Montag, 13. Dezember 2021

Hummels Gourmetstube in Wischenhofen "revisited"

Stefan und Stefanie Hummel rechnen für mich seit vielen Jahren zu den herausragenden Gastronomen im Großraum Regensburg. 

Ihr Gasthaus Hummel in Wischenhofen, eine halbe Autostunde nordwestlich von Regensburg, zählt einerseits, was den Typus eines klassischen bairischen Landgasthauses angeht, im Alten Saal zum besten was einem als Gast Sonntags passieren kann, wenn man sich mittags zu klassischer bairischer Wirtshausküche niederlassen will.

Zum anderen brilliert die Küchenbrigade um Wirt, Küchenchef und Küchenmeister Stefan Hummel, Sous-Chef Michi (vormals Storstad, Regensburg) und Azubi Kevin in der kleinen, aber feinen, räumlich vom traditionellen Wirtshaus abgegrenzten Gourmetstube, dass der Gaumengenüssen aufgeschlossene Gast nur so mit der Zunge schnalzt.

So ich zuletzt am 5. März 2019. Vor Corona. Neulich endlich wieder: Mitten in der mittlerweile vierten Coronawelle mit Infektionszahlen, die alle hinter uns liegenden Wellen in den Schatten stellt. So manchen kreativen Koch und Gastronomen hat die Pandemie wirtschaftlich und nervlich mitgenommen. Existenzangst und fehlende Aussicht auf ein Ende der Misere waren nie ein guter Nährboden kreativer Kochkunst. Werde ich Hummels Gourmetstube die Krise ankennen, die das Gastgewerbe seit Monaten nicht aus ihrem Griff entlassen will ...?

von Robert Bock

Corona ist uns allen ein leidiges Thema, ...

aber irgendwie müssen wir alle gemeinsam da durch - und zwar lebend. Nichts wird dann sein, wie es vorher war. Unser altes Leben gibt es nicht zurück. Das ist eine Binsenweisheit, auf die seit meinem ersten Artikel im Jahre 2015 das Motto meines Blogs mit Heraklits Erkenntnis Τὰ πάντα ῥεῖ verweist: Alles fließt, nichts bleibt gleich. Krise kann persönlich wie gesellschaftlich sehr fruchtbar sein, wenn es gelingt ihr den Beigeschmack der Katastrophe zu nehmen. Das wusste - lange vor Corona schon -  Max Frisch. Niemand, der lebenserfahren ist, wird solche Erkenntnis leugnen ... 

Wie aber schnellstmöglich durch diese Krise kommen? Durch Impfung, Auffrischung, individuelle Vorsicht und Rücksichtnahme auf den Mitmenschen. Und weil der Appell alleine offensichtlich nicht reicht, durch kluge, wissenschaftsbasierte staatliche Maßnahmen und deren rigorose Durchsetzung, überall dort, wo Menschen meinen, sie stünden über Recht und Gesetz und sich die abwegig interpretierte Freiheit nehmen, ihre Mitmenschen zu gefährden und zu terrorisieren.

Homo homini lupus - der Mensch sei des Menschen Wolf, formulierte einst Thomas Hobbes und verband dies mit der staatstheoretischen Notwendigkeit eines "starken Staates" zum Wohle der Gemeinschaft und zum Schutz der Freiheit der Schwachen vor der Freiheit der Starken. Ähnlich Hegel, der intellektuelle Konstrukteur des absolutistisch verfassten Preußens. Große Geister der Aufklärung, beide! 

Die Schwächsten, die Wehrlosen verrecken bei uns seit Anfang 2020 in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Intensivstationen, unter anderem weil das Personal nicht zur Impfung verpflichtet worden ist, als der Impfstoff verfügbar war. Es ist dies eine historische Schande in meinen Augen, dass ausgerechnet eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung dies nicht durchgesetzt hat. Auch das wird mit zeitlichem Abstand in der Wertung der Ära Merkel in den Geschichtsbüchern von der meiner Meinung nach schlechtesten aller Kanzleramts-Interpretationen (nach Kurt Georg Kiesinger) bleiben.

