Allesamt waren es italienische Lokale, allesamt taten sie sich offenbar schwer mit dem, für Gastronomen nicht zwingend einfachen Umfeld des im Regensburger Norden lebenden Publikums, rund um die Isarstraße.
Zugegeben: Bei den Vorgängern waren die Pizze nicht gut, nicht schlecht: Pizze eben, wie man sie überall bekommt. Das restliche Speisenangebot war kaum geeignet Wonneschauer zu verursachen.
Warum also in den Regensburger Norden fahren, extra wegen einer Pizzeria? Das war früher - heute ist heute. Und heute durften Madame und ich dort unter neuer Regie und neuem Namen eine veritable Überraschung erleben ...
von Robert Bock
Madame reagiert einigermaßen skeptisch, als ich sie an diesem Dienstagabend mit meinem Entschluß konfrontiere, dass die heimische Küche heute kalt bleibe und wir einen Spaziergang in die Isarstraße 64 unternehmen würden. Dort habe ein neuer Italiener eröffnet und dem, so mein Plan, würden wir heute einen Besuch abstatten. Madame kräuselt die Stirn: Ein neuer Italiener? In der Isarstraße ...?
"Und was ist, wenn es dort nicht schmeckt?"
Unser letzter Besuch - damals unter anderer Führung und anderem Namen - dürfte mindestens drei Jahre her sein. Viel hat sich am Interieur nicht verändert, es wirkt aber alles frisch und herausgeputzt. Kein Wunder: das Lokal hat vor kaum einer Woche neu eröffnet.
Ein Feuerwerk an innenarchitektonischen Impressionen darf man sich hier keinesfalls erwarten, wohl aber den gediegenen Charme einer schlichten, ehrlichen italienischen Pizzeria, sehr bequeme Stühle, solide Tische, Stofftischdecken und eine Kerze auf jedem Tisch. Die Beleuchtung ist angenehm und nicht zu hell, die Hintergrundmusik - italienische Popmusik, was sonst? - säuselt vernehmbar, aber leise.
In der Vitrine zeigt die Küche, was sie in Sachen kalter Antipasti anzubieten hat: Das sieht alles sehr, sehr schön aus und macht Lust, ein gemischtes Tellerchen vorab zu probieren.
Eine waschechte italienische Mamma begrüßt uns freundlich und bringt uns die Karte. Eine schöne Karte, die sich ausnehmend interessant liest und unsere Erwartung, mit der wir das da Carmine betraten, deutlich übertrifft. Eine schöne Auswahl an Pasta und Gnocchi-Gerichten, überschaubare Fleisch- und Fischgerichte und drei Nachspeisen (Tiramisu, Panna Cotta, Tartufo). Eben nicht nur 27 Pizze (33 cm), von der Margherita für 5,80 EUR bis zur Pizza Carpaccio (Tomaten, Mozarella, Rindercarpaccio auf Ruccola, frische Champignons und Grana Padano) für 11,90 EUR - das Lokal trägt die Bezeichnung Ristorante, gemessen an der Auswahl an Speisen, zurecht.
Uns beiden war heute nach Pizza. Wer hier keine findet, findet nirgends eine. Es befinden sich auf der Liste die Klassiker (z.B. Margeritha, Calzone, Capriccisiosa, Quatro Stagioni, Quatro Formaggi) aber durchaus auch einige nicht ganz alltägliche Ideen der Küche, wie beispielsweise die Pizza Da Carmine, für die ich mich heute entscheide: Wenn eine Pizza den Namen des Hauses trägt, dürfte sich der Wirt etwas dabei gedacht haben und genau diese Pizza will ich dann für Euch auch probieren ... Die Kurzbeschreibung der Da Carmine liest sich extravagant: Sahne, Mozzarella, Salbei, scharfe Salami, Parmaschinken. Sahne auf der Pizza? Na, da bin ich drauf gespannt ...
