Samstag, 20. Mai 2017

Im Landgasthof Birnthaler in Krachenhausen

Vor 13 Uhr sei leider kein Platz für zwei Leut im Haus mehr frei, bedauert am anderen Ende der Leitung Georgine Birnthaler. Sie ist die Chefin des Landgasthofs im Heitzenhofener Weg 13 in Krachenhausen bei Kallmünz, der ihren Familiennamen trägt.

Zwar ist heute der 1. Mai, aber der Wetterbericht droht ab dem frühen Nachmittag mit Regen. Auf einen Platz auf der Terrasse getrauen sich meine charmante Begleiterin und ich uns deshalb nicht einzulassen.

Den Hörer in der Hand taxiere ich lautlos meine Chancen um 13 Uhr noch einer Portion Schweinshaxn, Spanferkel oder Ente teilhaftig zu werden, stürze mich dann aber Hals über Kopf ins Abenteuer und bitte Frau Birnthaler einen Tisch für diese Uhrzeit freizuhalten ...
von Robert Bock

Die Fahrt von Regensburg nach Krachenhausen am linken Ufer der still und sacht dahinfließenden Naab ist landschaftlich sehr reizvoll.

Das Navi meint, wir hätten unser Ziel erreicht, biegen um eine scharfe Kurve: Vor uns Autos, Autos, Autos, Motorräder dicht an dicht und Fahrrad neben Fahrrad: Der Fünf-Flüsse- und der Naabtal-Radweg führen hier vorbei, kein Wunder.

Hinter den Fortbewegungsvehikeln ein wahres Schlachtschiff von einem Wirtshaus hinter einer großen, eingedenk der Hochwassergefahr, erhöht angelegten, baumbestandenen Terrasse. Ein großer Spielplatz und eine hauseigene Bootsanlegestelle für die Kanu-Wanderer runden die Szenerie ab. Das also ist der Birnthaler, der "in und um Kallmünz sowie weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt" sei, wie die Homepage des Lokals verkündet. Wir sind hier, um herauszufinden weshalb ...

Gepflegt wirkt das Anwesen und zahlreiche Servicekräfte im Dirndl und böhmischem Akzent tragen auf und ab, was die Küche im Akkord schickt. Trotz Stress findet eine jede und jeder die Zeit, neuankommende Gäste zu begrüßen. Das gefällt uns.

Georgine Birnthaler selbst führt uns an unseren Tisch in einer mit viel Massivholz vertäfelten Stube im beliebten wie beliebigen Landhausstil, den man von Tirschenreuth bis Berchtesgaden allerorten in Altbayern findet, wo vor rund zwanzig Jahren in der Gastronomie neu gebaut oder grundlegend renoviert wurde. Noch heute gibt es Menschen, die diesen Stil zeitgemäß, ja überraschenderweise zeitlos finden.

Für meinen Geschmack wirkt alles hier ein wenig überdekoriert, aber mir muss die Einrichtung ja nicht gefallen. Das Gesamtkonzept muss in sich stimmig sein - dessen ist das Interieur nur ein Teil. Dieses Oberpfälzer Landgasthaus, das mit dem Claim antritt "Einkehren und sich wohlfühlen im Naabtal" zeigt sich, zumindest vom Corporate Design her betrachtet, stimmig mit seiner Speisekarte, wie auszuführen sein wird: Never change a running system - es hat sich seit 18 Jaheren bewährt, weshalb ein Jota ändern? Wo sich doch die Küche zudem ziemlich unflexibel gibt, wenn der Gast einen Sonderwunsch kundtut. Zumindest, wenn er dies, wie anderswo üblich, ohne Extrakosten erwartet. Hiervon wird zu reden sein ...

Landhauskitsch, patiniertes Holz, grün-rotes Karo - schön und gut, aber auf dem Tisch steht zu viel Zeug herum, das hier nichts zu suchen hat: ein Aufsteller mit Werbung für den Hausschoppen, ein Ständer mit Wein-, Digestif - und Eiskarten, Salz und Pfeffer, ein Teller mit in grünen Papierservietten eingerolltem Besteck, ein Bierfilzlhalter - man findet auf dem durchaus großen Tisch kaum Platz, sich selbst ein wenig auszubreiten. Mich erinnert das an alte Wienerwald-Zeiten in den 1970er Jahren. Die Älteren in meiner Leserschaft werden sich erinnern ...

Die Weinkarte ist für ein bairisches Wirtshaus umfangreich, läßt aber eine klare Linie vermissen: Aus jedem Dorf ein Köter, scheint mir den roten Faden, sofern man von einem sprechen möchte, am besten zu beschreiben. Die Deklaration der Weine ist amateurhaft und unvollständig. Wer auch immer Familie Birnthaler in Weinangelegenheiten berät, er sollte sich einen anderen Beruf suchen. Möglicherweise einer jener Weinhändler mit ihren verwilderten Sortimenten, die es jedem Recht machen wollen und ihr Sortiment möglichst vollumfänglich an den Wirt zu bringen trachten ... Nein, hier kein Wein, hier lieber Bier, so mein Entschluß.

