Mittwoch, 19. Juni 2019

Manuel Kellners kulinarische Grenzgänge

Es gibt im Raum Regensburg nur eine gute Handvoll Lokale, deren Wiederholungsbesuch mich fragen läßt, weshalb ich dort nicht öfters einkehre.

Stattdessen setze ich mich, retrospektiv betrachtet, leider viel zu häufig dem Risiko grundlegender gastronomischer Inkompetenz, kulinarischer Schurkenstücke und daraus resultierender Frustration aus. Und das nur, um darüber zu schreiben und mir den Unmut aus meiner Sicht völlig zurecht schlecht kritisierter Dilletanten und ihrer anspruchslosen Stammgäste zuzuziehen?!

Eines dieser Handvoll Lokale, die ich persönlich als "sichere Bank" einstufe, ist der Gasthof Kellner in Gundelshausen bei Kelheim.

Zum mittlerweile vierten Mal werde ich heute hier zu Gast sein und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zufrieden den Heimweg antreten. Obwohl ... Normalerweise ist ja immer irgendwas.
von Robert Bock

Küchenchef Manuel Kellner hat den elterlichen Betrieb mit seiner Frau vor gar nicht langer Zeit erst übernommen. Hineingewachsen ist er von Kindesbeinen an und Verantwortung trägt er bereits lange für den Stil der Küche und deren Performance.

Wer in einem dörflichen Landgasthof im oberpfälzisch-niederbayerischen Grenzgebiet einkehrt, erwartet zurecht solide bairische Bratenküche und deftige Brotzeiten. Das bekommt er hier in sehr guter Qualität zu Preisen mit Bodenhaftung auch geboten. Familie Kellner bezieht ihre Ware bevorzugt von Erzeugern aus der Region: Den gerade angesagten Spargel und die Erdbeeren beispielsweise aus dem nahen Kapfelberg, den Salat vom Gemüsehof Espach.

Doch Manuel Kellner ist, so habe ich ihn in der Vergangenheit wenigstens kennengelernt, zu sehr Koch mit Leib und Seele, als dass er sich auf traditionelle Wirtshausküche beschränkte.

Nicht nur während der mittlerweile zur regionalen Institution avancierten Kelheimer Schmankerlwochen, das ganze Jahr über finden sich Gerichte auf der Karte, die über eine bloße Bewahrung der Tradition hinausweisen, auch wenn dies manchmal nur in bemerkenswerten, teils erstaunlich innovativen Details der Fall ist.

So leidenschaftlich Manuel Kellner tüftelt und experimentiert, seine Kreativität unterwirft er einer völlig legitimen Maxime: Sein Essen muss den Geschmack seiner Gäste treffen. Jeder Traditionsbetrieb - Manuel Kellner und seine Frau sind mittlerweile die vierte Generation, ihr Sohnemann wird im Oktober 2 - hat unter Beweis gestellt, dass er es verstanden hat, junge Zielgruppen anzusprechen und zu binden. Sonst würde es ihn nicht mehr geben.  Mit Ausnahme von Sonntagmittag (und Mittwoch, da ist Ruhetag) serviert Die Kellner'sche Küche, dem Trend der Zeit folgend, auch eine kleine, aber feine Auswahl an Burgern.

Sie wurden vom Service, an unserem Tisch vorbei, hinaus in den Biergarten vorbeigetragen. Häufig. Beinahe ohne Unterlass ... Manuel Kellners Burger kommen offensichtlich an und ich verstehe auch weshalb: Großartig sehen die Keller'schen Burgerkreationen aus. Die Buns bäckt er selbstverständlich selbst. Aus Hefeteig, den er Tag für Tag frisch ansetzt und baut die üppigen Kunstwerke mit Liebe optisch ansprechend auf.

Sehr gute Burger zuzubereiten kostet Aufmerksamkeit und Zeit - auch deshalb gibt es sie Sonntagmittag auch nicht. Der andere Grund: Tradition: der Sonntagmittag gehört in einem niederbayerischen Landgasthof Braten und Knödeln! Ich habe mir vorgenommen, mich bei meiner nächsten Einkehr diesen prächtig anzusehenden Kellner'schen Burgern zuzuwenden ...

Heute aber soll es für meine Begleiterin und mich die aktuelle Empfehlung des Küchenchefs sein: Geschmortes Ochsenbackerl aus dem Rotweinsud - Kartoffel-Bärlauchstangerl | Selleriepüree | Kirsch-Bergpfefferjus | Salat der Saison.

Dem Kenner fallen insbesondere die Kartoffel-Bärlauchstangerl und die Jus ins Auge. Einfach nur ein Ochsenbackerl über Stunden sich selbst mit Wurzelgemüse und Rotwein zu überlassen, ist Manuel Kellners küchenphilosophischer Ansatz nicht.

Das Fleisch ist unsagbar zart und gschmackig. Ein Messer ist im Grunde überflüssig. Das Selleriepüree bringt die natürliche Aromatik eines hervorragenden Knollenselleries perfekt zur Geltung und schmiegt sich seidig-buttrig-cremig an.