In Deutschland klagen Wirte vor Gericht gegen 3G und/oder 2G, handhaben die ihnen auferlegten Kontrollen aufreizend lax, oder setzen sich gar über ethische Pflichten ihren Gästen, ihren Mitarbeitern und dem Gesetz gegenüber so nonchalant hinweg, dass ich persönlich deren Läden ein für alle Mal dichtmachen und den Betreffenden wenigstens für fünf Jahre jede Gastronomiekonzession hierzulande verweigern würde. 

Solchen Leuten magelt es an sittlicher Reife und Einsicht in die normative Kraft des Faktischen, um einen Betrieb veranwtortungsvoll zu führen. Es war und ist ein Fehler, keinen Meisterzwang oder vergleichbare Qualifikationshürden im Gastgewerbe einzufordern. Zu viele fachlich unqualifizierte Quereinsteiger sind meiner Meinung nach Ursache viel zu vieler Misstände in Deutschlands Gastronomie. Der HOGA ist ein zahnloser Tiger, er hat den Stand, den er zu vertreten vorgibt, nicht im Griff. "Wer nichts wird, wird Wirt", sagt der Volksmund - das sollte künftig nicht mehr so sein dürfen. Schließlich darf auch nicht jedes unqualifizierte Kasperl ohne abgeschlossenes Medizinstudium am offenen Herzen operieren, oder Rechts- oder Steuerberatung anbieten, nur weil es ihm Spaß machen würde.

Im Gasthaus Hummel in Wischenhofen kann jederman am gelebten Beispiel studieren, wie 2G und ein umsichtiges, am Wohl des Gastes und der Mitarbeiter orientiertes Hygienekonzept vorbildlich umgesetzt werden.

Es empfängt uns im Flur des großzügig geschnittenen Gebäudes die Wirtin und bittet um unsere Geimpften-/Genesenennachweise und  Ausweisdokumente. Obwohl wir uns kennen, ja, meine Begleiterin sogar mit Stefanie Hummel per Du ist, werden alle vorgelegten Dokumente gründlich in Augenschein genommen. Jeder, der gern Gast sein möchte und dessen Papiere, werden hier rechtskonform zum Schutze anderer Gäste und des Personals gründlich überprüft, bevor er die Gasträume betreten darf. Jeder, ohne Ausnahme. 

Ich begrüße das (mittlerweile bin ich aus Überzeugung geboostert) sehr. 2G ist als unterer Standard alternativlos, weil 3G meiner Meinung nach von Anfang an eine dumme Idee war. Die mit über 90% sehr hohe Impfquote der Hansestadt Hamburg belegt das. Dort hat der Senat die die lauwarme 3G-Lösung schon im Sommer verweigert und auf 2G gesetzt: 3G bedeutet zu wenig Druck auf Ungeimpfte, zu viele Ausweichmöglichkeiten, falsche Rücksichtnahme auf Rücksichtslose. Aus falscher Rücksichtnahme sind unnötig viele Menschen gestorben, leiden viel zu viele Erkrankte an  Langzeitfolgen und stecken wir alle, die wir unser Möglichstes tun, weder uns, noch andere anzustecken, noch immer bis zum Hals in der Misere. 

Ich wünsche mir - wie die überragende Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung auch - beim Ausgehen maximale Sicherheit davor, mich anzustecken und in der Folge meine oder meiner Mitmenschen Gesundheit zu riskieren, nur weil eine Minderheit der Bevölkerung entweder von Natur aus dumm, selbstverschuldet wissenschaftsfern, rücksichtlos egozentrisch, oder ihr Geist esoterisch vernebelt ist. Quer zu denken wirkt auf den Geist wie ein Darmverschluss auf den Bauch: Es staut sich die .... na, Ihr wisst schon.

Für Mitmenschen, die ohne sachlich-medizinischen Grund die Impfung verweigern, habe ich deswegen weder Verständnis, noch bringe ich einen Funken Toleranz für den Blödsinn auf, den sie an Rechtfertigungen hierfür vorbringen. Ungeimpfte ohne sachlich-medizinischen Grund haben sich bewußt dafür entschieden, sich von einem Teil des sozialen Lebens auszuschließen - so sollen sie das bitt'schön auch tun! Vater Staat muss die überwältigend große vernünftig und solidarisch denkende und handelnde Mehrheit - insbesondere jene die wehrlos sind, vor destruktiven Minderheiten in Schutz nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies jüngst ebenso gesehen - alles andere hätte jeden denkenden Menschen gesunden Verstandes auch gewundert.