Die Bedienung kommt flott, bringt uns die laminierte Sonntagskarte (2 Seiten DIN A4 ohne Desserts und Getränken darauf), die allerlei Klassiker, aber auch Gerichte beinhaltet, die ich für ein niveauvolles Wirtshaus, von dem ich erwarte, dass dort gerade Sonntags handwerklich sauber, frisch und ohne Convenience-Einsatz gekocht wird, für entbehrlich halte. Allein die Tatsache, dass die Tageskarte laminiert ist, deutet darauf hin, dass man beim Birnthaler auf Standardisierung des Speisenangebotes große Stücke hält. Reicht doch auch, dass sich die Wasser der Naab in stetem Fluß befinden, soll wenigstens das Wirtshaus an seinen Ufern ein fester Fels der Beständigkeit sein ...

Beim Verlassen des Lokals werden wir übrigens auf einer unscheinbaren Schiefertafel im Biergarten lesen, dass es heute auch Schäuferl und weitere Tagesgerichte gegeben hätte. Also doch ein Funken Abwechslung ...? Sehr schade, dass niemand vom Service beim Aufnehmen der Bestellung es für nötig befunden hat, uns auf das Vorhandensein von Tagesgerichten hinzuweisen, so wie das anderswo üblich ist. Und auch wenn der Tisch mit Werbematerial übersät war: Platz für eine rasch am Morgen ausgedruckte Tageskarte wäre noch gewesen.

Zur Standard-Sonntagskarte im Detail:

Spätzle und Schwabenteller haben in einem Lokal bei Kallmünz nichts auf der Karte verloren, insbesondere nicht, wenn keine Schupfnudeln/Bauchstechala angeboten werden. Auch nicht ein für mich persönlich anachronistisch klingendes Pfeffersteak mit Cognacrahm und Kroketten. Was ein Dino-Schnitzel mit Pommes auf der Kinderkarte sein soll, will ich mir lieber nicht vorstellen, vermute aber dahinter  industriell in Dinosaurierform gebrachte Convenience-Schnitzelchen, die in der Fritteuse baden dürfen.
Ein einziges Fischgericht ziert die Karte des zur Erinnerung unmittelbar an der Naab gelegenen Wirtshauses - paniertes Fischfilet.

Ich brauche keine drei Versuche, um zu erraten, woher der Fisch nicht stammt: Aus der Naab mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht. Es gibt in der Oberpfalz so viele hervorragende Fischzuchtbetriebe, die Karpfen, Forellen und Saiblinge anbieten. Wer, im Namen der heiligen Dreifaltigkeit, braucht angesichts dessen ein "paniertes Fischfilet" ohne nähere Bezeichung des verwendeten Speisefisches? Metro? Deutsche See? Convenience, wie ich sie mir daheim auch zubereiten kann, ohne vom Kochen viel Ahnung besitzen zu müssen? Fischstäbchen stattdessen wären zumindest ironisch gewesen.

Als frech, dreist und unverschämt empfinde ich persönlich den kleingedruckten Hinweis am Fuß der Karte, man berechne 50 Cent Aufschlag bei Umbestellungen zwischen 11 und 14 Uhr.

Es wird Gründe haben, die in Affinität zum Gotte Mammon vermutlich mehr, als zum Wohl des Gastes ihren Ursprung haben dürften. Zumindest ist dies meine Meinung als Gast, vielleicht stehe ich damit alleine auf weiter Flur, vielleicht auch nicht.

Entweder es sind keinerlei Umbestellungen möglich, weil sie den in Fließfertigung organisierten Produktionsablauf in der Küche unterbrechen, oder man räumt der Zufriedenheit seiner Gäste oberste Priorität ein und Umbestellungen sind - wie andernorten selbstverständlich - eine aufpreisfreie Selbstverständlichkeit. Dieses Vorgehen jedoch, dem Gast beispielsweise sein Anliegen zu erfüllen, er wünsche lieber Spätzle als Industrieknödel zum Schweinsbraten, mit einem Aufschlag zu bestrafen, grenzt in meinen Augen an Gotteslästerung: Der Gast ist nicht König, der Gast ist Gott, denn er zahlt die Gehälter der Angestellten und sichert die Existenz der Wirtsfamilie.

Zwischen 11 und 14 Uhr hat Gott ausgerechnet sonntags im Birnthaler Sendepause: Wünsche darf er offenbar nur äußern, wenn er einen Top-Zuschlag bezahlt. Wie reich ich mittlerweile wäre, bezahlte mir der Allmächtige für jeden meiner Verstöße gegen die zehn Gebote 50 Cent ...?

