Dienstag, 22. Dezember 2015

Auf (W)Einkaufstour in Südtirol

Eine Inventur unseres Weinkellers offenbart Ende September Alarmstufe Rot. Oh je: So kommen wir kaum bis ins kommende Frühjahr ...
Dann erst werden die Deutschen 2015er auf die Flaschen gezogen sein und es soll - wie man von Lobbyisten der Weinbauern hört - ein bemerkenswerter Jahrgang werden. Wer den 2003er in Erinnerung hat - auch ein sehr heißer, trockener Sommer, wird das bezweifeln ... Es drohen viele halbsüße Weine oder trockene Alkoholbomben ... Egal: Es herrscht Handlungsbedarf, und das dringend jetzt!

Madame und ich sind bekennende Fans des Frankenweins, insbesondere der Weißweine aus dem Maindreieck und dem Steigerwald, aber offen für jegliche neue Erfahrung, auch wenn uns unbändig freut, dass wir in Bayern, respektive Unterfranken, so ausgezeichnete Weinchen "regional" kaufen können.  
Was soll der Schmarrn mit Weinen aus der neuen Welt? Südamerika, Südafrika, Australien, Neuseeland, Kalifornien ...? Gepanscht und getrickst wird mancherorts; mit allerlei flotten Helferchen die Plörre fesch gemacht und um die halbe Welt gekarrt: Das Weinrecht stellt sich nach dem Motto dar: Erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist, verboten ist wenig und Nachhaltigkeit sieht unseres Erachtens auch anders aus ... Warum also in Ferne schweifen, wenn das Gute doch so relativ nah liegt? Warum nicht mal zum Großeinkauf nach Südtirol ...?
von Robert Bock
Südtirol ist nur wenige Stunden mit dem Auto von Regensburg entfernt und wir sind dort gerne zum Wandern und "Entschleunigen", wie man heute gern sagt. Von daher "beinahe Region". Den Südtiroler Wein kennen wir primär aus dem Urlaub, haben in der Vergangenheit gelegentlich auch die eine oder andere Einzelflasche mit nach Hause genommen, aber "systematisches Kofferraumfüllen" bei Winzern oder Winzergenossenschaften, das haben wir in Südtirol bislang noch nicht gemacht ... Teils lag das bisher daran, dass die Südtiroler unserem Eindruck nach dazu neigten, stolze Preise aufzurufen, die Weine  aber dem Qualitätsversprechen des hohen Preises selten entsprachen, teils weil unser Keller zum fraglichen Zeitpunkt keiner Aufstockung bedurfte. Würden wir unsere Einstellung revidieren müssen ...?

Im Sommer wurde uns im Gasthof Ungericht Hof in Kuens ein Fläschchen Gewürztraminer der Kellerei Nals-Margreid entkorkt: das mundete uns ausgezeichnet. Grund genug uns vorzunehmen, beim nächsten Besuch dieser Kellerei einen Besuch abzustatten. Das war unser Plan - aber wenn du die Götter zum Lachen bringen willst, erzähl ihnen von deinen Plänen: Am Ende hatten wir sechs Kartons von insgesamt vier Kellereien bzw. Winzergenossenschaften im Gepäck. Verdursten würden wir auf der Rückreise nicht, selbst wenn der Stau sich ziehen würde, soviel war sicher ...

Zunächst von Meran auf der Schnellstraße Richtung Bozen, Richtung Eppan ab und weiter nach Kaltern an den Kalterer See. Überetsch. Südtiroler Weinstraße. Zwei große Wintergenossenschaften und auch einige selbstständig arbeitende Winzer. Wir hatten an sich vorgehabt lediglich der Winzergenossenschaft "Erste+Neue" einen Besuch abzustatten - ihr Spektrum an Weinen schien uns bei der groben Planung am heimischen PC interessant ... Wir sollten uns täuschen: Von den vier Stationen unserer Einkaufstour waren wir hier  - sowohl was Wein und Personal anging - von der Performance am wenigsten angetan.

Der Degustationsraum der "Erste+Neue" ist zunächst einmal recht klein und finster. Die Farbe und das Verhalten im Glas unter Kunstlichtbedingungen zu beurteilen? Na, ob da einer mitgedacht hat, kaufen dort nur Amateure ein, die von Weindegustation keinen Schimmer haben, oder gibts da etwa etwas zu verschleiern ...?