Die Jus strotzt vor Kraft. Die Kirschnoten erinnern an einen schönen Merlot, vom Bergpfeffer schmecke ich einen Hauch zu wenig. Meiner Erfahrung nach verträgt dieser die Hitze nicht und es empfiehlt sich diesen erst zum Finish einzusetzen oder mit einer Extraprise aufzufrischen.

Das Tüpfelchen auf dem i sind auf diesem Teller die Kartoffel-Bärlauchstangerl. Eine Kellner'sche Kreation mit knusprigem Brickteig mit einer von der Textur und Aromatik hervorragend gelungen Füllung.

Optisch eine Augenweide. Kroketten 2.0 sozusagen. Kaum jemand würde heutzutage einem Landgasthofkoch abnehmen, dass er sich die Mühe gemacht habe, Kroketten handzufabrizieren - vom abgeschmackten Siebzigerjahreflair, der klassische Kroketten anhaftet - so lecker sie auch sein mögen - ganz zu schweigen. Den toppen heutzutage allenfalls Rösti mit Zürcher Geschnetzeltem, mutmaßlich das Lieblingsgericht der Bewohner von Seniorenheimen, vieler Stammgäste des Dechbettener Hofs und eine feste Größe im Angebot ungezählter Betriebskantinen.

Manuel Kellners Stangerl-Köstlichkeiten hingegen versprühen innovativen Flair und Weltoffenheit. Schließlich ist Brickteig nichts anderes, als der türkische Yufka-Hamur oder griechischer Filo-Teig. Für meine Begleiterin und mich jedenfalls sind diese knusprigen Kartoffel-Bärlauchstangerl in ihrer vollkommenen Schlichtheit und handwerklichen Perfektion ein großer Wurf! Probiert das!

Passend zur Klasse seiner Kochkunst serviert Manuel Kellner seine Ochsenbackerl auf ansprechenden, modernen Tellern und arrangiert das Gericht fürs Auge ästhetisch sachlich ohne Effekthaschereien an, die in einem Landgasthof deplatziert wirken würden.

Der Beilagensalat ist aus vielfältigen, frischen Zutaten und hausgemacht - für meinen persönlichen Geschmack ist das Dressing etwas zu süß geraten bzw. würde ihm ein Schuss mehr hochwertigen Essigs zur Ehre gereichen. Ja, ja - die Trampelpfade der Routine, die gelegentlich in milde Formen von Betriebsblindheit einmünden ...

Den hervorragenden roten Hauswein darf ich keinesfalls verschweigen: Für faire 3,10€ für den Viertelliter geniesse ich einen Zweigelt vom mit den Kellners befreundeten Weingut Völkl aus dem österreichischen Lengenfeld, der ungeheuer süffig und angenehm würzig daherkommt. Ein perfekter Begleiter für dieses Gericht, der in einer kleinen Karaffe und mit passablen Gläsern serviert wird.

Zum Nachtisch entscheide ich mich für Ziegenfrischkäseknödel - Rote Früchtesorbet | Sous-vide gegarte Ananas | Karamellsauce.

Ich mach es kurz: Zum Niederknien! Komponente für Komponente hervorragendes Handwerk, die Aromen klar herausgearbeitet und aufeinander abgestimmt und das Gesamte adrett präsentiert.

Ein klassischer Topfenknödel hätte es anderorten auch getan - aber nein, Manuel Kellner setzt mit der Verwendung von mildem Ziegenfrischkäse den Akzent, der seine Kreationen über die Messlatte guter, "gut-bürgerlicher Küche" hinaushebt; Luftschnappen in den Gefilden der gehobenen Kochkunst. Ein Grenzgänger ist dieser Manuel Kellner eben, wie der Titel dieses Berichts bereits angedeutet hat.

Das beweist er auch beim Nachtisch meiner Begleiterin. Sie hat sich für den NY-Cheesecake mit Limetten-Sauerrahm-Safransorbet und frischen Beeren entschieden. Sie schwebt in himmlischen Gefilden, läßt mich probieren und ich verstehe sofort weshalb sie so wohlig Mhhht.

Frischer kann man einen NY-Cheesecake nicht definieren. Mein Highlight: Der crunchige, nussig-aromatische Boden im Kontrast zu der schwebend-fluffigen Käsecreme sowie die überwältigend aromatischen, angerösteten Haselnüsse. Große Kunst zum fairen Preis. Unbedingt ein Dessert bestellen, falls Ihr dem Gasthof Kellner einen Besuch abstattet!

Der familiäre Service ist auch an diesem Abend über jeden Zweifel erhaben. Man fühlt sich von der ersten Sekunde an Willkommen und stets präsent umsorgt. Hier ist der Gast König - und dies ist nicht nur eine leere Floskel, sondern gelebte Tradition und kommt, das spüre ich, von Herzen.

Es wird niemanden wundern, wenn ich dem Gasthof Kellner in Gundeshausen meine ausdrückliche und uneingeschränkte Empfehlung ausspreche. Meine Erwartung wurde heute nicht enttäuscht, im Gegenteil: sogar im einen oder anderen Detail übertroffen.

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