Sonntag, 2. April 2023

Bacchanal in der Ritterschänke Burg Randeck in Essing

Die alten Römer pflegten ab dem 2. Jahrhundert nach Christus (in kultureller Aneignung der noch viel älteren griechischen Dionysien) die Tradition der Bacchanalien, ausgelassener Gelage zu Ehren von Bacchus, ihres Gottes der Ekstase, des Rausches und der Verwandlung des Weines.

Gladiatorenkämpfe, Massenkreuzigungen ... Nicht alle antiken Traditionen erscheinen mir im Licht des 21. Jahrhunderts des Weiterführens würdig. Doch es sich im Kreise gleichgesinnter, sinnesfreudiger Menschen - und sei es "nur" in trauter Zweisamkeit mit dem Lieblingsmenschen - regelmäßig so richtig gut gehen zu lassen, das gefällt mir.

Ein verregneter Samstag kommt meiner Herzensdame und mir da gerade recht, sich ein Bacchanal mit Übernachtung zu gönnen, damit auch beide Beteiligten sich ohne Rücksicht auf ihre Fahrtauglichkeit die Kante geben können. Ort meiner Wahl in diesem Fall ("Sie" weiß bis zum Eintreffen nicht, wohin die Reise führen wird): Die Ritterschänke Burg Randeck in Essing hoch über dem Altmühltal, wo die Küche von Familie Sturm sich über die Jahrzehnte einen weit über die Grenzen des Altmühltals hinausreichenden, hervorragenden Ruf erarbeitet hat. 

Tags zuvor tafelte hier eine halbe Hundertschaft der Mitglieder der ostbayerischen Abteilung der ehrwürdigen Confrérie de la Chaîne des Rôtisseurs und ließ sich vom Team um Küchenchefin Johanna Sturm und Sommelier Kayetan Meissner in geschlossener Gesellschaft nach allen Regeln der Kunst kulinarisch verwöhnen ...

von Robert Bock


In der Ritterschänke Burg Randeck bin ich heute nicht zum ersten Mal zu Gast - und jedesmal war ich begeistert. Heute erstmals mit Übernachtung in einem der  komfortablen Zimmer der Ritterschänke mit deren legendärem Adlerhorstausblick. Bei Kaiserwetter und Fönlage kann man von hier aus bis in die Alpen blicken. Heute leider nicht: Lebten im Altmühltal Gorillas, allenfalls deren nackte Hintern im Nebel.

Nebel, Regen, Sauwetter ... Was soll's, nicht zum in In-die-Ferne-schauen sind wir heute da, sondern um zu feiern, dass wir leben, wir einander haben und es uns gut geht! Man nimmt dies viel zu selbstverständlich und weint dem Verlorenen hinterher, wenn es zu spät ist. Also: Carpe diem!

Unser Zwei-Personen-Bacchanal beginnt gemütlich: Einchecken um 15 Uhr, anschließend je eine Portion des von Mama Waltraud Sturm, einer gelernten Köchin, persönlich hausgemachten warmen Apfelstrudels mit Vanilleeis und Schlagsahne

Man muss von Regensburg aus sehr weit fahren und lange, lange suchen, um einen derart hervorragenden Apfelstrudel genießen zu können. 

Manche Südtiroler Variante, derer ich mich nicht erinnern kann, ohne dass mir das Wasser im Munde zusammenläuft, erfordert das zuvorige Erwandern schwindelnder Höhen. Böse Zungen behaupten, er schmecke dort nur deshalb so gut, weil man mit seinen Kräften am Ende ist. Wer in der Ritterschänke zu Kaffee und Kuchen einkehrt, sollte sich diesen Genuss keinesfalls entgehen lassen! Bissen für Bissen schmeckt man das Geheimnis eines jeden hervorragenden Apfelstrudels: Liebe!

Vier Uhr Nachmittag. Für 18:30 Uhr erst haben wir unseren Tisch zum Abendessen reserviert. Also genug Zeit für ein Nachmittagsschläfchen! Gut, dass ich den Wecker gestellt habe, denn ich verfalle in dem bequemen Bett in einen wunderbar erholsamen, narkoseähnlichen Schlaf. So soll es sein, wenn man sich eine kleine Auszeit gönnt, um neue Kraft zu schöpfen, oder?