Zwei Verkäufer schwirren zwischen fünf oder sechs Grüppchen von Kaufinteressierten hin und her. Man lehnt um einen rechteckigen Tresen herum, in seinem Inneren des Rechtecks die beiden Verkäufer. Wir erfragen - wie üblich - zunächste eine Weinliste, sofern eine solche nicht ohnehin offen ausliegt, studieren diese, überlegen uns, welche Tröpfchen wir probieren wollen. Nicht zu viele, 5 bis 6 meistens, denn erstens haben wir ein umfangreicheres Programm vor uns, zweitens wissen wir, was uns mit hoher Wahrscheinlichkeit schmeckt, was möglicherweise schmecken könnte und was wir nicht leiden können oder aus preislichen Gründen uninteressant ist und drittens sind wir mit dem Auto da und wollen den Führerschein gerne behalten.

Wir machen Kreuzchen auf der Liste, zunächst drei Weiße und ein Roter. Erster Eindruck: Die Preise sind bereits am unteren Ende ambitioniert und wenig Auswahl unter 8,00 EUR/0,75L. Mehr muss man für einen wirklich schönen Essensbegleiter für alle Tage im Grunde beim Erzeuger in Deutschland selten ausgeben - Weine zum Meditieren und Feiertagströpfchen sind für diesen Preis eher Glückstreffer; hier in Südtirol so wahrscheinlich wie der Angriff eines Weißen Hais im Guggenberger See. Wir haben aktuell primär Lücken in unserem Keller, was die "täglichen Begleiter" angeht, deswegen unser Schwerpunkt auf dieser Tour in diesem Segment.

Unser Verkäufer entscheidet eine ideale und durchaus sinnvolle Reihenfolge: Müller-Thurgau, Riesling, dann Gewürztraminer - dann den Roten: Blauburgunder.

Madame und ich sind große Müller-Thurgau-Freunde. Das allerdings erst, seit immer mehr Winzer, diese vielgeschmähte und zurecht in Verruf geratene Rebsorte, mit dem notwendigen Ernst und Liebe zur Klasse, statt Masse behandeln. Wir kennen einige Erzeuger von Müller-Thurgau-Spitzenweinen aus dem Maindreieck (Frickenhausen, Sulzfeld, Sommerach, Mainstockheim, Volkach, Fahr beispielsweise) und was uns der schlecht gelaunte, unausgeschlafen, ja mürrisch wirkende Verkäufer in Kaltern am See vorsetzt, ist zunächst einmal sehr trocken, säurebetont, besticht aber durch angenehme, mineralische Noten. Inzwischen haben wir, nach ausgiebiger Lagerzeit, damit das Baby nicht "reisekrank" ist, die erste Flasche dieses Tropfens zuhause geöffnet: Billiger Presskorken - diesem "einfachen", nicht sehr lagerfähigen Wein (trotz seiner 8 EUR) stünde aber ein Schraubverschluß in jeglicher Hinsicht besser zu Gesicht, aber das verstehen schnöselige Pseudokenner einfach nicht und hier scheint das die Hauptklientel zu sein, auf die man abzielt -, schöne fruchtige Nase, die Lust auf den ersten Schluck macht - und dieser erste Schluck entäuscht auf ganzer Linie: keinerlei Spritzigkeit, nicht die Spur eines dezenten, zungenkitzelnden Moussierens, obwohl es ein 2014er ist, dünner Abgang, kaum die Frucht, die gute Müller im Mund so wohlig wummern lassen, und wenn das Tröpfchen etwas Temperatur gewinnt, dann wird es unangenehm grasig. Soviel zum Gegencheck zuhause ... In dieser Verfassung würden wir ihn nicht mehr kaufen, aber wir warten ab, wie die weiteren Flaschen ausfallen: Wein ist lebendig und ändert sich im Lauf der Zeit, durchläuft Höhen und Tiefen: faszinierend!

Angaben über den Restzuckergehalt und Säure muss man hier jedesmal erfragen - was dem Herren tierisch auf den Zeiger zu gehen scheint - und das macht keinen Spaß. Der Mann mit dem Zöpfchen ist kurz angebunden. Anderswo sind diese analytischen Angaben auf der Weinliste bereits als Orientierungshilfe für versierte Weintrinker vermerkt. Aus uns nicht bekannten Gründen, verzichtet man in Südtirol offenbar gern darauf. Vielleicht auch ausgerechnet nur in den von uns besuchten Betrieben.

