Donnerstag, 3. Dezember 2015

Der Beweis: Ein exzellenter Kaiserschmarrn bedarf der Hexerei

In der Regensburger Altstadt, in der Obermünsterstraße 3, betreibt die Salzburgerin Caroline Gmachl seit 2012 ihre Hexerei.

Was das ist? Ja, was ist das ...? Ist es ein Laden, ist es ein Café oder Lokal, eine Koch- und Backschule? Ein gemütlicher Treffpunkt für die Freunde österreichischer kulinarischer Spezialitäten, gehalten im Stile einer Wohnküche?

Die Hexerei mag sich nicht so recht entscheiden - und genau das verleiht ihr ihren unverwechselbaren Charme. Das und ihre charmante Chefin mit dieser bezaubernden warmen österreichischen Melodie in der Stimme; dieses gemütliche Säuseln, das nach Mehlspeis, Melange und Wiener Walzer klingt, nach Entschleunigung, wohlig gefüllten Bäuchen und der Lektüre der Strudlhofstiege von Heimito von Doderer bei Klängen der Wiener Klassik.
von Robert Bock
Samstag ist in der Hexerei Kaiserschmarrntag. Sonntag und Montag ist die Hexerei geschlossen. Ansonsten gibt es täglich maximal zwei Gerichte zur Auswahl: Viel Vegetarisches, oft Mehlspeisen - immer aber alpenländisch-österreichisch. Informieren kann man sich auf der Facebookseite der Hexerei, was die Küche aktuell zu bieten hat.

Wir kommen heute erstmals in die Hexerei und gezielt des Kaiserschmarrns wegen. Unseren letzten haben Madame und ich vor geraumer Zeit auf der Oberkaseralm im Naturpark Texelgruppe oberhalb Merans gegessen. Mal sehen, ob Caroline Gmachl diesen toppen können wird ... Damals waren wir nach mehr als drei Stunden anstrengenden Aufstiegs hungrig wie ein Rudel Wölfe ... Heute nicht. Das erschwert die Challenge für Frau Gmachl ...

Von außen ist die Hexerei recht leicht zu verfehlen, sofern man nicht die rostige Hexe bemerkt, die in luftiger Höhe über dem Bürgersteig auf ihrem Besen reitet. Ein freundliches Hündchen begrüßt uns beim Eintreten, macht sich aber wieder aus dem Staub, in rückwärtige Gefilde ...

Die Hexerei ist nicht groß: Ein großer Tisch um den die Gäste sich auf lehnenlosen Bänken niederlassen können, eine Eckbank mit zwei kleinen runden Tischchen - das wars. Die Küche ist offen, Caroline Gmachl hat nichts zu verbergen.

Ich erinnere mich an meine frühe Kindheit, als ich auf dem Kanapee in der Küche des Bauernhofes meiner Urgroßeltern, dem einzigen beheizten Raum im bitterkalten Januar, meiner Ur-Oma - eingemummelt in eine warme Decke - beim Kochen auf dem alten Holzofen zuschaute, der mir älter schien, als sie selbst.
Darf es angesichts dessen jemanden verwundern, wenn ich mich in der Hexerei von Jetzt auf Gleich sauwohl fühle?


Hinter uns ein prall gefülltes Regal mit weit überwiegend österreichischen Spezialitäten: Spirituosen, Speiseöle, Kräutertees, Fruchtsäfte, Schokoladen,Weine, aber auch Schafsmilchseifen, Kuchen in Konservendosen und, und, und ...

Madame bestellt eine große Tasse Kräutertees, ich einen Kaffee. Hier wird er - und das überrascht mich positiv - von Hand mit einer Chemex-Karaffe aufgebrüht. Und das schmeckt man.
Der ausgezeichnete Kaffee verkürzt die Wartezeit auf den Kaiserschmarrn aufs angenehmste.

Wir gewinnen den Eindruck als träfen sich in der Hexerei an diesem Samstagmorgen annähernd sämtliche Österreicher, die ein wohlmeinendes Schicksal nach Regensburg verschlagen hat; ein Exilatentreff, wenn man so will. Vermutlich alles Geheimräte, Direktoren, Doktoren und Professoren ...

Dann kommt er, der Kaiserschmarrn: Eine üppige Portion mit selbstgemachtem (!) Apfelmus und reichlich Puderzucker, weich und fluffig, goldenbraun und himmlisch duftend.

Ich brauche nur zwei Happen zu probieren, dann rufe ich der Chefin zu, das sei der beste Kaiserschmarrn, den ich je gegessen habe.
Sie freut sich. Ein zarter Anflug rosiger Farbe huscht über ihre Wangen. Ich freue mich, dass sie sich über mein Kompliment freut, ich freue mich über den köstlichen Kaiserschmarrn - und so sind wir alle rundum zufrieden. Auch Madame: Sie Mhhh-t und Ahhh-t. Manchmal reichen solche Kommentare völlig, um zu wissen, was gemeint ist.

Wir kommen zu Dritt ins Plaudern, was ein Kaiserschmarrn sei, wie man ihn zubereite und welchen Stellenwert er in der bäuerlichen Küche des Salzkammergutes habe; ob Rosinen hineingehörten oder nicht ... Madame will gar nicht glauben, dass es tatsächlich Menschen gibt, die keine Rosinen mögen? Naja, denk ich mir, es gibt auch Leute die Helene Fischer hören oder sich vegan ernähren: man darf und sollte sich über nichts wundern, wenn man sich mit unseren Artgenossen beschäftigt ...

Dann sagt Madame, sie hat noch gar nicht aufgegessen: "Ich glaube, ich platze gleich ..." und ich entgegne: "Nicht so laut, sonst steht binnen Sekunden eine Anti-Terroreinheit vor der Tür." Sie und ich lachen über diesen, eine Woche nach den Anschlägen in Paris zugegeben grenzwertigen Scherz. Die gute Laune passt zum Augenblick. Man sollte auch in diesen schlimmen Zeiten seinen Humor nicht verlieren. Weil es genau das ist, was diesen gehirnamputierten Terroristen fehlt und was sie uns neiden: Die Leichtigkeit, das Leben mit einer Prise Heiterkeit zu nehmen, so zu leben wie man möchte und anderen ebendieses zuzugestehen.

Wir verlassen die Hexerei um 21,30 EUR (ohne Trinkgeld) leichter, mit einem wohlig gefüllten Bauch und einem sehr guten Gefühl. Das nächste Mal, sagt Madame, kämen wir aber, wenn es bei Frau Gmachl etwas so deftiges wie Kaspressknödel gebe. Was man wissen muss: Madame steht auf den Standpunkt, Mehlspeisen seien ausgezeichnete Nachspeisen - nicht mehr und nicht weniger. Eine Mahlzeit ohne (vorzugsweise fettes) Fleisch, insbesondere Speck: für sie unvollständig.

Was soll ich sagen: da bin ich gern dabei, wenn's irgendwann an die deftigen Speisen aus der Küche von Caroline Gmachl geht ... Sofern wir dann noch einen Platz bekommen, wenn wir reinschneien nach dieser Kritik ...

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