Wir starten mit einem Glas Prosecco in den Abend. 

Diesem gesellen sich bald zwei Grüße aus der Küche von Johanna Sturm und ihrem Papa Max Sturm (gelernter Metzger) bei: Aufgeschlagene Bärlauchbutter mit grob gemörsertem Pfeffer sowie ein Gläschen mit einem fantastischen  Bärlauchcremesüppchen

Johanna Sturm, 33, kocht wie eine Göttin. Kein Wunder, wenn man ihre berufliche Vita kennt:

  • Kochlehre in Forster's Posthotel, Donaustauf
  • Sternegastronomie: 2 Jahre Jöhri's Talvo, St. Moritz, Schweiz (2 Sterne)
    1 Jahr Gourmetrestaurant Christian Jürgens, Rottach-Egern, Tegernsee (3 Sterne)
    1/2 Jahr Grande Roche Hotel, Weinanbaugebiet Paarl, Kapstadt, Südafrika
  • Gewinnerin zahlreicher Kochwettbewerbe (Ratisbona Spieß)

 

 



Aus Südafrika hat sie Kayetan, ihren Mann, ins Altmühltal mitgebracht. Der ist nicht nur ein charmanter Conférencier durch unseren kulinarischen Abend, sondern auch ein Weinexperte ersten Ranges und kümmert sich in der Ritterschänke um den Weinkeller und - gemeinsam mit Johannas frisch verheirateter Schwester Maximiliane (32, Konditorlehre Cafe Wiedemann, Deggendorf, 1/2 Jahr Patissiere Restaurant und Weingut Buitenverwachting, Kapstadt, Südafrika, Lehre zur Hotelfachfrau Hotel am See, Neutraubling (Regensburg)) und dem Servicepersonal der Ritterschänke um die Gäste.

Wir entscheiden uns für eine Flasche 2021 Silvaner Gutswein vom Juliusspital in Würzburg. Mit einem Silvaner oder einem Grünen Veltliner kann man als durchgängige Menübegleitung nicht viel falsch machen. Der Franke präsentiert sich trocken, mineralisch und mit schöner Frucht heimischen Obstes wie Quitte, Apfel und Birne.

Für faire 22,90€ je Flasche eine hervorragende Wahl zu der von uns gewählten Vorspeise: Dreierlei vom heimischen Bachsaibling: Filet, Mousse, Tatar.

Die optische Gestaltung der Vorspeise lässt uns das Herz höherschlagen. Johanna Sturm hat mit dieser im Halbmond gruppierten Speisepräsentation mit Erschließung der dritten Dimension so etwas wie eine optische Signatur geschaffen, anhand derer ich einen von ihr gestalteten Teller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erkennen würde. 

Das Thema Saibling ist von den Texturen und Aromen her hervorragend umgesetzt. Der Fisch ist in allen drei Variationen unterschiedlich, aber so dezent gewürzt, dass der charakteristische Eigengeschmack dieses zurecht hochgeschätzten heimischen Fisches nicht untergeht, sondern, im Gegenteil, gehoben. 

Mein Favorit ist das Tatar. Davon hätte ich gut und gerne eine Schüssel voll verdrücken können - wenn mich nicht das "1. Gossen'sche Gesetz" vom abnehmenden Grenznutzen ermahnt hätte, das besser bleiben zu lassen ...

Im Hauptgang entscheidet sich die Dame meines Herzens für Gebratenes Bachsaiblingsfilet mit allerlei Variationen von der grünen Erbse und Salzkartoffeln nebst eines schönen, vielfältigen Beilagensalats. 

Auch dieser Teller ein Kunstwerk - optisch wie gustatorisch großes Kino. "Sie" ist begeistert! Ich darf kosten und verstehe weshalb. Der Silvaner aus Würzburg dazu auch im Hauptgang ein kongeniales Pendant.

Max Sturm ist wie erwähnt gelernter Metzger. Nose-to-Tail hat er in seiner Ritterschänke schon gelebt, da gab es dieses Fancy-Bullshit-Wort von Vollbarthipstern aus der Großstadt noch gar nicht für diese ökonomisch wie ethisch-moralisch althergebrachte Selbstverständlichkeit, dass ein Tier komplett verwertet werden sollte und nicht nur dessen sogenannte "Edelstücke".