Wir ordern beide wieder einmal das Gleiche: Zwei Weißbier und zwei halbe hintere Schweinshaxn aus dem Holzofen mit Reiberknödl und Salat der Saison für 9,20 EUR. Das Weißbier - Jura-Weizen vom Plank in Schwandorf - kommt zügig und auch die Haxn lassen nur wenige Minuten auf sich warten.

Ich will mit dem Postiven eröffnen ...

Das Weizen schmeckt frisch, fruchtig und süffig und der Beilagensalat ist hervorragend. Alle Komponenten (Kartoffel-, Kraut-, Gurken- und Karottensalat) sind hausgemacht und schmecken prima, die grünen Blattsalate sind von knackig-frischer Optimalqualität. Das Dressing ist zwar recht süß, aber durchaus rund und gelungen.

Nun zum leider weniger Erfreulichen ... 

Die Haxn waren zu lange im Ofen, sind nur im Kern des Muskelfleisches zart und weich, ansonsten deutlich über dem Idealpunkt und folglich trocken wie die Kehle eines Wüstenwanderers.

Die Kruste ist keine Kruste, sondern mit den Messern im Birnthaler, auf deren Schneide man unverletzt zurück nach Regensburg reiten könnte, kaum zu schneiden, geschweige denn zu kauen.

Kein lustvolles Knuspern im Mund, das sich einstellt, ohne der dumpfen Sorge um die Haltbarkeit seiner Zahnfüllungen anheimzufallen, trocken das Fleisch - es will sich leider bei uns beiden keine Freude an dieser Schweinshaxn einstellen.

Der Reiberknödl kommt aus der Knödelfabrik und ist der Klonknödel, den leider die überwiegende Mehrheit der Gastronomen der Region dem Gast mittlerweile unterjubelt.

In der Stadt erwarte ich selbstgemachte, handgedrehte Reiberknödel schon gar nicht mehr, so wenig Küchenehre traue ich der Masse der Gastronomen in der Stadt zu - doch sogar auf dem Land werden sie leider immer seltener. Ich werde nicht müde, das zu rügen: Der handgemachte Knödel ist für mich eine Visitenkarte bairischer Küche.


Speist mich mit Industriefraß ab, und ich führe aus, was ich persönlich davon halte: Ein Industrieknödel bringt die Einstellung der Wirtsleute zum Gast auf den Punkt. Solcher Knödel wegen, gehe ich jedenfalls nicht in ein Wirthaus. Das gliche Playback, statt Orchester in der Oper akzeptieren. Der breiten Masse, die das eine nicht vom anderen unterscheiden kann und es von daheim her oft nicht mehr anders kennt, seit die Oma nimmer lebt, mag das gleichgültig sein - mir nicht!

Die Soße ist zwar ihrem Geschmack nach sauber zubereitet, aber mutmaßlich mit einem ordentlichen Schuß Zuckercouleur in satt-dunkle Farbe versetzt. Wozu? Ich werde derartiges Tarnen, Tricksen und Täuschen in Bayerns Gastronomie wahrscheinlich nie verstehen. Muss ich auch nicht. Ich muss nur wissen, wo getarnt, getrickst und getäuscht wird und wo ich folglich nicht mehr aufzukreuzen brauche, weil mich mein Geld reuen wird.

Man wird vermutlich zugunsten des Birnthalers einwenden, anders als mit Convenience-Einsatz werde man einem derartigen Durchsatz an Mahlzeiten bei einer - meines Erachtens - zu umfangreichen Karte nicht Herr.

Gut, dann stehe man auch offen dazu, dass man in Krachenhausen handwerkliche Qualität der Quantität zu opfern bereit ist und irgendwann beschlossen hat, bevorzugt Busladungen voller Touristen, ledergeschürzte Rentnerhorden auf knatternden Harleys und ausgehungerten Radlern eine Art "niveauvoller Kantinenküche" gepaart mit bairischer Landhausfolklore, Spielplatz und Bootsanlegesteg zu offerieren.

Zu mehr reichte es nach meinem persönlichen Dafürhalten im Landgasthof Birnthaler nämlich an diesem 1. Mai 2017 leider nicht. Das uns Gebotene erreicht unterm Strich leider nur mit Mühe regionales Durchschnittsniveau.

1 Kommentar:

  1. Ich kann Ihrem Kommentar in allen Punkten voll und ganz zustimmen. Wir waren diesen Sonntag beim Birnthaler zu dritt beim Essen. Das Wirtshaus oder Gasthaus wird uns nicht mehr als Gäste begrüßen können.Zwischenzeitlich habe ich ein neues Motto: Ich reise kilometerweit für einen traditionellen Reiberknödel. Liebe Grüße

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