Samstag, 8. Juni 2019

Im Spitiko in Fürth

Seit langer Zeit bin ich auf der Suche nach einem "Griechen", bei dem tatsächlich auch authentische griechische Küche serviert wird. Küche, die so schmeckt wie in Griechenland - dort wo die Einheimischen verkehren, nicht die Touristen.

Meine Odyssee verschlug mich neulich nach Fürth. Dort führt Donatos "Toni" Siochos sein Restaurant namens Spitiko.

Mir war das Spitiko über dessen Facebook-Präsenz aufgefallen. Das häufig variierte Angebot an Speisen klang interessant, kreativ und ausgesprochen authentisch. Kein pseudogriechischer Bullshit wie "Gyros mit Metaxa-Soße" oder  Gyros-Kalamari zusammen auf einem Teller. Im Spitiko hat man sich für das Prinzip Mezedopolio/Ouzerie entschieden - hierzulande vor allem in der spanischen Variante Tapas-Bar bekannt.

Würde ich in Fürth mein Ithaka finden ...?
von Robert Bock

Einen Parkplatz vor dem Spitiko der Gustavstraße 16 in der Fürther Altstadt zu finden war nicht einfach. Hoffentlich entschädigt die Qualität der Küche des Spitiko für die Stadtrundfahrt.

Übler griechischer Kitsch fehlt beinahe völlig im Spitiko, jedoch kann sich das Ambiente in dem historischen Gebäude nicht so recht entscheiden, ob man hier Schäufala mit Klöß oder griechische Meze erwarten soll.

Eine junge Dame, die man gut und gerne für eine Griechin halten könnte, bringt die Karte. Eine der spannendsten Speisekarten, die ich je bei einem Griechen in Deutschland gesehen habe. Wie angedeutet: Kein Mist, weder Poseidonplatte noch Meteora-Spieß noch Gyros.

Gyros ist Touristenfraß, den man in Griechenland nur in Touristenfallen verfüttert, um überwürztes, demnächst iüberständiges Fleisch noch unters Volk zu bringen.

Allenfalls in den USA oder Australien sozialisierte Griechen, die sich nicht bewußt sind, wie weit sie sich bereits von der Esskultur der Heimat ihrer Vorfahren entfremdet haben, sehen das wahrscheinlich anders. "Richige", traditionsverwurzelte Griechinnen und Griechen bevorzugen, wenn es Fastfood sein soll, Souvlaki.

Souvlakia in der Edelvariante mit Lammfleisch finden und bestellen meine Begleiterin in Fürth. Dazu einen gemischten Teller mit kalten Mezedakia, Stifado vom Rind, Patates tiganites (griechische Pommes), Leber, geschmort mit roten Zwiebeln, Kalamaria und einen nicht unbedingt typisch griechisch, aber kreativ klingenden Salat von Gelben Linsen mit Roter Bete, Walnüsssen, Minze und Olivenöl.

"Theloume ..." Ich will auf griechisch bestellen, scheitere aber mit meinem Ansinnen. Die mutmaßliche Griechin versteht kein Griechisch, nicht einmal die Namen der Gerichte, die auf Griechisch (in lateinischen Buchstaben) in der Karte stehen, kann sie einordnen. Einigermaßen verstörend ... Gut, dann eben auf Deutsch und unter Vermeidung griechischer Vokabeln aus der Karte.

Wenn Olivenöl als Zutat in der Karte eines griechischen Lokals extra annonciert wird, wie im Fall des Linsensalates, schwant mir nichts Gutes ... Olivenöl - von guter Qualität und reichlich! - ist das sine qua non griechischer Kochkunst. Kein Grieche in Griechenland würde auf die Idee kommen, explizit darauf hinzuweisen, dass es Ingredienz einer Speise sei ...

Schade, dass es diesem Gericht fehlte. Doch, doch: Ein Öl war am kaum vorhandenen Dressing, aber Olivenöl nach meinem Dafürhalten nicht. Billiges, geschmacksneutrales Sonnenblumenöl vielleicht. Diesen Eindruck erwecken an diesem Abend leider durchgängig alle ansonsten überwiegend kompetent zubereiteten Speisen im Spitiko.