Genug zum leidigen Pandemischen, nun zum Kulinarischen ...

Draußen vor der Tür regiert der Winter. In der wohlig warmen Gourmetstube flackert Feuer im Kamin. Sanfter Jazz schmeichelt dem Ohr. Moderne Luftreiniger sind ein weiterer Beleg dafür, dass Familie Hummel alles unternimmt, ihren Gästen einen unbeschwerten, sicheren Restaurantbesuch zu ermöglichen. Besser kann ein Hygienekonzept nicht gestaltet, nicht konsequenter umgesetzt sein. Im Gasthaus Hummel wird Gastlichkeit in Pandemiezeiten besonders groß geschrieben. Trotzdem sind die Gästezahlen rückläufig. Unsere Gastronomie hat es schwer, aber wer will es den Gästen verdenken, wenn die Negativbeispiele der Branche so manchem Gast das Bedürfnis auszugehen verleiden.

Wir sind zu viert und entscheiden uns für das volle Programm: 5 Gänge für 85€ pro Person. Zwei von uns müssen fahren, deswegen belassen wir es bei einem individuell gewählte Aperitif (für mich ein Pernod auf Eis), einer Flasche Wein (2018er Riesling Weingut Bauer, Pfalz) für alle und ansonsten stilles Wasser.

Die beiden Damen werden sich zum Fleischgang ein Glas Spätburgunder vom Bodensee gönnen. Die kleine, aber feine Weinkarte der Hummels hält auch bei den offenen Weinen zu fairen Preisen schöne Alternativen bereit, die hervorragenden Gläsern aus dem Hause Schott Zwiesel serviert werden. 

Überhaupt: Gläser, Geschirr und Tischschmuck begeistern mit schlichter Eleganz und Funktionalität. Perfekt abgestimmt auf das cremefarben-beige Interieur der Gourmetstube.

Eine wunderbare Bühne für das Werk der Küche, hier im ländlichen Nirgendwo hoch über dem Naabtal, doch herrscht hier Stefanie Hummel, die sich in vollkommener Professionalität, herzlich, eleoquent, humorvoll stets präsent doch dabei niemals aufdringlich, an diesem Abend um 12 Gäste an drei Tischen kümmert. Gäbe es im Guide Michelin Sterne nicht nur für die Leistung der Küche, sondern auch für Gastgeber- und Serviceleistung, ich hätte Stefanie Hummel an diesem Abend drei von drei möglichen Sternen verliehen.

Die Tester des Guide Michelin haben dem Gasthaus Hummel zumindet ihre rote Plakette zugebilligt, jedoch bislang weder die Auszeichung Bib Gourmand, noch einen Stern. Das hatte mich im März 2019 einigermaßen erstaunt. Ich hätte Stefan Hummels Küche damals wenigstens 15 von 20 Punkte im Schema des Gault & Millau und einen Stern im Guide Michelin gegeben. Wieviel heute? Hat Corona Kreativität und Handwerkskunst beflügelt oder gelähmt?

Ein Blick aufs Menü:

Was lese ich persönlich aus diesem Menü? Französisch fundamentierter Küchenstil, saisonale Produkte, Aufgreifen saisonaler Klassiker der Vorweihnachtszeit, jedoch vermute ich (aus  zurückliegender Erfahrung mit Hummels Küchenstil) gekonnte handwerkliche und inspirierte Dekonstruktion und Neusynthese selbiger. 