Wann immer ich in der Ritterschänke speise, halte ich also Ausschau nach dem besonderen "Stück Fleisch". 

Heute gibt es Kalbskopf:  "Gebackener Kalbskopf mit Kartoffelsalat, Remoulade, Kürbskernen und Kürbiskernöl

Ja-haaa, da geht mir das Herz auf! Welch ein Genuss! Und wie kompetent in allen Facetten umgesetzt ... Einfach nur zum Niederknien. Auch diesen Gang begleitet der Würzburger Silvaner tadellos.

Besondere Erwähnung verdient der himmlisch schlotzige Kartoffelsalat. Der ist aus hervorragenden Kartoffeln mit erdig-nussigem Eigengeschmack und dem genau richtigen Maß an Säure zubereitet.

Am nächsten Tag lerne ich die Köchin kennen, die ihn zubereitet hat - wer weiß, wieviele Tonnen davon schon in ihrem gut 80 Jahre andauernden Leben: Oma Sturm, Max' Mama. In der Küche mit anzupacken, so gut es ihre Konstitution noch erlaubt, das lässt sich die herzliche, lebensfrohe Dame trotz ihres Alters nicht nehmen.

Drei Generationen kümmern sich in der Ritterschänke Hand in Hand und mit Leidenschaft um das Wohl der Gäste. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber mir wärmen solche Geschichten das Herz ... 

Ein Bacchanal verdient diese Bezeichnung nur, wenn sich der Abend ordentlich in die Länge zieht. Wir sind beide nach dem Hauptgang ziemlich satt, drum - vor dem Dessert - erstmal nur flüssige Nahrung ...

Ich bitte Kayetan uns "etwas Restsüßes" aus seiner Schatzkammer als Solo-Intermezzo unseres Bacchanals auszusuchen: Es wird ein 0,375er-Fläschchen aus seiner Heimat Südafrika: 2020er Sauvignon Blanc, Beguela Cove, Noble Late Harvest, Walker Bay.

Das Spiel von oppulenter Frucht (Kiwi, Stachelbeere, gelbes Steinobst, Honigmelone) und muskulöser Säure bei schlanken 10% Alkohol ist großartig! Nase ins Glas und träumen ... Gönnt Euch diesen außerordentlichen Dessertwein, solange Kayetan noch Vorrat hat!

 


Küchenchefin Johanna Sturm hat uns ein Überraschungs-Dessert zum krönenden Abschluss des Menüs komponiert: Apfelkücherl, Gel vom Apfel, warme Vanillesauce, Vanille-Mousse, warme gebrannte Mandeln, Butterkeksvariationen. 

Der perfekte Abschluss unseres Abends ... Halt, es folgten noch ein Espresso und ein "Absacker" aus destillierten Früchten Südtirols aus der Privatreserve von Papa Max am Tresen gemeinsam mit Johanna, Maximiliane und Max im Stehen genossen. 

Gut, dass mich nur ein paar Treppenstufen von meinem bequemen Bett trennen und dass ich die ganze Truppe morgen beim Frühstück vom Buffet wiedersehen werde. Einschließlich des ziemlich verschmusten Katers namens "Don Camillo". Ein Frühstück, das - by the way - keine Wünsche offen lässt. Mir hat es vor allem die schöne Käseauswahl angetan - hervorragend und Käse für Käse voller Charakter!


Fazit

Unser kleines Bacchanal bescherte uns maximale Gaumengenüsse und - trotz der Kürze unseres Aufenthalts - Erholung von einem Grad an Tiefe, den ich so nicht für möglich gehalten hätte.

Wer sich hier in der Ritterschänke Burg Randeck in der Obhut von Familie Sturm nicht wohlfühlen sollte - was ich für extrem unwahrscheinlich halte - hat vermutlich ein tieferliegendes Problem, das er mit professioneller Unterstützung angehen sollte. Hier ist man Mensch, hier darf man sein, hier wärmt herzliche Gastlichkeit dem Gast Magen und Seele.

Überflüssig, meine uneingeschränkte Empfehlung für die Ritterschänke aus zurückliegenden Besprechungen zu erneuern - ich erwähne es trotzdem.


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