Freitag, 29. Juni 2018

Ein Grieche, nahe dran am Original

Endlich, endlich habe ich einen gefunden: Einen Griechen, der Speisen wie in  Hellas' Tavernen anbietet.

Nein, keine dieser Spelunken in der Umgebung von Sightseeing-Hotspots, wo Pauschaltouristen abgefertigt werden, sondern eines der Lokale  in denen die Einheimischen verkehren.

Keine Metaxa-Soße, keine Gyros-Kalamari-Teller, weder Apollon-Spieß noch Meteora-Platte für 2, 4 oder 6 Personen. Und auf keine Poseidon-Platte mit vietnamesischem Pangasius samt kreuzlangweiligem Tomatenreis. Den serviert man nirgendwo in Griechenland, mit Ausnahme der Touristenfallen. Endlich ein Grieche, zu dem sich - jawohl! - sogar eine Anfahrt von mehr als 100 Kilometern lohnt!

Wo? In Karlshuld. Where the f...?!  Zwischen Ingolstadt und Neuburg an der Donau. Hamos - Greek Taverna & Bar heißt der Laden und seine Chefin hört auf den schönen Namen Chrisoula.

Ihr hat  mindestens wie mir gestunken, was die Masse ihrer Landleute ihren Gästen hier in Deutschland vorzusetzen sich erdreisten. Genau deswegen hat sie sich in den Kopf gesetzt, es besser zu machen und am 02. Juni 2017 ihr Lokal eröffnet. Nahe dran an den Originalen ihrer Heimat will sie sein. Es ist ihr unterm Strich gelungen. Doch irgendwas ist halt immer. So auch hier ...
von Robert Bock

Frisch, modern, doch erkennbar griechisch präsentiert sich das Hamos von außen und innen. Der gestalterische Spagat zwischen Taverne und Bar ist nicht einfach zu meistern.

Ich sehe gerne, was ich esse. Für meinen unmaßgeblichen Geschmack ist es im Gastraum zum Essen eine Nuance zu dunkel; mag sein, dass aber genau dieses Schummrige den Charme des Barbetriebs zu späterer Stunde ausmachen wird.

Maria, eine charmante junge Griechin, die den Service heute schmeißt, bringt uns die Speisekarten. Die sehen aus wie Platzgedecke aus abwischbarem Papier.

Abgewischt hätte man sie auch besser, denn die Spuren der Gläser und Speisen die zuvor darauf gestanden haben, sind noch deutlich erkennbar.
Schon ist die 10 - die Bestnote meiner persönlichen Bewertungsskala - dahin. Dabei hat es noch gar nicht richtig begonnen ...

Das Prinzip der Küche des Hamos orientiert sich an dem einer Mezeteria: Tavernen in Griechenland, die auf Mezedakia, "griechische Tapas", spezialisiert sind.

Prinzip: Die Tischgemeinschaft bestellt aus der umfangreichen Speisenauswahl kleine Teller voll mit griechischen Schweinereien und verzehrt sie gemeinsam. Hat man Lust auf mehr von einem, dann halt noch einen Teller oder zwei. Dazu nach gusto entweder Ouzo, Bier oder Wein.

Das Weinangebot im Hamos in Karlshuld gefällt mir. Nicht diese immergleiche, nichtssagende halbsüße Plörre von Weingiganten wie Tsantali oder Achaia Claus - ordentliche Weine von hierzulande eher unbekannten Weingütern, vornehmlich von der Peloponnes und das in ansehnlicher Auswahl. Allerdings, bis auf den roten und weißen Hauswein, nur in ganzen Flaschen, diese aber fair bepreist.

Wir bestellen erstmal eine Flasche Wasser und zweimal einen halben Liter des weißen Hausweins (Roditis-Savatiano vom Weingut Lafzanis). Serviert wird in respektablen Weingläsern.  Sogar einen mit Eiswasser gefüllten Weinkühler stellt uns Maria dazu.

Wir studieren die Karte und ich freue mich wie ein Snidsel. So pflegt man in Griechenlands Touristenfallen Schnitzel zu schreiben. Viele wundervolle, hierzulande kaum auf einer griechischen Karte zu findende Leckereien! Herrlich! 