Ferner erkenne ich: Kein durchgängiges Beschränken auf Regionaliät (Thunfisch, Mango, Steinbutt, Stabmuschel, ...), was mich jedoch nicht sonderlich stört. Sternekoch Fabian Denninger aus Nürnberg (Restaurant Entenstuben) erläuterte mir neulich, weshalb er sich selbst, was das "Thema Regionalität" angehe, keine Grenzen auferlege: Zum einen sei regionale Qualität nicht automatisch hervorragende Qualität und zum anderen gebe die jeweilige Region auch unabhängig von der Saisonalität oft nicht viel her. Diese Grenzen der Regionaliät würden seine Kreativität unnötig limitieren, sagte er. Zudem, ergänze ich: Gerade dem Kontrast von beispielsweise Steckrübe und Stabmuschel entspringt oft prickelnde Spannung und im Falle idealer Fügung denkwürdiger Genuss.

Würden er, Stefan Hummel, und sein kongenialer Sous-Chef Michi, der manchmal deutlich forscher, unkonventioneller an manches herangehe als sein Chef, so erzählt mir ebendieser Chef später, sich nicht gegenseitig immer wieder kreativ anstacheln, die Küche der Gourmetstube wäre klassischer, fanzösischer und es würde ihr an so manchem Pfiff mangeln. 

Stefan Hummel lobt seine beiden Mitarbeiter in den höchsten Tönen, traut nicht nur dem sterneküchenerfahrenen Sous-Chef, sondern auch seinem Azubi Kevin, der sich mit Fleiß, Talent und Willen in jede neu gestellte Aufgabe reinhänge, als ginge es um alles, eine große Zukunft als Koch zu. Wie seine Augen leuchten, als er das sagt ... Jeder Küchenchef hat die Mitarbeiter, die er anzieht, denke ich mir ...

Stefanie Hummel eröffnet unser Menü als Botin eines Küchengrußes mit einer hausgebackenen, exquisiten Brotauswahl und dreierlei Dips: Kartoffelschaum mit Griechischem Pyramidensalz, Selleriecreme mit Apfel sowie einem Pesto. 

Jede Komponente, inklusive der Brotsorten, bereitet Freude. Der Kartoffelschaum mit den zart schmelzenden, knusprigen Salzflocken ist mein persönlicher Favorit, an der Selleriecreme begeistern mich dezente Umami-Räuchernoten. Das Pesto ist ein Pesto. Mehr ist hierzu nicht zu sagen; ihm fehlt der entscheidende Pfiff. Eine Botschaft, wohin die Reise des Menüs gehen wird, erkenne ich im Nachhinein nicht. Das mag, auch wenn stets der Sender für das Ergebnis verantwortlich ist, aber auch an mir liegen.


Ein erster, früher Höhepunkt des Abends folgt sogleich: Entenleber mit Variationen von der Schwarzwurzel als Gruß aus der Küche.

Dieser kleine Teller erschließt in seiner Schlichheit und handwerklichen Vollendung ein Höchstmaß an Genuss. Beginnend bei der hervorragend gebratenen Entenleber, die obendrein mit einer hauchdünnen, knusprigen Karamelschicht überzogen ist, über die drei großartigen Variationen der an sich als Gemüse eher unspektakulären Schwarzwurzel bis hin zur dichten, glänzenden Sauce mit ihrer wunderschön mit der Entenleber spielenden Säure: Große Klasse! Eine der Stärken von Stefan Hummel: Einer Zutat viele Facetten entlocken. Hier ist es ihm mit der Schwarzwurzel überzeugend geglückt.

Der 1. Gang: Thunfisch | Joghurt | Dill

Schon optisch auf feinstem Geschirr ein Genuss, entfaltet jede Zutat ohne hervorstechende Gewürzunterstützung seine Eigenaromen. 

Die Beerenaromen spielen mit den Bitternoten des Chicoree (oder war es eine Spielart des Radicchio? Rossa di Treviso?). Der Thunfisch präsentiert sich einerseits in einer Knäckebrothippe als Tartar, andererseits als weitgehend roher Cubus, der kurz die heiße Pfanne küssen durfte.

Wer unverfälschten Genuss der Eigenaromen der Komponenten eines Gerichts schätzt, wird von diesem Gang begeistert sein. Unerwartete Überraschungen und "Wow-Effekte" bleiben allerdings aus.

 


Der 2. Gang: Consommé | Perlhuhn | Blumenkohl 

Die Consommé versteckt sich unter einer Blätterteighaube. Ihr Genuss bereitet zunächst Denksport: Wohin mit der Haube? ... Erst den Teller mit der Galantine und dem Blumenkohl in verschiedenen Variationen essen, dann den leeren Teller als Ablage für die Haube nutzen? ... Die Haube einfach in die Consommé ditschen? 