Ob unserem "Berater" bewußt ist, dass es die Kunden sind, die sein Gehalt bezahlen? Es ist die Vinothek einer Genossenschaft - wäre es sein eigener Wein, den er verkaufte, wäre er dann wenigstens eine Spur freundlicher? Vielleicht sollte er es mal mit einem Beruf versuchen, wo er mit Tieren, Toten oder Computern zu tun hat - aber nicht mit lebenden Menschen, die so nett sind für das, was er zu verkaufen hat, Interesse aufbringen und dessentwegen teils weit gereist sind. Professionelles Verkaufen liegt ihm, gemessen an diesem Freitagmittag, nicht.


Der Müller-Thurgau für 8,00 EUR kommt vorläufig auf unsere Vielleicht-Liste, weil er sich von den Franken, die wir daheim haben, klar und auf interessante Art unterscheidet. Der Riesling RIFALL für 11,30 EUR/0,75L ist enttäuschend und der Preis, gemessen am Spaß im Glas eine Unverschämtheit: In der Nase dünn, auf der Zunge kein rieslingtypisches, plastisches Spiel von Säure und Frucht, keine Spritzigkeit, keine Finesse: ein tröger Allerweltswein: wären alle Rieslinge so wie dieser, wäre der Riesling wahrscheinlich nicht der König der Weißweine. Aus Franken kennen wir Silvaner dieser Charakteristik - allerdings in Literflaschen für um die 5 EUR ... Soviel hätten wir maximal bezahlt, denn mehr wäre er uns nicht wert gewesen.
Wir lieben Riesling - komme er von der Mosel, dem Rheingau oder vom Escherndorfer Lump und Würzburger Stein - aber der hier? Nein! Es sollte sich nicht als Spezifikum dieser Genossenschaft, sondern als systematisches Problem in allen vier Betrieben erweisen: Man baut hier Riesling an, obwohl der Riesling möglicherweise keine idealen Bedingungen vorfindet.  

Warum dann aber überhaupt, verdammt nochmal? 

Weil er weltweit gefragt ist - ähnliches gilt für Chardonnay, Cabernet Sauvignon und Merlot - und die oenologisch tieffliegenden Amis, Japaner und reichen Chinesen sind bereit obszöne Preise zu zahlen  - und das selbst für biederes Mittelmaß, weil sie einfache Schoppen nicht von Spitzengewächsen unterscheiden können. Der Südtiroler an sich ist - sorry, aber das ist unsere Erfahrung - im Schnitt massiv geldgeil, wie sonst allenfalls Chinesen, und viele Kunden auch unserer Breiten haben wenig Ahnung, aber goldene Kreditkarten oder trinken keinen Wein, sondern "Parker-Punkte", schicke Flaschen und Etiketten und halten ihr Weinglas grundsätzlich nicht am Stiel, sondern am Kelch ... kulturloses, ignorantes Gesindel! Der hiesige Wein-Vermarkter weiß das ... und wie man Rindvieh melkt, das weiß hier in Südtirol jedes Kind.

Der Gewürztraminer der "Erste+Neue" ist sortentypisch in der Nase, schöne Rosennoten und Akazien, macht einen auf dicke Hose wie ein Q8-Fahrer - im Mund aber entpuppt er sich überraschend uninteressant, und reichlich kraft- und körperlos im Abgang. 10,40 EUR - tatsächlich? Sollen wir weinen oder lachen? Wo ist die versteckte Kamera?

Spaßeshalber wollen wir den billigsten Literflaschenwein (es gibt nur einmal Rot (Kalterer See) und Weiß: IGT Weinberg Dolomiten) für 4,80 EUR/1L probieren. Das war uns klar: der Herr Verkäufer rümpft die Nase über uns - wir auch: ob dieser Frechheit von Wein, der in dieser Flasche steckt. Was offerieren fränkische Winzer an wunderschönen Tröpfchen für diesen Preis, aber was soll diese unserem Gaumen ungeniessbare Cuvee aus Weißburgunder und Sauvignon Blanc? Selbst zum Kochen könne man den nicht verwenden, mutmaße ich und Madame schränkt ein: allenfalls als Zugabe zum Nudelwasser.

