Freitag, 15. Dezember 2017

Genuss habe Tradition im Rimini, heißt es ...

Wo ...? In einem Flyer, den ich neulich aus meinem Briefkasten gefischt habe. Tradition seit 1961 genau genommen.

Ein altes Schwarzweißfoto des Eiscafés Rimini in der Brandlberger Straße 86 in Regensburgs Norden ziert diesen Flyer. Ein Foto aus einer Zeit, da ich noch nicht geboren, geschweige denn geplant gewesen bin.

Ich sehe vier Gutscheine zum Ausschneiden: "Bei Bestellung von zwei Hauptgerichten erhalten Sie das günstigere Gericht gratis" steht da. Ferner: "Gültig bis 2018". Was heißt das? Bis kurz vor Jahreswechsel am 31.12.2017 oder bis Ende 2018? Erst denken, dann drucken ...

Ich kenne das Rimini. Einen Eisbecher habe ich dort vor vielen Jahren mal verdrückt und ein paar Jahre später Apfelstudel mit Vanilleeis und Kaffee. Aber Pizza ...? Nein, soweit ich mich entsinne nicht. Das soll sich ändern ...
von Robert Bock

An einem Abend, an dem ich zu faul zum Kochen bin, rufe ich meine charmante Begleiterin an, ob sie Lust auf Pizza, Pasta, Putenfleischgerichte oder Döner habe, denn ich sei im Besitz eines Gutscheines, der uns ein preislich ermäßigtes Abendessen ermögliche. Sie hat. Nie sagt sie Nein. Sie ist verfressen wie ich ...

Wir erreichen das Rimini, da ist es draußen bereits zappenduster. Kurz nach 20 Uhr sind wir, bis auf ein Pärchen, das im Zahlen begriffen ist, die einzigen Gäste. Ok, von daher also die Notwendigkeit einer Gutscheinaktion ...

Der Lieferdienst scheint ordentlich zu laufen. In schwarzen Thermoboxen verlassen regelmäßig Pizzen das Lokal. Man schält sich ungern aus der Jogginghose in dieser Gegend. Man läßt liefern, frisst vor der Glotze mit ungewaschenen Fingern aus der Pappschachtel, schaut dabei den Kochprofis oder dem Perfekten Dinner zu und gewöhnt sich dabei en passant ans Essen auf Rädern im Alter. Naja, ich will nicht unfair sein: Sonntagmittag putzt man sich und die Kinder durchaus mal fesch heraus: Dann schlüpfen er - sobald der Bundesliga-Talk auf Sport1 vorbei ist, versteht sich - in seine Schnellfickerstiefel, sie in ihre Tigerprint-Leggings und man tafelt beim Schachtelwirt oder Buffet-Chinesen ...

Das Interieur des Rimini wirkt zusammengewürfelt, abgenutzt und nicht besonders einladend. Das Licht färbt die Gesichter fahl, die Geräuschkulisse ist enorm und irgendein Gebimmel und Gepiepse nervt wie das des Aufbackautomaten in meiner Lidl-Filiale. Den dürfte der IS meinetwegen irgendwann nach Ladenschluss in die Luft sprengen, damit eine seiner verbrecherischen Aktionen wenigstens irgendeinen Mehrwert hätte. Mich würde es nicht stören, denn erstens kaufe ich, wenn ich schon mal Brot kaufe, kein mittelmäßiges Aufbackbrot, aber vor allem rauben mir diese Totengräber des Bäckerhandwerks mit ihrem Gebimmel und Geklingel beim Einkaufen den Nerv.

Kaum sitzen wir, bedient uns eine freundliche junge Dame, die es offenbar nicht gewohnt ist, dass Gäste die sehr, sehr umfangreiche Multi-Kulti-Speisekarte ausgiebig studieren. Wiederholt zieht das Mädel unverrichteter Dinge wieder ab, weil wir noch immer nicht gewählt haben. Dabei ist es so einfach: Beobachte die Gäste und wenn sie noch in der Karte lesen, dann haben sie mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht gewählt. Klappen sie die Karte zu, unterhalten sie sich mittlerweile ohne in die Karte zu schauen, suchen sie gar Blickkontakt mit Dir, dann könnten sie soweit sein ... Mich beschleicht mildes Mitleid mit allen Gastronomen, die mit ungelernten Kräften im Service arbeiten müssen.

