Rund 30 Jahre ist es her, da habe ich im besagtem Steiner Wirt (Gasthof-Pension) ein Wochenende verbracht. Damals kochte dort Inhaber und Wirt Josef Braun, der beeindruckende Stationen (u.a. das Hotel Victoria in Montreux und den Bayerischen Hof in München) in seiner Laufbahn als Koch und Küchenmeister vorweisen kann, eine bodenständige und doch damals durchaus modern interpretierte bayerisch-oberpfälzer Küche, die mir - auch weil ich derart Kochkunst in diesem abgelegenen Teil der Oberpfalz damals nicht erwartet hatte - so hervorragend gefiel, dass ich dieses gleichermaßen erholsame wie genussreiche Wochenende im Steiner Wirt in all den Jahren nie vergessen habe ...
von Robert Bock
Der junge Küchenchef
Heute kocht im Steiner Wirt der jüngste Sohn von Josef und der staatlich geprüften Hauswirtschaftsleiterin Gabi Braun: Andreas Braun, 31 Jahre jung, gelernter Koch und Küchenmeister.
Die Liste kulinarischer Adressen, in denen er in seinen Lehr- und Wanderjahren gearbeitet und sein Handwerk erlernt hat, liest sich atemberaubend. Um nur ein paar davon zu nennen: Das Seehotel Überfahrt am Tegernsee unter Christian Jürgens (3 Sterne im Guide Michelin), Restaurant Reber's Pflug in Schwäbisch Hall (1 Stern), Restaurant Le Pavillon des Hotel Dollenberg im Schwarzwald (2 Sterne), Restaurant Lamm in Vaihingen/Enz Rosswag (1 Stern). Seit etwa vier Jahren nun ist Andreas "Andi" Braun der Küchenchef im elterlichen Betrieb.
Heute wollen meine charmante Begleiterin (die vor acht Jahren ebenfalls schon einmal für ein paar Tage beim Steiner Wirt zu Gast war) und ich der Kunst unseres "Facebook-Freundes", den weder sie noch ich bis heute persönlich kennengelernt haben, kulinarisch auf den Zahn fühlen.
Der "Steiner Wirt" in Tiefenbach-Stein |
Wir sind deutlich früher da als angekündigt. Der touristische Abstecher ins nahe Städtchen Waldmünchen war trotz goldenem Herbstwetter so erschreckend trostlos, dass wir beschlossen haben, die Flucht zu ergreifen und vor der Zeit nach Tiefenbach-Stein zu fahren.
Gabi und Josef Braun nehmen uns - ganz oberpfälzer Wirtsleut - warm in Empfang. Zwar ist die Küche noch nicht startklar, aber ein Jakob-Weizen geht vornweg bekanntlich immer. Die Zeit vergeht auch deshalb wie im Fluge, weil wir so nett mit Gabi und Josef plaudern.
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt!
Wir studieren die Speisekarte, obwohl wir uns schon vorab auf das "Überraschungsmenü" in 3 Gängen von Küchenchef Andi festgelegt haben. Feine Sachen, Bayerisches, auch Internationales, zubereitet mit hochwertigen, regionalen Zutaten. Auch Vegetarisches und Veganes findet sich auf der nicht zu umfangreichen, saisonal ausgerichteten Karte.
Auszug aus der Speisekarte |
Andi Braun unterbricht sein Mise en place und schaut, uns zu begrüßen, an unserem Tisch vorbei. Schön, dass wir uns jetzt nicht nur aus den Weiten der virtuellen Welt kennen. Wir sind gespannt, welche kulinarischen Überraschungen uns an diesem Abend erwarten. "Gegessen wird, was auf den Tisch kommt"! Andi grinst, verraten tut er nichts ...
Auftakt
Den Auftakt machen ein von einer Mitarbeiterin selbstgebackenes Brot mit Walnüssen von den Bäumen des Steiner Wirts, dazu ein fantastisch abgeschmecktes Griebenschmalz vom Wildschwein und - für sich alleine schon - richtig gute Butter mit Fleur de Sel und Zitronenabrieb:
Es folgen - als nicht zur Menüfolge zählender "Gruß aus der Küche" - eine Fischsuppe vom heimischen Hecht mit Hechtklößchen sowie ein Reagenzglas mit einer Essenz von heimischen Pilzen.
Andi Braun hat bei den Besten gelernt - und das belegt er schon, bevor die offizielle Menüfolge eröffnet ist. Beide Gerichte lassen uns still genießen. Wir schauen uns an und lesen in der Mine des anderen: Wow! Kein Tamtam, kein Schischi - im besten Sinne schlichte, große Kochkunst. Schade, dass die Portionen des Küchengrußes - seinem Wesen nach ist das nicht anders zu erwarten - nicht noch größer waren.