Der Tzatziki hat meiner Meinung nach mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen vollfetten griechischen Joghurt, sondern billigen Quark zur Gundlage. Aus dem Eimer vom Großhändler ist er wie bei geschätzt 90% der hiesigen "Griechen" zwar nicht, aber mit einem Original-Tzatziki hat das, was uns serviert wird, nicht viel zu tun. Eher mit dem "Knoblauchquark" der 1970er-Generation der ersten "Griechen" in Deutschland, die mangels griechischem Joghurt hierzulande auf deutschen Quark ausweichen musste.

Schade, dass deren Kinder und Kindeskinder offenbar nie richtigen Tzatziki gegessen haben, sonst würden sie sich schämen, dem Gast eine Karrikatur dieses kulinarischen Kulturgutes zu offerieren. Toni, ja: das Reiben und Auspressen echter Gurken ist mühsam; ja: griechischer Joghurt ist teurer als Quark ... Tzatziki ist eine Visitenkarte jedes "Griechen", Tzatziki kannst du, musst du besser können!

Das Lammsouvlaki ist großartig: saftig, zart, perfekt gebraten. Ebenso die Kalamaria. Die Leber mit Roter Zwiebel schmeckt so lecker wie sie auch in Griechenland serviert wird. Die Pommes sind handggemacht, jedoch nicht in Olivenöl frittiert, so wie sich das für Griechen ziehmt.

Dem Stifado hätte eine stärkere Reduktion der Rotweinsauce und die Verwendung von Mavrodaphne gut getan, ansonsten sensationell, dieses Nationalgericht hierzulande überhaupt auf einer Speisekarte zu finden - auch wenn es nicht, so wie das Original es erfordert, mit Kaninchen zubereitet wurde.

Die Kolokithokeftedes auf dem Meze-Teller sind hervorragend. Die Dolmadakia sind von Tonis Mama handgerollt und schmecken, naja, wie von Mama! Mehr Lob kann man eigentlich kaum spenden. Die Fava schmeckt leider nach nichts und hat kaum Öl gesehen. Ein Klecks des Erbspürees auf den Teller, mittig eine tiefe Mulde rein und diese mit erstklassigem Olivenöl randvoll machen - so und nicht anders darf Fava serviert werden. Im Spitiko aber kommt Fava daher wie ungewürztes Moltofil.

Weshalb füllt Toni 1/3 seine Meze-Platte mit Bergen widerwärtiger Peperoni aus dem Glas und Pita-Dreiecken aus dem Großhandel? Bekomm ich so auch bei Lidls Hellas-Wochen. Das verdient kein Gast angesichts des ambitionierten Preises dieses Tellers und dem ausgelobten Anspruch des Lokals.

Das mutmaßliche kreative Glanzstück - der vegane Linsensalat mit Gedöns - erweist sich, so wie er uns serviert wurde, leider als handwerklicher Fehlschlag: Die Linsen sind viel zu kurz gegart, das lässt schwere Verdaulichkeit befürchten. Ja, ich weiß, gelbe Linsen sind ruckzuck matschig. Sie auf den Punkt zu garen erfordert Erfahrung, ungeteilte Aufmerksamkeit und Liebe zu Perfektion. Sie nahezu roh zu belassen ist in meinen Augen unverantwortlich, denn Hülsenfrüchte enthalten Phytotoxine, die man durch gründliches Kochen  unschädlich machen muss.

Diesem Salat fehlt es außerdem an der Säure eines hochwertigen Essigs und überhaupt an Dressing, vor allem aber am annoncierten Olivenöl. Die Walnüsse stammen meines Erachtens aus einer Tüte bereits geschälter Nüsse - denn genauso flach und staubig schmecken sie. Ich hätte sie zumindest kurz in der trockenen Pfanne aktiviert, oder gar ein wenig karamellisiert. Alles an diesem Linsensalat wirkt ein wenig prochiro, wie man in Griechenland sagen würde ... Das bairische Adjektiv halbscharig trifft die Wortbedeutung zwar nicht perfekt, aber hinreichend.

Mir langts! Wie kann man eine derart sensationelle Karte formulieren und sich's dann durch Geiz und Schlampigkeit versauen?! Mag sein, dass das die meisten Gäste diese Nachlässigkeiten gar nicht merken, aber eine Entschuldigung darf das nicht sein. Meine Enttäuschung möchte ich heute ausnahmsweise unter sechs Augen eruieren ...

Wir bitten die Bedienung, uns den Chef zu schicken. Toni Siochos setzt sich auf meine Einladung hin - ja, es wird länger dauern - zu uns. Ich lobe, was zu loben ist und konfrontiere Toni konstruktiv, d.h. mit sehr konkreten Verbessungsvorschlägen, mit meinen persönlichen hier nachzulesenden Kritikpunkten.

