Nein, kein "Buffet-Chinese", kein "All-you-can-eat" - à la carte ist angesagt im Restaurant Peking. Klingt anachronistisch und genau deswegen reizvoll. Zumindest für mich.
Jahrzehntelang residierte an gleicher Stelle ein beliebtes vietnamesisches Restaurant, das ich als Student gelegentlich besucht habe. Das aber schloss vor geraumer Zeit seine Pforten. Jetzt kocht man hier also chinesisch ...
von Robert Bock
Chinas Regionalküchen sind, vergleichbar den Küchentraditionen Deutschlands, Frankreichs oder Italiens, breit gefächert und unterscheiden sich in den Zutaten, Gewürzen und Zubereitungstechniken immens voneinander. Von der chinesischen Küche zu sprechen verbietet sich also im Grunde.
Peking: Der Name des Lokals deutet auf die nordchinesische Lu-Küche hin: Reichlich Teigwaren (Nudeln, Maultaschen (Jiaozi), Pfannkuchen ...) Die taditionelle Lu-Küche kenne ich aus eigener Anschauung von einer längeren Reise in den Norden Chinas und seiner Hauptstadt leidlich gut. Was im Restaurant Peking in Regensburg zubereitet wird, hat mit nordchinesischer Küche allerdings nicht viel zu tun. Was nicht schlecht sein muss, denn das Reich der Mitte - das viertgrößte Land der Welt - ist ein Paradies für verfressene Menschen wie mich ...
Die Eingangstüre sei kaputt, lesen wir, an den lieben Gast gerichtet, auf einem handgeschriebenen Zettel. Rechts herum, durch die Gartentür möge er sich bitte seinen Weg ins Lokal bahnen. Rechts herum finden wir keine Gartentür. Wir versuchen es erfolgreich mit links.
Ein gut gelaunter Koch in einer Zigarettenpause weist uns im kleinen, noch nicht bestuhlten Biergarten des Lokals, mit Händen und Füßen gestikulierend, den Weg.
Durch die Eingeweide des Hauses finden wir schließlich in den Gastraum. Die herzlich und keine Spur "aufgesetzt freundlich" agierende Hausherrin - 150 Zentimeter (hochgegriffen!) konzentrierte Energie! - begrüßt und schlägt uns einen Tisch vor.
Noch ist nicht viel los im Peking, aber, wie der Zufall so will, sitzt, in einer Damenrunde drei Tische weiter, eine gute "alte" Freundin, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Kati versteht etwas von gutem Essen und wenn Kati hier speist, klingt das nach einem guten Omen ...
Des Interieurs wegen besucht niemand dieses Restaurant. Da ist viel Luft nach oben. Vor allem der geflieste Fußboden, die nackten Fenster und die Beleuchtung verströmen Imbiss-Atmosphäre statt Gemütlichkeit. Das ist in China allerdings nicht unbedingt anders. Auch dort finden sich (gute) Restaurants, deren Ambiente den westlichen Gast befremdet.
Wer schon immer mal original chinesische Rockmusik hören wollte, kommt auf seine Kosten. Mir gefällt sie besser als das übliche Chinarestaurantgedudel, auf das ich mindestens so sensibel reagiere wie auf eine Überdosis Glutamat, frage mich aber im Nachgang dieses Abends, ob der Gesang von gepfählten Hauskatzen herrührte oder doch zum Repertoire menschlicher Laute rechnet.
Die Chefin bringt zweierlei Speisekarten: Eine"klassische" mit den allerorten üblichen und austauschbar klingenden China-Restaurant-Menü-Angeboten und eine doppelseitig bebilderte und in Deutsch und Chinesisch beschriftete, laminierte Karte in DIN A3.
Diese Karte ist - für hiesige Verhältnisse - eine kleine Sensation! Was dem Gast hier offeriert wird liest sich tatsächlich nach China und hat mit dem pan-asiatischen, austauschbaren Zeug, das Buffet-Asiaten üblicherweise anbieten, so viel zu tun wie Schweinsbraten mit Tofuschnitzel Madagaskar.
Lu-Küche aus dem Raum Peking allerdings eher Fehlanzeige, dafür eine ganze Menge Sichuan-Küche: Zentralchinesische, wuchtig gewürzte Speisen. Mit reichlich Szechuan-Pfeffer, der, in guter Qualität, die Zunge betäubt wie eine Spritze beim Zahnarzt.
Meine Begleiterin und ich rutschen geflasht auf unseren Stühlen hin und her: Wer hätte gedacht, dass sich ein solch authentisch-chinesisches Speisenangebot zu bezahlbaren Preisen im Herzen Regensburgs findet?
