufnahme gravierender Schwächen in der Küchenperformance - aufgrund des anstehenden Urlaubs nicht eingekaufter frischer Zutaten - noch mitgenommen und "was noch da ist", durch strategisches Ausgehenlassen sukzessive abverkauft indem man die Zahl der zur Wahl stehenden Alternativen gezielt verkleinert.

Kampf dem Verderb - wir werfen viel zu viele Lebensmittel weg ... So kann man diese Praxis auch betrachten. Jenes Schild mit der Urlaubsankündigung, hat mein subjektives Gesamtbild dieser Momentaufnahme der Gaststätte Höhenhof zum Schützenwirt - jedenfalls mir persönlich schlüssig - abgerundet. Ein kurzer Hinweis an den Gast auf dieser Tafel oder durch das Servicepersonal vor der Bestellung, der ihm die besonderen Umstände erklärt hätte, wäre meiner unmaßgeblichen Meinung nach ein Gebot der Fairness gewesen. So deute ich - niemand muss sich meiner Meinung anaschließen! - sein Fehlen als bauernschlaue Finte, den offensichtlich für dumm gehaltenen Gast en passant vor dem eigenen Urlaubsantritt abzukochen. Ich mag mich täuschen, aber für das Ergebnis eines Kommunikationsprozesses ist stets der Sender, nicht der Empfänger verantwortlich und auch (Ver-)Schweigen trägt eine Botschaft.

Fazit: Eine an mich gerichtete Frage, ob ich persönlich künftig erneut im Höhenhof zum Schützenwirt einkehren würde, verneinte ich. Anspruch und Wirklichkeit klafften - ausschließlich die von mir summa summarum erlebte Küchenleistung an diesem Tag betreffend - zu weit auseinander. Gemütliches Ambiente, hervorragender Service - ich möchte beides nochmals betonen. Zu wenig Licht jedoch, um die harten Schlagschatten, die die Küchenleistung - mit Ausnahme der hervorragenden Zitronengrassuppe - warf, aufzuhellen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://auswaertsessenregensburg.blogspot.de/p/rechtliches.html) und in der Datenschutzerklärung von Google (https://policies.google.com/privacy?hl=de).

Dein Kommentar wird sichtbar, sobald er von mir geprüft wurde. Spam und Verstöße gegen die Nettiquette sind Ausschlußkriterien.