Quark?! Natürlich sei das griechischer Joghurt am Tzatzik und selbstverständlich durchgängig Olivenöl, verteidigt er sich reflexartig. Ich bitte den Küchenchef und Wirt, mir tief in die Augen zu schauen und das zu wiederholen ... Toni weiß wer meine Begleiterin ist, auch wenn sich beide heute zum ersten Mal real begegnen. In Kreisen griechischer Gastronomen kennt man die Olivenölqueen aus Tegernheim, deren Olivenöl in der gehobenen und Spitzengastronomie Deutschlands einen hervorragenden Ruf genießt. Wenn vielleicht mir - ihr, der Griechin, braucht er nicht versuchen, einen Bären aufzubinden.

Dass seinem Linsensalat zu wenig Säure und zu wenig Dressing spendiert worden sei, lässt Toni nicht auf sich sitzen, eilt in die Küche und kehrt mit einer Portion mit reichlich Dressing zurück.

Sein zuständiger Mitabeiter habe mit dem Schöpflöffel leider nicht tief genug in der Salatschüssel gebaggert ... Ja, so schmeckt er besser, aber noch immer nicht gut. Dass ein Grieche nicht selbst die Veranwortung für den Mist trägt, den er baut, sondern seinen Mitarbeitern, den Göttern des Olymp, oder der Türkei anlastet, kenne ich aus meiner Zeit in Griechenland noch gut.

Toni Siochos - in Deutschland geboren und aufgewachsen - ist aber einer der wenigen griechischen Männer, die ich kennengelernt habe, die ein offenes Ohr für konstruktive Kritik haben. Das imponiert mir. Anders als Griechinnen, sind Griechen meiner persönlichen Erfahrung nach nämlich allzu oft - und das regelmäßig grundlos -  von sich und ihrem Können überzeugt und von jetzt auf gleich auf 180, wenn man es wagt, das Ergebnis ihres Schaffens zu kritisieren. Wer je erlebt, wie in Griechenland der männliche Nachwuchs verhätschelt und verzogen wird, versteht weshalb das so ist  ... Wenn jedes Häuflein, das ein Knäblein scheißt ein Weltereignis ist, erwirbt kein Junge einen objektiven Maßstab.

Für mich persönlich ist es ein Hauptgrund der Dauerkrise Griechenlands: Zu wenige Frauen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, zu viele Männer in Machtpositionen, die obendrein weniger durch Leistung, als durch Abstammung und Beziehungen auf Posten und Pöstchen sitzen, für die sie nicht qualifiziert sind, dies aber keineswegs als Problem betrachten. Ersetzte man bloß die Hälfte der Männer, die die Schaltstellen der griechischen Res publica blockieren durch Frauen, dem Land ginge es, davon bin ich überzeugt, binnen weniger Jahre blendend!

Toni Siochos durfte ich als sehr freundlichen und umgänglichen Menschen kennenlernen, der durchaus offen ist für andere Meinungen. Liebend gerne hätte ich an dieser Stelle verkündet, meine Odyssee habe in Fürth ein Ende gefunden, endlich, endlich hätte ich ein rundum hervorragendes, authentisch kochendes griechisches Lokal gefunden.

Erneut zerschellt meine Hoffnung an Sparsamkeit an der falschen Stelle: OLIVENÖL! GUTES GRIECHISCHES OLIVENÖL! GRIECHISCHER JOGHURT, kein Quark! Es muss ja nicht nicht unbedingt das Weltklasse-Olivenöl meiner Begleiterin sein, aber bittschön ein halbwegs schmackhaftes griechisches Olivenöl.

Lieber bezahle ich 50 Cent mehr pro Teller, schwelge dafür aber kulinarisch in elysischen Gefilden. Stehe ich mit so einem Wunsch denn wirklich auf einsamem Posten?!

Falls Toni Siochos an den wenigen, aber maßgeblichen aufgezeigten Stellschrauben dreht, wird das Spitiko für mich eine der ersten Adressen griechischer Gastronomie in Deutschland sein. Vielleicht schlage ich ja irgendwann und wenn, dann unangekündigt, wieder in der Fürther Altstadt auf, dann werden die Karten neu gemischt ...

Derweil geht meine Odyssee weiter - mal sehen, an welche Gestade es mich künftig verschlägt ...

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