Derlei Gedanken lenken vom Genuss ab. Diesen Gang verstehe ich nicht, insbesondere nicht die Consommé mit reichlich getrockneten Tomaten, deren Bezug zu den Tellerkomponenten ich nicht ergründen kann. Ok, das Perlhuhn (oder dessen Karkasse) wurde in der Suppe ausgekocht, aber weder unterstützt diese Consommé den Rest des Ganges, noch hebt sie sich aus ihm hervor: Sie wäre besser als gesonderter Gang, vielleicht als Gruß aus der Küche serviert worden. Ein Gang muss stets der schwächste einer Menüfolge sein: Für mich persönlich war es trotz der handwerklich hervorragend gemachten Galantine und der schönen Röstaromen des Blumenkohls im Nachhinein dieser.

Der 3. Gang: Kürbis | Mango | Zwiebel 

Kürbis und Mango zu kombinieren ist mittlerweile Mainstream und beim "Perfekten Dinner" auf VOX servieren derlei Gerichte typischerweise jene Teilnehmer, die am Ende den vorletzten Platz im Ranking der wöchentlichen Runde belegen.

Die Pasta und ihre schwer definierbare Füllung hebt sich aromatisch zu wenig aus den cremigen Komponenten hervor. Die gepickelte Zwiebel mit ihrer spitzen Säure setzt den einzigen überraschenden Akzent, jedoch dimmt sie die süße Frucht der Mango für meinen persönlichen Geschmack zu deutlich herunter. An diesem Gang kann die Crew mit Sicherheit noch feilen. Womöglich würden schon eine Prise Cayennepfeffer, Piment d'Espelette oder geräucherter griechischer Bukovo, unmittelbar vor dem Servieren appliziert, die Hauptdarsteller schlüssiger verbinden helfen.

Alfons Schuhbeck würde vermutlich - wie beinahe bei jedem Gericht, das er zubereitet - zu Knoblauch, Ingwer und Tschilisoiz greifen, Lucki Maurer mutmaßlich zu Maggi-Würze (O-Ton Lucki: "Hausfrauen-Umami") Beiden Richtungen stehe ich aber in diesem Falle skeptisch gegenüber, könnte mir als Leinwand jedoch helle Miso-Paste vorstellen. Warum nicht Blutwurstcrumble als Topping oder Blutwurstfüllung in der Pasta? Ich bleibe dabei: Dieses Gericht ist meines Erachtens noch unfertig, aber es wäre der Mühe wert, es nach schöpferischem Abstand erneut aufzugreifen, um es quasi neu zu erfinden.


Der Fisch-Hauptgang: Steinbutt | Stabmuschel | Steckrübe

Ich habe mich - im Unterschied zu meinen drei Begleitern - für den Fischgang entschieden. Bedauert habe ich das nicht, denn in diesem Gang findet die Küche nach zwei eher wenig beeindruckenden Gängen wieder in die Spur zurück. Der Fisch ist zwar eine Nuance zu weit über dem optimalen Garpunkt, jedoch reißen das zwei höchst gelungene Komponenten locker heraus: Die eher derb-wuchtige Steckrübe im Kontrast mit der feinsüßen Stabmuschel sowie der salzig-fischige rote Kaviar im Wechselspiel mit dem göttlich gelungenen "Kaviar" aus einem griechischen Essig-Elixier auf Basis eines fünf Jahre lang im Eichenholz gereiften Rotweinessigs, Saft von Waldfrüchten und Gewürzen wie Ingwer, Kardamom und Pfeffer: Ein fruchtig-würzig-säuerlicher Ausflug in die Molekularküche, der einer meiner Höhepunkte des Abends ist. Der Chef schmückt sich nicht mit fremden Federn: Sous-Chef Michi habe diese wundervolle Petitesse gezaubert, verrät er. Wer bei Anton Schmaus und Josef Weig in die Schule ging, kann das. Bravo!

