Donnerstag, 10. Dezember 2015

Die "Zuckerpuppe" in Schwandorf und ihre süßen Sensationen

Ist den geneigten Süßschnäbeln unter Euch die Esterházy-Torte ein Begriff?
Nein - Esterházy, nicht Osterhasi, ihr Konditoreibanausen! Falls ja, dann wird euch euer eingebautes Süßkram-Schweinereien-Navi ohnehin früher oder später zu Julia Fischer und Daniel Daisinger in die brandneue Konditorei "Zuckerpuppe" nach Schwandorf in die Schwaigerstraße 8 führen.

Falls nein, dann wird es höchste Zeit, dass ihr dieses kulinarische Defizit abbaut. Zu meiner Schande muss ich gestehen: Bei mir dauerte es beinahe ein halbes Jahrhundert, bis ich erstmals die Bekanntschaft mit dieser über ein Jahrhundert alten österreichisch-ungarischen Tortenschnittennussbodenbuttercremesensation machte. Wo? Zuckerpuppe. Schwandorf ... Nikolaustag 2015.

Julia Fischer versteht ihr Handwerk. Sie hat es von der Pieke auf gelernt. Hat den Meisterbrief - und im Gegensatz zu vielen anderen, die ihn haben: Sie zeigt auch, was sie kann. Und sie kann viel. Davon haben sich Madame und ich ausgiebig und hochkalorisch überzeugt.
von Robert Bock

In Ostbayerns Konditoreien-Szene tut sich derzeit einiges: Das Törtchen in Neutraubling mit seinen umwerfenden Cupcakes und Tartes, das Kaffee Herzerl in Ramspau mit seinen fulminanten Kuchen und Torten - und jetzt das: Die Zuckerpuppe in Schwandorf.

Ich frage Euch: wann soll ich denn da je zum Abspecken kommen? Es ist ein Kreuz, wenn man - wie Madame und ich - allem widerstehen kann, nur der Versuchung nicht. Bloß: Madame ist rank und schlank, ich nicht. Ist das gerecht ...?

Genug gejammert: Freitag, 4. Dezember 2015. Die Zuckerpuppe öffnet erstmals ihre Pforten. Sonntag, 6. Dezember - Madame und ich schneien herein.

Der Laden ist ähnlich klein wie das Törtchen in Neutraubling und stilistisch eine Melange aus Isolde Becklers Kaffee Herzerl mit samtgepolsterten Oma-Stühlen und poppigem Wand-Graffiti, das Cup-Cake-Champion Stefan Wüst vom Törtchen nebst Zuckerpuppen-Logo höchstpersönlich entworfen hat.

Beide Betreiber (Törtchen/Zuckerpuppe) verbindet eine Freundschaft. Das erfahren wir von Chefin Julia Fischer. Die räumliche Distanz zwischen Schwandorf und Neutraubling scheint auch groß genug bemessen, dass man sich kaum ins Gehege kommen dürfte.

Frau Fischer und ihr Partner/Gatte sind seit 15 Wochen frischgebackene Eltern eines strammen jungen Burschen namens Johannes. Der ist an diesem Sonntag, wie auch der stolze Papa, dem der Sohnemann wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich schaut, ebenfalls zugegen. Johannes mag, wenn sich etwas rührt, sagt Mama Julia und für den allerersten Sonntag - ohne groß Werbung gemacht zu haben - rührt sich tatsächlich etwas in der Zuckerpuppe ...

Drei Tische gibt es. Zwei sind besetzt. Wir sind sicher, auf Dauer wird es knapp werden, denn wenn Frau Fischer dieses Niveau an Konditorenkunst dauerhaft halten kann, das sich uns heute präsentiert hat, dann hat dieses kleine Cafe das Zeug zum Knüller ...

Gong zur erste Runde ... Wir bestellen eine Walnuss-Karamell-Tarte und eine Birnen-Tarte. Schöne, kleine runde Petitessen. Wunderbar aromatisch. Beste Zutaten, hohe Handwerkskunst!

Dazu für mich ein tadelloser Capuccino aus einer schicken Siebträger-Maschine und für Madame eine große Tasse Pfefferminztee.

Madame ist begeistert: Großblättrige getrocknete Minze wurde vom Chef persönlich in einen Teefilterbeutel verbracht. Kein Industrieteebeutel, die oft nur noch sogenannten "Dust" - Staub - enthalten. Das, was beim Aussieben übrig bleibt und mehr oder minder lausig schmeckt. Hier: Ein Pfefferminztee zum Reinlegen! Bravo für diese scheinbare Nebensächlichkeit. Schlichtes kann so gut sein ...

Einen Zitronen-Macaron möchte Madame probieren. Ein Drittel geht an mich: Oh, wie zitronig, oh, wie kusprig der Teig und wie fluffig ist die Füllung? Ich kann diesem Mode-Gebäck ansonsten nicht viel abgewinnen, aber in diesem Fall muss selbst ich zugeben: Hut ab, das ist was Feines!