Schon früh beschleicht uns der Verdacht, der sich im Lauf des Tages wieder und wieder bestätigte: Das, was z.B. in Franken, Würtemberg oder der Pfalz in Literflaschen das jeweilige Sortiment eines Winzers oder einer Genossenschaft nach unten abrundet, wird in Südtirol in schicke, schlanke 0,75er-Flaschen gefüllt, fesch etikettiert und zum etwa zwei- bis dreifachen Preis verkauft. We are not amused ...

Dann der Blauburgunder (9,30/0,75L), wir fürchten ein Desaster - doch siehe da: Schöne Nase, bauchiger Körper, dezente, aber stoffige Tanninstruktur, lang und vollmundig im Abgang. Madame und ich brauchen einander nicht viel zu sagen: Von dem wird auf jeden Fall ein bisserl was gekauft und weil er so gut war, ungeprüft noch extra obendrauf auch eine Flasche eines anderen Blauburgunders höherer Preislage (13,50 EUR/0,75L) für die Weihnachtsfeiertage zur Gans, oder wenn der SSV Jahn Regensburg einst in die 1. Bundesliga aufsteigt: Den Wein kann man einige Jahre liegen lassen.

Ein wenig Müller-Thurgau, ein wenig Blauburgunder - unsere Ausbeute bei der "Erste + Neue" blieb überschaubar und der Erlebnisfaktor, der bei einer Verkostung nicht zu unterschätzen ist, hielt sich massiv in Grenzen.



Hundert Meter weiter etwa befindet sich der architektonisch imposante Neubau des "Winecenters" der Kellerei Kaltern, der Konkurrenz der "Erste + Neue".

Der Schuppen macht was her - sogar die knallroten Toiletten - aber wir sind ja nicht architektonischer Eindrücke wegen hier, wir wollen Wein kosten und kaufen. Hier, bei der Kellerei Kaltern, kümmert sich ein junger Mann um uns, der offensichtlich seinen Beruf mag. Vielleicht war er auch nur so gut in Form, weil er gerade einige Monate Spanienaufenthalt hinter sich hatte, wie er uns wissen ließ. Am Ende wird er uns auch die Kisten zum Wagen tragen - er ist der Einzige an diesem Tag. Pluspunkte.

Gewohntes Spiel: Weinliste ... Studieren ... Ankreuzen ... Wir testen unserem Wunsch gemäß Chardonnay, Sauvignon und Müller-Thurgau, alle drei sind preislich leicht unter dem Niveau der Konkurrenz (7,90 EUR/0,75L) aber in Nase und Mund um mindestens eine Klasse besser - zumindest was unser beider Geschmack betrifft. Wir sind nur unsere Referenz: Seid mutig und steht zu eurem eigenen Geschmack! Wein muss dem schmecken, der ihn genießt - niemandem sonst.

Der Verkäufer liest unsere Reaktionen, erkundigt sich aktiv, was uns warum gefallen hat und was nicht, hört aufmerksam zu, dann holt er dieses und jenes Fläschchen aus der Kühlung, das wir an sich nicht vorhatten zu probieren, und läßt uns kosten - klar, es sind meist Weine, die preislich höher liegen oder aber Jahrgänge, die rasch das Lager verlassen sollen. Cleveres Kerlchen, wir aber auch ...

Auch im Sortiment der Kellerei Kaltern schlagen die Roten die Weißen: Blauburgunder probieren wir und auch Lagrein (je 8,90 EUR/0,75L). Lagrein, erklärt unser Berater sei eine autochtone Südtiroler Sorte, vielleicht sogar die autochtonste, und ich freue mich, dass jemand dieses Eigenschaftswort für geeignet hält, Komperativ und Superlativ darauf zu bilden. Daumen hoch! Ich verliebe mich spontan in diesen wundervoll körperreichen, nach roten Früchten, Rumtopf und Kakao schmeckenden Lagrein mit seiner intensiven, dunkelroten Farbe mit diesen aufregenden violetten Reflexen. Alle genannten Weine laden wir letztlich, in allerdings unterschiedlichen Mengen, in unseren Kofferraum. Im Duell der beiden Kalterer Platzhirsche hat unserem persönlichen Urteil nach die Kellerei Kaltern gegenüber der Erste+Neue glasklar die Nase vorn.