Der Fleisch-Hauptgang: Kalb | Petersilienwurzel | Trüffel

Da ich dieses Gericht nicht probiert habe, enthalte ich mich jedweder Kritik, gebe aber gerne die vollste Zufriedenheit meiner Begleiter zu Protokoll und belasse es bei einem Foto.

Der 5. Gang (Dessert): Käse | Birne | Walnuss

Ich habe mich für die Käseauswahl entschieden. Diese ist vielfältig und von hoher Qualität. Der Knüller allerdings ist die Creme aus gerösteter und pürrierter Walnuss: Ein "Walnuss-Nutella" (ohne Zucker), die auf der Zunge ein wahres Feuerwerk auslöst und sich mit dem Zwiebel-Senfsaat-Chutney herausragend ergänzt. Die Birne harmoniert zu beidem hervorragend und auch die ausgewählten Käsesorten fügen sich sehr stimmig zu dieser meiner Einzelkomponente des Abends: Der Creme von der gerösteten Walnuss, einem großen kulinarischer Wurf: In Gläser abgefüllt und professionell vertrieben, holt Stefan Hummel womöglich binnen weniger Monate wieder herein, was ihm diese verdammte Pandemie an Einkünften gekostet hat.

Der 5. Gang (Süßes Dessert): Orange | Spekulatius | Glühwein

Meine Begleiter waren begeistert, ich habe nicht probiert, deswegen enthalte ich mich weiterer Kritik und belasse es auch hier bei einem Foto.

Zum Abschluss des Menüs gönne ich mir noch einen hervorragenden Espresso und begeistere mich an den als Küchengruß gereichten süßen hausgemachten Minikrapfen und Praliné. Ein würdiger Abschluss eines genussreichen Abends.

 

 

Unterm Strich und im Vergleich mit mit dem Menü vom März 2019

Stefan Hummel und sein Küchenteam kochten sehr nahe auf Vorpandemie-Niveau, es fehlten jedoch noch ein paar Prozentpunkte zur damals gezeigten wahrlich herausragenden Exzellenz. 

Konstruktive Anstöße zu Verbesserungsmöglichkeiten aus meiner subjektiven Sicht heraus habe ich, sofern mir solche überhaupt nötig schienen, bereits bei der Besprechung der einzelnen Gänge der Menüfolge erwähnt. Was ich in erster Linie gegenüber 2019 vermisst habe: Ein  durchgängig erkennbarer roter Faden, der vom ersten Gruß aus der Küche bis zum Menüabschluss einen Bogen spannt und den Restaurantbesuch in Einheit mit Service, Getränken und Ambiente als Gesamtkunstwerk im Sinne Richard Wagners erstrahlen lässt. 

Kreative, handwerklich über jede Kritik erhabene Einzelgänge, wurden mir zweifelsohne zuteil, doch mangelte es diesen einer sich mir persönlich erschließenden Verzahnung untereinander, die über die bloße Saisonalität als gemeinsame Klammer hinausweist. Da ebendies Stefan Hummel im März 2019 gelungen war, ich also weiß, dass er es kann, lege ich einen entsprechend hohen Maßstab an den Dezemberabend 2021 an. An diesem messe ich das Menü und die Küchenleistung dieses Abends und würde 13-14 von 20 Punkten (Gault & Millau) und Bib Gourmand im Guide Michelin für angemessen, einen Stern für nicht zu hoch gegriffen halten. Den großartigen Service in den Gesamteindruck einbeziehend, dessen Wirkung aufs Erlebnis sich kein Tester des Guide Michelin entziehen kann, auch wenn dies stets behauptet wird, wäre ein Stern aus meiner subjektiven Sicht heraus nach wie vor verdiente Anerkennung für das, was Stefanie und Stefan Hummel mit ihrem gesamten Team leisten.

Ich bin zuversichtlich, dass das Gasthaus Hummel mit seiner Gourmetstube noch für manch positive Überraschung gut sein wird und erneuere meine uneingeschränkte Empfehlung aus dem Jahre 2019, Familie Hummel und ihrer Gourmetstube bald einen Besuch abzustatten. 2G-Nachweise und Personalausweis nicht vergessen, Ihr wisst schon ...






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