Gottseidank hab ich noch Platz ... Auftritt Esterházy. In Begleitung eines Kardamom-Trüffels. Den, empfiehlt Frau Fischer, sollten wir noch etwas Zeit geben, damit er Temperatur gewänne ... Machen wir ...

Also zunächst  Esterházy: Optisch sieht das Ding nach einer Heidenarbeit aus: Hauchdünne Lagen Haselnussteigs, geschichtet mit Buttercreme, die mit Kirschwasser verfeinert wurde. Obenauf eine cremige Zuckerglasur, die leicht zitronig daherkommt. Kandierte Früchte? Ich würde wetten ...
Die Kuchengabel gleitet durch die Schichten wie ein heißes Messer durch kalte Butter ... Der erste Eindruck im Mund ist zunächst unspektakulär ... Aber plötzlich zündet die Bombe ... Welch eine Wucht an fruchtigen Aromen, gewandet in buttrigen Schmelz! Ich bin hin- und weg! Was ist das schön, dass es Menschen wie Julia Fischer gibt, die ihren Beruf mit schmeckbarer Leidenschaft ausüben ... Und uns daran für ein paar Euro teilhaben lassen.

Nicht nur geschmacklich ist diese Esterházy-Schnitte ein Hammer, auch von der Optik her. Was schwafle ich: - schaut euch doch selbst das Prachtstück auf dem Foto an - ein Kunstwerk! An solchen Werken erkennt man den Meister: Ein Meisterwerk im Wortsinne!

Frau Fischer hat zuletzt in Kitzbühel gearbeitet. In Österreich - tu, felix Austria - ist der Süßkram zur Kunstform erhoben und die Chefin der Schwandorfer Zuckerpuppe hat dort gut aufgepasst und geübt, geübt, geübt ... solange bis sie es so meisterhaft beherrschte, wie sie es hier beweist. Die Schwandorfer sind zu beneiden. Und ich bin ein klein wenig froh, dass mich rund 40 Kilometer von ihren noch ungeschaffenen, künftigen Esterházy-Schnitte trennen ... Zu groß wäre die Verlockung für mich, gäbe es sie um die Ecke.

Madame - ansonsten kein Buttercreme-Fan - schließt sich meiner Begeisterung an: Diese Esterházy-Schnitte hat das Zeug zum Renommierstück für die "Zuckerpuppe". Schluss mit Lobgesang! Leute: Fahrt hin, probiert selbst ...

Das letzte Stück des Tages habe ich höchstpersönlich einem jungen Mann ans Herz gelegt, der vor der Vitrine stand, sich die Hände rieb und sich nicht entscheiden konnte, was Frau Fischer ihm einpacken solle. Er folgte meinem Rat und ließ sich unter anderem das letzte Stück Esterházy einpacken - ich hoffe, er hat es nicht bereut ... Wenn er diese Zeilen lesen sollte: ich freue mich über deinen Kommentar, am besten gleich hier, unterhalb des Artikels!

Bleibt noch der Kardamom-Trüffel ... Damit der noch ein wenig Zeit zum Temperieren fand, bestellte ich mir noch ein Haferl schlichten Kaffees. Ein sehr aromatischer Cafè Crema! Auch wer keinen Kuchen essen mag/kann/darf: auch die Kaffee-Spezialitäten und der Tee sind Spitze und einen Besuch dieser Diabetiker-Hölle wert.

Der Trüffel, also: Mhhh ... Die aufregend dünne Schokoladenkugel knackt herrlich beim Reinbeissen ... die Füllung ein Gedicht aus mundfüllender Kakao-Schokoladen- und Gewürzaromatik. Madame und ich lieben Kardamom. Julia Fischer zeigt in diesem kleinen Kunstwerk der Patisserie-Kunst, was sie auf diesem Terrain zu leisten im Stande ist. Wir sind uns einig: Besser kann man Pralinen dieser Art vermutlich kaum machen! Das Prinzess in Regensburg - unser beider Referenz in Sachen Pralinen - wird sich warm anziehen müssen, wenn Frau Fischer auf diesem Gebiet aufs Gas steigen sollte.

Ach, Schwandorf, du hast verdammtes Glück. Ich hoffe, du wirst dir dessen bewußt. Sei klug, Schwandorf, und sorge dafür, dass es dir erhalten bleibt: Kauf ein, nimm mit, fühl dich zu Gast in dieser deinen neuen Perle süßer Versuchung ...

Wir wünschen Julia Fischer und Daniel Daisinger alles Gute und eine lange, erfolgreiche Zukunft mit ihrer Zuckerpuppe. Uns Gästen und Kunden ein allzeit vergleichbares Vergnügen, das uns bereitet wurde!

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