Wir bestellen zwei kalte Vorspeisen, die wir uns, ganz nach chinesischer Sitte, teilen wollen: Rindfleisch der fünf Wohlgerüche (*hach was für ein appetitanregender Name!) und Rindfleisch und Kutteln gekocht, kalt serviert in Chiliöl, Frühlingszwiebeln, Sesam und Erdnüssen - scharf. Ja, richtig gelesen: Kutteln! Meine Bekannten Stefan, Wolfgang und Lucki würden sagen: "Geiles Zeug". Also: her damit!
Das Rindfleisch der fünf Wohlgerüche stellt sich als hauchdünn aufgeschnittener, butterzarter kalter Tafelspitz (oder Bürgermeisterstück?) heraus, der mit einer scharf gewürzten Ölsoße zum Dippen gereicht wird. Den Umgang mit Stäbchen zu beherrschen, gereicht zum Vorteil.
Meine Zungenspitze ortet Szechuan-Pfeffer. Wir befinden uns also mit dieser Vorspeise mutmaßlich in der Sichuan-Tradition. Sehr schön, obgleich nicht spekktakulär, eher schlicht und für eine Vorspeise für 6 Euro eine mehr als ordentliche Portion. Ich würde dieses Gericht wieder bestellen.
Dies gilt auch für das Kuttel-Gericht. Das ist aromatisch eine echte und tatsächlich ordentlich scharf gewürzte Granate.
Ich rate Euch, etwaige kulinarische Vorbehalte gegen Rindermägen beiseite zu schieben und diesem Gericht eine Chance zu geben, wenn Ihr dem Restaurant Peking einen Besuch abstattet.
Als Hauptspeisen - begleitet von duftigem Reis - teilen wir uns zum einen Schweinebauch lang geschmort mit Zimt, Sternanis, Lorbeer, Ingwer in Sojasauce, garniert mit pochiertem Shanghai-Kohl.
Butterzart ist gar kein Ausdruck! Leichter Druck mit der Zunge genügt und das herrlich aromatische, langsam geschmorte Schweinefleisch zerfließt förmlich auf der Zunge! Die Soße ist kräftig und spiegelt sämtliche annoncierten Gewürzkomponenten rund balanciert wieder.
Ein wunderbares Gericht, das ich wärmstens empfehlen kann - obwohl der annoncierte pochierte Shanghai-Kohl durch profane Ringe von der Frühlingszwiebel ersetzt wurde.
Das zweite Hauptgericht liest sich auf der Karte wortwörtlich so: "Meeresfrüchte mit Gem ü se Pilz in Speziell Sichuan Gew ü rze."
Das lass ich mal so stehen; ich denke jeder kann es dechiffrieren. Wer einen Eindruck der authentischen Sichuan-Küche gewinnen will, bestelle sich dieses nett in einem kleinen Wok servierte Gericht und staune, was Gewürze im Mund für Faschingsumzüge veranstalten können.
Ich rate allerdings dazu, dieses Hauptgericht ans Ende einer Speisenfolge zu stellen, denn Eure Zunge wird für mindestens 10 Minuten betäubt und unempfänglich für zartere Aromen sein. Die Komponenten dieses Gerichts sind allesamt hochwertig, kompetent zubereitet und vielfältig.
Wie alle anderen Speisen bis hierher: Für ostbayerische Verhältnisse großes chinesisches Kochkunstkino! Und das zu arbeitnehmerfreundlichen Preisen - wie auch das Dessert, das sich meine Begleiterin gönnt:
Gebackene Bananen mit Honig. Vier große, frisch zubereitete und wunderbar gelungene Chunks. für 2,80 Euro. Da kann man nicht meckern.
Wir zahlen für je zwei Vor- und Hauptspeisen, ein Dessert und drei Getränke rund 56 Euro plus Trinkgeld.
Das ist etwas mehr, als man bei einem Buffet-Asiaten üblicherweise hätte bezahlen müssen. Hier im Peking aber haben wir - im Unterschied zum Einheitskantinenfraß dort - chinesische Kochkunst auf - ich will nicht übertreiben, weil ich die chinesische Küche auch auf sehr hohem Niveau in China kennenlernen durfte - gehobenem Niveau erlebt und waren sehr zufrieden und pappsatt.
Wenn wir wiederkommen, dann bestellen wir einen Tag vorab (so empfiehlt es die klassische Speisekarte des Lokals) einen Chinesischen Feuertopf vor. Der scheint so etwas wie die Spezialität des Hauses zu sein. Viele Tische um uns herum hatten diesen vorbestellt und das Gericht könnte einen Selbstversuch wert sein.
Fazit: Lange nicht hat mir der Besuch eines asiatischen Lokals im ostbayerischen Raum so viel Freude und Genuss bereitet. Deswegen spreche ich eine Empfehlung aus, sich im Restaurant Peking selbst einen Eindruck zu verschaffen, was chinesische Küche auch bedeuten kann. Am Ambiente sollte man meines Erachtens arbeiten, aber diesen Aspekt stelle ich - beeindruckt von der Küchenleistung - heute hintan.
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