Nein, das kommt gar nicht in Frage! An Weihnachten will ich mich auf keinen Fall ärgern müssen. Schon gar nicht, wenn es um ein so symbolbeladenes Gericht wie die Weihnachtsgans geht, die ich heuer ausnahmsweise nicht selbst zubereite.
Es gibt wenige professionelle Köchinnen und Köche im Raum Regensburg, denen ich zu 99% vertraue, dass Sie mir am zweiten Feiertag eine butterzart gegarte Gans mit knuspriger Haut, handgemachten Reiberknödln, Blaukraut und einer Soße zubereiten werden, in die ich mich am liebsten hineinlegen möchte. Nur einen gibt es, dem ich in dieser Hinsicht zu 100% vertraue, und der heißt Werner Faißt, seines Zeichens Wirt und Küchenchef im Landgasthof Heilinghausen - und das seit beeindruckenden 27 Jahren.
von Robert Bock
Ich habe schon häufiger über Werner Faißt, seine Frau Christiane, die kongeniale rechte Hand ihres Mannes in der Küche, beider an Topf und Herd (kein Wunder bei diesen Eltern!) nicht minder versierte Tochter Stephanie, und das Nesthäkchen Katl berichtet, die in höchstprofessioneller, freundlicher Art und Weise den Service verantwortet, organisiert und selbst in Höllentempo auf- und abträgt ohne, dass sie je auch nur einen Anflug von Hektik dabei verbreitet. Vier bemerkenswerte Menschen, vier Persönlichkeiten, Urgestein ostbairischer Gastronomie.
Auch an diesem zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 2017 ist der Gasthof schon um halb zwölf beinahe vollbesetzt und meine charmante Begleiterin und ich haben nur mit Glück, und nur für die frühe Mittagszeit, ein Tischlein für uns beide erreservieren können.
Falls wir Gans oder Ente möchten, sollten wir diese bitte vorreservieren, denn die gebe es an Weihnachten nur auf Vorbestellung, teilt uns Katl Faißt am Telephon mit. Wir vorbestellen beide Gans. Wenn Weihnachten, dann Gans - was sonst?
Im Stadl, dem geschmackvoll im Landhausstil dekorierten großen Nebenraum platziert man uns. Die Tischdekoration ist dem Feiertag angemessen, nicht zu kitschig, nicht zu üppig, genau richtig und stimmig ins atmosphärische Gesamtkonzept integriert.
Wir werfen einen Blick in die Karte des Tages, obschon unser Hautgang ja schon feststeht. Ein Vorspeiserl vielleicht? Oder lieber ein Dessert ...? In Anbetracht der Völlerei an beiden hinter uns liegenden Feiertagen, fällt ein Vorgang heute aus. Was das Dessert angeht, wollen wir uns nach der Gans erneut Gedanken machen.
Zwei Halbe "Bernstein-Bier" vom Naabecker-Bräu, das speziell für den Zusammenschluss von Wirten "Genuss am Fluß" gebraut wird, verkürzen uns die angesichts der Vollauslastung von Küche und Service angemessene Wartezeit. Werner Faißt betritt den "Stadl" und begrüßt seine Gäste - Tisch für Tisch.
Er ist ein Profi durch und durch und weiß, dass es nicht nur darauf ankommt, tadellos aus besten Zutaten zu kochen, sondern dass die Liebe zu einem Gasthaus nicht nur durch den Magen geht, sondern auch an die Sympathie zu den Personen gebunden ist, die es betreiben.
Die Portion Gans ist weder zu groß, noch zu klein und duftet in ihrem knusperbraunen Kleidchen himmlisch auf ihrem rechteckigen Teller. Das Fleisch ist schmackhaft und butterzart. Besser kann man das nicht machen - mein Weihnachten ist gerettet!
Ein Reiberknödl, zweifelsohne hausgemacht, handgedreht und in seiner Art der mit Abstand beste, den ich je im Umkreis von 25 Kilometern in Regensburg genießen durfte, ruht linkerhand in einer feinglänzenden, leicht abgebundenen, heißen Soße, die mit Äpfeln verfeinert ist.
Gerne bringe sie uns bei Bedarf noch mehr Soße und Blaukraut, verspricht uns Katl Faißt, bevor sie uns in ihrer unnachahmlich Art - die ganze Frau ein Lächeln! - einen Guten Appetit wünscht. Der komme mit dem Essen, meint der Volksmund. Im Landgasthof Heilinghausen stellt er sich heute mit dem ersten Bissen ein - und das mit Macht.
Meine charmante Begleiterin brummt vor Wonne wie eine Grizzly-Bärin, mich nervt nicht mal das Gekreine des unausgeschlafenen Kleinkinds zwei Tische weiter: Großartig! So muss Weihnachtsgans schmecken und zwar mit seiner gesamten Entourage.
Vom Knödl und der superben Soße war bereits die Rede, das Blaukraut fügt sich ohne Fugen ins stimmige Gesamtbild eines Festschmauses, der diesen Namen sich redlich verdient. Respektive die Küche rund um Herrn und Frau Faißt. 18,90 Euro sind keinesfalls zu hoch gegriffen für ein Ganserl dieser Qualität und Zubereitung.
Die Gans liegt wohlig im Magen und hat noch etwas Platz gelassen. Meine charmante Begleiterin wünscht sich eine Nougat-Mousse, ich mir etwas Obst. Allerdings in Form eines Mandarinen-Sorbets.
Beide Desserts sind zwar schlicht dargeboten, jedoch geschmacklich wundervoll. Die helle Nougat-Mousse schmilzt, feine Haselnuss- und Schokoladenaromen hinterlassend, förmlich auf der Zunge.
Das Mandarinen-Sorbet schmeckt kräftig nach vollreifer Mandarine und einem Hauch von deren Schale. Sehr schön! Ich könnte mir dieses herb-frische, nur verhalten süße Sorbet auch sehr schön als erfrischenden Zwischengang vor dem Hautgang in einem großen Menü vorstellen.
Werner Faißt serviert die Rechnung und setzt sich für ein paar Minuten zu uns an den Tisch. Über 30 Jahre harte Arbeit in der Küche hinterlassen Spuren. Die Hüfte zwicke und ewig werde sie nicht mehr mitspielen ...
Ich wünsche Werner Faißt ganz eigennützig noch viele Jahre unter Dampf in seinem Landgasthof in Heilinghausen im schönen Tal des Regen nördlich von Regenstauf.
Kocht er dort dereinst nicht mehr, wird dies für die Gastronomie der Region einen großen, kaum wettzumachenden Verlust bedeuten.
Wer dort schon war, der wird's bestätigen, wer noch nie dort gespeist hat, der sollte das schleunigst auf seine Agenda für's Jahr 2018 setzen.
Mit diesem Artikel - dem 95. Blogbeitrag im sich neigenden Jahr 2017 - über ein ausgezeichnetes Feiertagsessen beschließe ich mein kulinarisches Jahr würdig und wünsche allen Leserinnen und Lesern von auswärts essen regensburg einen guten Rutsch und ein in jeder Hinsicht erfreuliches Jahr 2018.
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