Eingeteilt ist die Karte in die Rubriken Ouzo (ja, Ouzo ist ein Aperitif und keinesfalls ein Digestif; man trinkt ihn also vor, nicht nach dem Essen, vorzusgweise verdünnt mit kaltem Wasser oder auf Eis) Brot, Mezedes, Käse, Fleisch, Fisch (was im Hamos Meeresfrüchte einschließt) und Dessert.

Was muss ich da entdecken? Hinweise auf zu deklarierende Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker und ähnlichen Mist, der in ehrlicher Küche nichts, aber auch gar nichts verloren hat?!

Zwar betrifft dies nur fünf Gerichte, aber weshalb, frage ich mich, kann man einen Tirosalata und Tirokafteri nicht selbst herstellen? Das ist weder aufwendig noch langwierig!

Warum sind die Gigantes offensichtlich aus der Dose? Getrocknete weiße Riesenbohnen über Nacht wässern, kochen, Sugo, Backofen, Punkt?!? Was ist dabei? Die Muschelgerichte sind geschwefelt. Konservenware - schade.

Meine charmante Begleiterin und ich verzichten aus Prinzip auf diese fünf speziellen, zusatzstoffschwangeren Gerichte und halten uns an den Rest, der keinen Ziffernsalat ausweist.

Was die Küche schickt, schmeckt so, wie es schmecken muss: so wie in Griechenland und ist aus frischen Zutaten handwerklich gekonnt zubereitet.

Gut, ich hätte mir hie und da einen etwas großzügigeren Umgang mit Zitrone oder frischer Petersilie gewünscht. Z.B. im Falle des Panzarosalata - Rote Beete braucht Säure, ja sie frisst sie förmlich!, aber heut will ich nicht so sein. Öl fehlte der Roten Beete leider gänzlich.

Maria bringt uns Olivenöl - leider ein nur schwer genießbar bitteres Öl mit muffigen Fehltönen und das MHD ist knapp überschritten. Nein, eine Ausrede, man würde das Fläschchen, sobald leer, mit frischem Öl aus einem Kanister wiederbefüllen, verfinge nicht, denn derlei Praxis hat der Gesetzgeber, um Betrugsversuche (billiges Öl in Flaschen edler Marken) zu unterbinden, verboten ...
Keine gute Werbung für Griechenlands Olivenöl, wenn es denn tatsächlich griechisches Öl war, woran meine charmante Begleiterin - eine der Olivenölexpertinnen Deutschlands und selbst Olivenölproduzentin - und ich leise zweifeln.

Die griechische Loukaniko (gegrillte griechische Bratwurst) ist sehr gut (aber auch ihr hätte ein wenig Zitronensaft gut getan!), der Taramosalata hausgemacht und ohne Tadel, die Patates tiganites (Pommes) hervorragend (die bestellen wir sogar nach!), obgleich leider nicht in Olivenöl frittiert, wie sich's gehört.

Die Melizana psiti (gegrillte und mit Feta gefüllte Aubergine) großartig. Ebenso die Kolokithokeftedes (Zucchinipuffer), die ich selten außen so knusprig und innen so fluffig-cremig gegessen habe.

Das Bifteki ist gut, aber nicht umwerfend. Ein Bifteki halt ... Meine Begleiterin sieht's anders: Sie liebt dieses Bifteki. Die Geschmäcker sind verschieden, meiner ist keines Menschen Referenz.

Die Souvlakia sehen aus, wie sie aussehen müssen, sind würzig und saftig, wie sie sein sollen, da aus Schweinenacken gemacht. Nicht wie diese furztrockene, flach aufgeschnittene Karikatur von Souvlakia aus Snidselfleisch, der einem regelmäßig bei uns vorgesetzt wird.

Wir loben die Souvlakia. Maria freut sich und erzählt, es habe sich unlängst ein Gast beschwert, was das denn hier für komische Souvlaki sein sollen?! Seiner Ansicht nach, seien das nämlich gar keine "richtigen" griechischen Souvlaki. Es stellte sich schließlich heraus, dass der gute Mann noch nie in Griechenland gewesen war und Souvlakia nur von hiesigen "Griechen" kannte. Soviel zu uns Deutschen; solchen der besonders liebenswerten Sorte, die ein gewisser Gerhard Polt so gern aufs Korn nimmt ...

Die kleinen, im tiefen Fett herausgebackenen Sardellen (Gavros) sind gut, aber nicht besser als anderswo; wenigstens reicht man uns die mit einem Schnitz Zitrone.

