Freitag, 20. Juli 2018

Das Krieger-Denkmal zu Mariaort

Ein Kriegerdenkmal findet sich hierzulande in beinahe jedem Dorf. Angesichts der geopolitischen Großwetterlage wünschte man sich, mehr Menschen würden nicht achtlos an ihnen vorbeilaufen, sondern die Namen der in zwei Weltkriegen ihres Lebens beraubten Männer in stiller Andacht lesen ...

In Mariaort mag es, ich weiß es nicht, womöglich ebenfalls ein Kriegerdenkmal geben, auf jeden Fall aber ein Denkmal namens Krieger: Den Gasthof Krieger, der hier seit mittlerweile 118 Jahre von Familie Krieger betrieben wird. 118 Jahre sind ein Pfund mit dem man wuchern kann, zumal es in der mir überschaubaren Zeit von etwa 30 Jahren Familie Krieger verstand, das Niveau auf hohem gut-bürgerlichem Niveau zu halten. Noch immer ...?
von Robert Bock

Den Gasthof Krieger in Mariaort kennt man in Regensburg. Nicht nur die nahe Wallfahrtskirche, sondern auch die pitoreske Lage am Radweg und dem Zusammenfluss von Naab und Donau prädestinieren ihn als Ziel oder Zwischenstopp von Sonntagsausflüglern.

Auch ein Hotel ist angegliedert, über dessen Niveau ich aber aus eigener Anschauung nichts zu sagen weiß. Oft war ich beim Krieger, seit ich in Regensburg lebe. Jedesmal war ich zufrieden. Das kann ich nicht von allen Restaurants dieser Gewichtsklasse behaupten. Man erinnere sich examplarisch meiner ambivalenten Eindrücke vom Dechbettener Hof anlässlich meiner dortigen Einkehr an Pfingsten.

Meine Einkehr in Mariaort am vergangenen Sonntag war nicht geplant, sie ergab sich während einer Wanderung, die sich in die Länge zog und, sommerlicher Hitze geschuldet, massiven Durst provozierte. Je größer der Durst, desto eindringlicher die jedem Baiern geläufige Vision: Eine Radlerhalbe oder -maß in einem eiskalten, beschlagenen Glas mit schöner Schaumkrone obenauf ... Wer kennt das nicht?

Die Logenplätze entlang des Mäuerchens im Freisitz sind allesamt reserviert. Kein Problem, es stehen genügend Plätze an Biertischgarnituren rund ums Haus zur Verfügung. Eine sehr freundliche Dame nimmt uns in Empfang und schlägt uns vor, wo wir uns niederlassen könnten. Das tun wir im Schatten einer uralten Kastanie. Ein lindes Lüfterl weht, es riecht nach Fluß und einer Ahnung Küchendunst. Hier kann man es aushalten ...

Wir bestellen erstmal zwei Radler mit Bier vom Bischofshof und studieren die Karte.

Vorne die Tageskarte für den heutigen Sonntag, hinten die "Klassiker". Eine schöne, wenngleich um vielleicht fünf Gerichte zu umfangreiche Karte, bei Defiziten im Dessertfach (nur ein Nachtisch).

Für jeden ist etwas dabei und das Preisniveau keineswegs niedrig. Eher auf Stadtniveau, jedoch, sofern die Qualität stimmt, womöglich angemessen. Ob dem so ist, muss sich erst zeigen ...

SchweinEbraten mit Knödl? Nein, selbst wenn's ein SchweinSbraten gewesen wäre: nicht schon wieder.

Sowohl mich, als auch meine charmante Begleiterin lacht die Gesottene Ochsenbrust mit Kartoffelsalat und Meerrettich an. Sie findet sich vergleichsweise selten auf der Speisekarte hiesiger Gasthäuser, die soll es zweimal sein.

Ich besichtige die "Befreiungshalle". Tiptop gepflegt und sauber. Vorbildlich. Wie überhaupt sich der Gasthof Krieger innen wie außen in einem sehr gepflegten Zustand befindet. Da kann man sich anderswo ein Scheibchen abschneiden ...

Das Bier kommt prompt und auch die Ochsenbrust läßt nicht lange auf sich warten. Die Portion ist groß, das Fleisch zart gegart und von hervorragender Qualität. Eine Prise Salz und Pfeffer fehlt, das jedoch kein Problem, denn Salz- und Pfefferstreuer stehen auf dem Tisch.

Der Kartoffelsalat ist vorzüglich. War er immer, so erinnere ich mich seiner, und er ist es nach wie vor. Der Kren ist scharf, aber nicht zu scharf. Genau das richtige Maß an Senfölen, um als Beilage zum Fleisch Genuss zu sein.

Der Wirt in kurzen Lederhosen dreht eine Runde. Er schaut an jedem Tisch vorbei, begrüßt seine Gäste, erkundigt sich, ob alles passt. So gehört sich das in Bayern.

Ein zweites Radler gegen den Durst, die Wanderung wird noch zwei Stunden dauern. Mittlerweile ist der Garten gut gefüllt. Das Publikum ist mir persönlich angenehm: Niemand prollt und keiner schrepfert. Kultivierte, freundliche Gäste durch die Bank: Rennradfahrergrüppchen Anfang Dreissig, Familien mit wohlerzogenen Kindern, gemeinsam ergraute Paare im Zustand des Burgfriedens: einander lieber neben- als gegenübersitzend ...

Wir verlassen den Krieger. Hochzufrieden, wie bislang immer bin ich mit dem Essen. Der Service freundlich, schnell und ohne Tadel. Das Preisniveau ist voll berechtigt.

Hier beim Krieger in Mariaort kehre ich künftig gerne wieder ein. 9 von 10 Punkten gemessen an meinem persönlichen Anforderungsprofil an ein gut-bürgerliches bairisches Gasthaus.

Meine charmante Begleiterin schließt sich meinem Urteil vollumfänglich an. Schön, wenn wir das häufiger so erleben würden.

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Post Scriptum:

Manche Hähne glauben, dass die Sonne ihretwegen aufgeht.

(Theodor Fontane)


Um einen lokal ansässigen Herren mit Nachnamen Schrepfer zu beruhigen, der, wie mir zugetragen wurde (Screenshots liegen mir vor), gerade über mich in justiziabler Weise auf Facebook vom Leder zieht:
 

Der im Artikel verwendete Ausdruck "schrepfern" bezieht sich, keineswegs auf ihn, sondern auf die Figur des Johann Georg Schrepfer in Theodor Fontanes Meisterwerk Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Fontanes Werk im Allgemeinen und nämliche Charakterstudie ist Kennern der deutschen Literatur im Allgemeinen geläufig und war zumindest in den 1980er Jahren noch Teil des Lehrplans an bayerischen Gymnasien, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.
Ironisch freilich: Just dieses Verhalten des sich über einen Insiderausdruck des Bildungsbürgertums wie "schrepfern" echauffierenden "Zeitgenossen Schrepfer", den mein guter alter Deutschlehrer am Ludwigsgymnasium in Straubing damals so gern gebrauchte, fügt sich nahtlos in den Entwurf der Wesenszüge von Fontanes literarisch ausgedeuteter Figur des Johann Georg Schrepfer (1738-1774), der übrigens auch Friedrich Schiller als Vorbild für die zentrale Figur seines Romanfragments Der Geisterseher diente ...
 

Wer noch keine Urlaubslektüre hat, dem lege ich die Lektüre der Wanderungen durch die Mark Brandenburg warm ans Herz, selbst wenn die Reise nicht dorthin führen sollte.

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