Irgendwann klappt es dann doch. Meine charmante Begleiterin entscheidet sich für eine verwegene Pizza namens BBQ mit Barbecuesauce, Rinderhack und roten Zwiebeln, deklariert mit diversen Zusatzstoffen (wohl ob einer Convenience-BBQ-Sauce), in der 28cm-Variante. Ich für die Pizza Rimini mit Vorderschinken, Salami, frischen Champignons, Oliven, Artischocken und Peperoni mit 33 cm Durchmesser.

Die Pizza Döner oder die Pizza Sucuk hätte mich ebenfalls gejuckt. Wenn ich schon alle heilige Zeit einmal in so einem Schuppen einkehre, darf der gute Geschmack auch mal pausieren. Getreu dem Motto der Juden: "Wenn schon Schweinefleisch, dann muss es triefen ..."

Hier kein Schwein, denn hier mutmaßlich Muslime. Ich vermute, orientiert an der Speisekarte, türkischstämmige Mitbürger, die das Lokal führen. Interessanterweise laufen teils griechische Schlager im Hintergrund. Wir wundern uns ...

Wir wundern uns auch über unsere dunklen Weizen, die wir höchst skeptisch bestellt haben, denn die Marke Thurn&Taxis verspricht im Regelfall nichts Gutes. Aber nein, dieses dunkle Weizen kann man doch tatsächlich trinken! Man hätte uns das Bier flotter schicken können, um uns die Wartezeit auf die Pizza zu überbrücken. Das Bier kam 15 Minuten nach der Bestellung zusammen mit dem Essen. Der Chef am Ausschank war mit seiner Kasse beschäftigt und ist offenbar kein Multitasker ...

Meine Pizza Rimini stimmt mich zufrieden, ohne mich zu begeistern. Dafür ist mir der Teig am Rand zu dick und zu wenig knusprig. Am Belag gibt's - bis auf die kernlosen, eingefärbten Industrieoliven - nichts auszusetzen.

Schön ist das Chiliöl dazu. Schön scharf, o lala! Ein Knoblauchöl ist ebenfalls in der Menage. Das habe ich aber mit Rücksicht auf die Menschen, denen ich am darauffolgenden Tag begegnen werde, nicht probiert.

Ob es eine gute Idee ist, BBQ-Sauce über eine Hackfleischpizza zu träufeln, bezweifeln wir beide nach Genuss des anderen Teigfladens entschieden.

Es wird bei diesem einen Versuch bleiben - gleich, wo auch immer sich künftig Vergleichbares auf der Karte zeigen sollte.

Der Chef persönlich kümmert sich ums Kassieren. Er ist - wie alle Mitarbeiter - von ausgesuchter Freundlichkeit.

Einen Grappa gibts gratis aufs Haus im Multi-Kulti-Rimini im Multi-Kulti-Viertel. Wenn wieder Sommer ist und man auf der Terrasse sitzen kann, ist's hier gemütlicher.

Drinnen bedarf es meiner Ansicht nach einer grundlegenden Renovierung und eines strikten Ausschaltens aller belästigenden Lärmquellen aus dem Bereich der Küche.

Geschieht das nicht, wird's bei dieser meiner Einstufung bleiben: Ein wettergeschützter Imbiss mit solider Pizza und freundlichem Personal, aber keinem einzigen Alleinstellungsmerkmal, das mich zwingen würde hier erneut, oder gar regelmäßig einzukehren, zumal in fußläufiger Entfernung Davide de Lorenzis in der Pizzeria da Carmine in der Isarstraße zu vergleichbaren Preisen und in angenehmem Ambiente Pizza von Weltklasseniveau serviert.

2 Kommentare:

  1. Wenn Sie so gut kochen und von Gastronomie soviel verstehen wie Sie schreiben, sollten Sie unbedingt ein Restaurant eigenverantwortlich betreiben. Gruß PJ

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    1. Vrrsuchen Sie's doch mal mit Restaurantkritik. Mit dem Schreiben und Lesen scheint's ja ganz gut zu klappen.

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