Der Tzatziki ist leider, leider eine Riesenenttäuschung. Ich schmecke Quark - das Kardinalverbrechen.

Quark gibt es nicht in Griechenland. Man verwendet ausschließlich vollfetten griechischen Joghurt aus Schafs- und/oder Ziegenmilch für einen original Tzatziki. Ob Dill rankommt oder nicht, da kann man drüber diskutieren - über die Quarkfrage nicht.

Schade! Sehr schade. Ausgerechnet beim Tzatziki solche Ursünden aus der Epoche hiesiger griechischer Gastronomie, als man in Deutschland noch keinen "richtigen" Joghurt auftreiben konnte und man sich deshalb ersatzweise mit Quark behalf.

Heute sind das Ausreden; heute bekommt man passablen vollfetten Joghurt mit mindestens 10% Fett in jedem gut sortierten Supermarkt. Erst recht bei den Grossisten. Wer sich selbst daheim einmal den Verdammt nochmal besten Tzatziki der Welt zubereiten will, der halte sich an dieses Rezept. Meines nämlich - unschlagbar. Ich liebe mich überigens für meine mir ureigene Bescheidenheit ...

Wir bestellen zwei griechische Mokka zum Abschluß - hervorragend! Dazu eine Portion Galaktoboureko (zu wenig Füllung, der Teig nicht knusprig genug) mit Vanilleeis (leider nicht hausgemacht).

Maria bringt uns aufs Haus eine Eigenkreation der Chefin: Ouzo mit Kaffeelikör on the rocks. Kann man lassen. Daumen hoch!

Zur Rechnung spendiert Maria uns noch einen Tsipouro (griechischer Grappa) auf Eis und wir haben viel Zeit ihn zu genießen, denn die Technik will nicht wie sie soll und wir können nicht mit Karte bezahlen.

Gut, dass die nächste Sparkasse nur 200 Meter entfernt liegt, sonst wäre das Begleichen der Rechnung ein Problem geworden. Wenn Technik, dann muss sie zuverlässig funktionieren. Solche Situationen sind für jeden Gast unangenehm und zu vermeiden. Ich meine, dazu gibt es keine zwei Ansichten.

Für 79,20 Euro plus Trinkgeld haben wir sehr gut und größtenteils authentisch griechisch gegessen. Für den Tzatziki mit Quark und die fünf Gerichte auf der Karte aus der Convenience-Ecke gibt es Abzüge, die meines Erachtens vermeidbar gewesen wären.

So landen wir bei einer 7,5 auf meiner Skala von 1 bis 10. Das ist viel. Die griechischen Kollegen erreichen selten eine 4. Das Hamos-Konzept ist prima, die angesprochenen Nachlässigkeiten mir unverständlich, behebbar und müssen nicht sein.

Trotzdem: Das Hamos ist der beste "Grieche", den ich in Deutschland bislang kennenlernen durfte. Vielleicht, weil hier eine Griechin das Regiment führt und kein mit Selbstüberschätzung schwanger gehender Mann.

Das hochgelobte Eleon in Nürnberg? Kann meines Erachtens nicht ansatzweise mit dem Hamos in Karlshuld mithalten.

Jederzeit komme ich gerne nach Karlshult zurück und kehre hier ein, wenn ich in der Gegend bin. Selbiges empfehle ich meiner geschätzten Leserschaft. Und sei es nur des Eindrucks willen, wie es bei einem Griechen auch schmecken kann.



1 Kommentar:

  1. DANKE für Euren Besuch & Euren ausgiebig, supertoll verfassten Erfahrungsbericht über das Hamos!
    Toll, dass wir uns "nahe dran am Original" bewegen....
    Doch irgendwas ist halt immer. So auch hier....
    Unserer Küchenfee Nana, haben wir versucht das Wort Quark zu übersetzen ( selbst Google hat nicht geholfen =κουαρκ). O-Ton von Nana: να μου φέρει κουαρκ, να μάθω και εγώ πως κάνουν το τζατζίκι με κουαρκ..( den Rest erspare ich Euch... den Nanas Tzatzikiehre war angeschlagen)
    DANKE auch für Eure empfundenen Nachlässigkeiten, wir geloben Besserung!
    Auf ein Wiedersehen, freut sich das komplette Hamos Team

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