Vorspeise
Andi Braun schickt seine Auszubildende im zweiten Lehrjahr (diese junge Dame wird ihren Weg machen, denn die Begeisterung für ihren Lehrberuf lässt ihre Augen strahlen!) mit der Vorspeise. Diese eröffnet unser Menü: Tartar von der Färse mit Ei, gebratenen heimischen Waldpilzen, Salat, frittierten Kapern und Senfeis. Ja: Senfeis ...
Es zeugt von Mut, in einem Überraschungsmenü dem Gast ungefragt ein quasi dekonstruiertes klassisches Tartar zu schicken, denn rohes Fleisch und Eigelb ist nicht jedermanns Sache. Aber Andi hat uns beide richtig eingeschätzt. Womöglich auch weil er auf Instagram verfolgt, was ich/wir so für uns selbst oder im Rahmen von Gourmetevents für die Festivalgäste kochen.
Handgeschnittenes Tartar - blos nicht gewolftes! - zählt zu meinen liebsten Gerichten. Gabi Braun und ich sind uns in diesem Detail einig. Komponente für Komponente ist diese Vorspeise hervorragend und in sich stimmig. Meine persönlichen Highlights sind das Senfeins und die wunderbar aromatischen Pilze. Diese sammeln übrigens zwei Buben aus dem Dorf in den umliegenden Wäldern (5 und 3 Jahre alt). Alle Achtung, wie sich die beiden Nachwuchs-Mykologen in diesem Alter bereits auskennen. Und ja: Wir leben noch ;-) .
Hauptgang
Den Hauptgang serviert der Küchenchef höchstpersönlich: Medaillon vom Hirschen mit Variationen vom Hokkaido und Kichererbsenstangerl.
Küchenchef Andreas Braun |
Ich meine, die Bilder sprechen für sich: Beim Steiner Wirt in Tiefenbach erlebt man kulinarisch Großes! Den Hirsch hat - by the way - eine Servicemitarbeiterin des Gasthauses, nebenbei Jägerin, geschossen. Welch schmackhaftes, butterzartes, perfekt abgehangenes und zubereitetes Wild!
Der ganze Teller eine Symphonie herbstlicher Aromen. Die Texturen des Hokkaidokürbis ausgereizt: Cremig, roh serviert hauchdünn gehobelt, eine Mayonnaise mit Kürbiskernöl und geröstete Kürbiskerne als Chrunch im Kichererbsenstangerl im Stile einer Krokette. Sogar mit den Kürbisblättern hat Andi Braun ein Öl als zweite Soßenkomponente parfümiert.
Dessert
Der süße Abschluss unseres Überraschungsmenüs: Variationen von der Johannisbeere auf leichter Schokoladenganache
Das i-Tüpfelchen dieses rundum gelungenen Desserts: Das Eis vom Johannisbeerholz. HOLZ! Unglaublich, welch bombastische Aromen im Holz des Johannisbeerstrauchs (aus dem eigenen Garten versteht sich!) stecken, wenn ein Könner wie Andreas Braun sie in die Sahne zu extrahieren und transformiert zu neuem Leben zu erwecken weiß.
Wir sind satt und zufrieden und sind uns sicher: Das war weder das erste, noch das letzte Mal, dass wir hier einkehren. Jedoch werden mit Sicherheit keine acht, schon gar nicht wieder 30 Jahre vergehen ...
Fazit
Diskussionen überflüssig: In diesem familiär geprägten Landgasthof fügt sich eins zum anderen: Warme Herzlichkeit der Gastgeber, Qualität, Regionalität, Saisonalität, Nachhaltigkeit, Können und Kreativität der Küche und das in gediegenem Landgasthofambiente. Dies alles zu fairen Preisen. Gerne spreche ich deshalb dem Steiner Wirt in Tiefenbach-Stein eine uneingeschränkte Empfehlung aus. Das Überraschungsmenü gibts nur am Abend. Reservieren ist ratsam.
Lieferung aus den umliegenden Wäldern frisch eingetroffen |
Ich kann das hier geschriebene im höchsten Maße nachvollziehen!!
AntwortenLöschenVor zwei Jahren geriet ich "aus reiner Not" an den Steiner Wirt. Für einen Kurzurlaub suchte ich vergeblich nach einer Pension. Der einzige der noch ein Bett für mich hatte, war der Steiner Wirt.
Und schon am ersten Abend brach all das über mich herein, was hier beschrieben ist.
Herzlichkeit, Kreativität, regionale Zutaten aus dem nahen und sehr nahen Umfeld, unglaubliche, unaufdringliche Gastfreundschaft, eine Küche(nteam) , das durch nix aus der Ruhe zu bringen ist....und diese unglaubliche Qualität auf dem Teller!!
Ich habe dieses Überraschungsmenü zigmal gegessen...nie langweilig, immer ein Highlight!!
Im November bin ich wieder dort, für ein paar Tage.
Ich kann es kaum erwarten!