Vorab teilen sich Madame und ich aber einen Gemüseteller aus der Vitrine namens "Verdure". Auf der Karte für 7,70 EUR. Madame bestellt ein Radler (ja, tatsächlich!) der Erl-Brauerei in Geiselhöring (3,80 EUR) , ich einen Viertelliter Nero d'Avola aus Sizilien für 4,60 EUR (akzeptabel an Gaumen und Nase, aber keine weitere Einlassung wert).
Der Gemüseteller ist eine ausgesprochen reichhaltige, vielfältige Angelegenheit mit wunderbar gegrilltem Gemüse und einem ofenfrischen Weißbrot dazu. Das Olivenöl, das dazu serviert wird, ist für ein vergleichsweise einfaches italienisches Lokal sensationell aromatisch und mit dem frisch gebackenen Brot einfach eine Wucht. Eine wunderbare Vorspeise - und der Teller, der für eine Person gemacht ist, locker und leicht als Vorgericht ausreichend für zwei Personen. Na, wenn das so weitergeht ...?
Madame bestellt sich eine Pizza Capricciosa. Ihr Sonderwunsch (keine Paprika, dafür Zucchini) wird lückenlos umgesetzt.
Die Pizza ist optisch oppulent und lappt leicht über den Teller.
Wer auf die reine Größe der Pizza Wert legt, der ist in anderen Läden besser bedient, wer allerdings ein Freund üppigen und qualitativ ausgezeichneten Belags ist, der kommt an der Pizzeria da Carmine vermutlich nicht vorbei.
Eine solche gehaltvoll belegte Capricciosa habe ich persönlich selten gesehen, würde mich aber nicht als Pizzeria-Experten bezeichnen. Der Boden ist nicht zu dick, nicht zu dünn, trotz reichlich Belag in keinster Weise durchgesifft, sondern durchgängig superknusprig, ohne verbrannt zu sein. Der Pizzabäcker versteht sein Handwerk! Da kann man nicht meckern. Macht Madame auch nicht und wundert sich, wie sie so skeptisch hatte sein können, als ich eine Stunde zuvor vorschlug, hier vorbeizuschauen.
Meine Pizza da Carmine (9,60 EUR) ist ein echter Hammer.
Die Idee flüssige Sahne und frischen Salbei - wunderbar aromatische Qualität! - mit Parmaschinken und scharfer Salami nebst Mozzarella zu vereinen, verdient einen Pizza-Oscar.
Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass das die interessanteste und überraschendste Pizza war, die ich in den letzten fünf Jahren gegessen habe. Bravo!
Hungrig sollte man aber sein, denn das Ding ist enorm sättigend. Macht nichts, wenn man's nicht zwingen sollte: die freundliche Signora packt, was übrig bleiben sollte, gerne in Alufolie für daheim ein.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen die ausgezeichneten Messer zur Pizza. So ein durchdachtes und funktionelles Schneideinstrument haben weder Madame noch ich bislang in einer Pizzeria erlebt. Da hat jemand Verständnis für den Gast und weiß, wie sehr es nervt, wenn man Pizza mit einem Messer schneiden muss, auf dem man bequem nach Napoli reiten könnte ...
Ein Dessert passt heute nicht mehr rein, aber ein Espresso geht immer. Ein Espresso der Marke Manuel für 1,80 EUR in allerfeinster Qualität (dick, dass der Löffel steht, schokoladig, spitze!) versüßt den Abschluß. Noch ein Bravo! So können das eben beinahe nur die Italiener. Und ein Preis unter zwei Euro ist extra lobens- und erwähnenswert. So sollte das generell sein: Jeder der mehr verlangt und noch dazu nur Mittelmaß serviert, sollte sich schämen.
Zeitsprung 1 ... Sonntagmittag: nach einem langen Vormittagsspaziergang fehlen Madame und mir die Lust daheim zu kochen. Ausweg? Holen wir uns auf dem Heimweg doch einfach eine Pizza in der Pizzeria da Carmine! Probe aufs Exempel: Wird diese ausgezeichnete Pizza da Carmine, die wir uns teilen wollen (zum Mitnehmen nur 6,90 EUR) - die mit dem Sahneguss und Salbei - auch aus dem Karton schmecken?
Sie schmeckt. Ebenso ausgezeichnet wie im Lokal. Ich habe beim Warten Gelegenheit, dem Chef über die Schulter zu schauen: er geht seinem Beruf mit Liebe und Sorgfalt nach, belegt jede Pizza sehr akribisch und streichelt sie förmlich in und aus dem Pizzaofen ... Der Duft, der mir als Zaungast in die Nase steigt ist unbeschreiblich. Das Lokal ist Sonntagmittag erstaunlich gut besucht. Was die Küche schickt, sieht ausgezeichnet aus: Teller für Teller: ob Pizza, ob Pasta, ob Insalata.
Zeitsprung 2 ... Eine gute Woche nach unserem Erstbesuch ein weiterer Besuch zum Abendessen - diesmal zu Dritt: Madame, ich und Geschäftsbesuch aus der Ukraine. Wir ordern wieder den Antipasti-Teller "Verdure". Diesmal finden sich darauf ein paar sehr schöne und schmackhafte Variationen zum zuletzt präsentierten Teller: Wunderbare gegrillte Paprika mit einer Kruste von Semmelbröseln und Parmesan sowie gratinierter Lauch: Ausgezeichnet!
Zum Hauptgang: Diesmal bestelle ich zur Abwechslung mal eine Pizza Deliziosa (Tomate, Käse, Schinken, frische Champignons) für 7,70 EUR. Auch diese Pizza ist ohne Fehl und Tadel. Sie kommt zwar nicht an meinen persönlichen Favoriten, die Pizza da Carmine, heran - die bestellt sich diesmal Madame und macht einen glücklichen Eindruck - aber ich bin sehr zufrieden.
Dazu zu Dritt ein Fläschchen 2013er Chianti Superiore zu fairen 15,50 EUR. Ein Chianti ohne Fehl und Tadel und um Klassen besser als die typischen, oft inakzeptablen offenen Weine in italienischen Lokalen. Die gereichten Rotweingläser sind zwar etwas dickwandig und robust, aber allemal akzeptabel für ein Restaurant dieses Anspruchs. Diesen Chianti würden wir wieder bestellen und können wir jederzeit empfehlen.
Unser Fazit: Das Ristorante-Pizzeria da Carmine ist ein gemütliches, freundliches, im besten Sinne nicht überkandideltes Lokal, das wir gerne wieder besuchen werden. Die Speisen waren ausgezeichnet zubereitet, die Zutaten von sehr guter bis hervorragender Qualität, der Service freundlich und aufmerksam, die Preise zivil. Der Prototyp des sprichwörtlichen "kleinen Italieners um die Ecke".
Wir hoffen, dass das Team des Ristorante-Pizzeria da Carmine das Niveau der ersten Wochen halten können wird. Sollte das der Fall sein, wird das Lokal seinen Weg machen, das halten wir für sehr wahrscheinlich.
Wir sprechen auf Basis unseres heutigen Erstbesuches deshalb eine Empfehlung für die Freunde einfacher, klassischer italienischer Küche und Pizze aus, die kein Vermögen ausgeben, aber trotzdem gut essen wollen.
P.S. Bis zum 31.03.2016 gibt es als Eröffnungsangebot jede Pizza zum Mitnehmen außer Haus für 6,90 EUR.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://auswaertsessenregensburg.blogspot.de/p/rechtliches.html) und in der Datenschutzerklärung von Google (https://policies.google.com/privacy?hl=de).
Dein Kommentar wird sichtbar, sobald er von mir geprüft wurde. Spam und Verstöße gegen die Nettiquette sind Ausschlußkriterien.