Tramin! Heimat des Gewürztraminers - man hat sich auch hier ein architektonisches Schmuckkästchen geleistet, das dem Vogelnest in Peking nicht unähnlich ist - vielleicht derselbe Architekt? Menschen mit einem Expertenauge fürs Marketing können speziell hier sehr viel lernen:

Das Konzept von Gebäude, Flaschenregal, Geschenkverpackung und die grandiose Aussicht über die Weinberge bis hinauf zum Kalterer See ist eine Sensation -  die Weine sind es leider nicht. Zumindest unsere bevorzugte Stilistik suchten wir dort vergeblich.

Sehr enttäuschend war: Der Gewürtraminer war schon ausgetrunken; gerade auf diese Urmutter so vieler moderner Kreuzungen, wären wir am namensgebenden Ort gespannt gewesen. Fehlanzeige. Kann passieren, wenn man erst so spät im Jahr auf Weißweinpirsch geht ... Gewöhnlich brechen wir im April/Mai dazu auf.

Wir machen Kreuzchen auf der Weinliste: Müller-Thurgau (1*!, 1* Njet!), Kalterer See (1*Nö!Nö!Nö!, 1* Njet!!!) und aus Verzweiflung noch ein Merlot (Einmal Naja, einmal Njet!) - er bleibt wo er ist. Gottlob findet sich ein Goldmuskateller auf der Liste, der ist aber als "lieblich" ausgelobt - naja, sagen wir uns: vielleicht taugt er als Dessertwein?

Wir bitten um ein Pröbchen und endlich, endlich macht die Probe in Tramin uns Spaß: Wir nehmen eine Kiste von dem edlen Stöffchen. Ein idealer, eher leichter Dessertwein und weil er ein durchaus robustes Säuregerüst zu haben scheint auch lagerfähig und geeignet,  asiatische Speisen zu begleiten - oft nicht so leicht, einen Wein zu finden, der nicht von der Power der Gewürze niedergeprügelt wird. Unsere Wahl daheim: Rieslaner oder Riesling Spätlesen trocken. Gibts hier nicht, dafür aber diesen  wirklich bemerkenswerten Goldmuskateller (8,60 EUR/0,75L). Eine Kiste ist uns wohlfeil.

Ein Wort zum Personal in der Traminer Cantina: Wir konnten leider keinen Eindruck von Kompetenz gewinnen, weil außer Weineinschenken und lustlosem Schauen wenig geschah. Das könnte man auch in Selbstbedienung erledigen, was dort geboten wurde. Infos über Restzucker/Säure? -- Lesen Sie bitte die Infotafeln da hinten in den Vitrinen -- Danke, denke ich mir: Aber wofür zahle ich dann dein Gehalt in den Preisen für den Wein mit, Mädchen?

Die Preise in Tramin fallen durch eine gewaltige Spreizung auf: Die unteren Regionen sind an sich schon oberhalb derer in Kaltern, die Mitte ist kaum präsent und die Spitze ist unanständig teuer. Wie gemacht für Schnösel ohne Ahnung, die dem Preis-Qualitäts-Ausstrahlungseffekt und/oder Snob-Effekten unterliegen. Und hier schließt sich der Kreis: Ausgezeichnetes Marketing! Mittelprächtige, ja teils untrinkbar langweilige, teils einfach nur saure, eindimensionale Weine ohne Finesse am unteren Ende, die Weine am oberen Ende sind, soweit wir reinschmeckten, akzeptabel aber um den Faktor 3 bis 4 gegenüber uns bekannten deutschen und österreichischen Weinen dieser Liga überteuert. Aber irgendwie müssen die Märchenschlösser ja abbezahlt werden, die die Architekten in die Landschaft gepflanzt haben ... Wir zweifeln daran, dass wir dabei künftig nennenswert helfen werden.

Die Cantina Tramin ist uns unterm Strich, was deren Weine und das Preis-Leistungs-Gefüge angeht, eine große Enttäuschung. Aber sehenden Auges lernt man enorm viel, wie man großteils mittelmäßige Allerweltsweine so vermarktet, als wären sie Weltspitze! Daumen hoch, für die Marketing-Strategen hinter diesem Konzept.

Ein Positivum zum Abschluss: die Cantina Tramin bietet als einzige der vier vorgestellten Betriebe auch zwei zertifizierte Bio-Weine an (Weißburgunder, Kalterer See klassisch).

Der Nachmittag ist so gut wie gelaufen - auf dem Rückweg nach Meran steht die Kellerei Nals Margreid in Nals als Abschluß auf der Agenda. Hier würden wir zumindest einen ansprechenden Gewürztraminer bekommen - sofern er dort nicht ebenfalls ausverkauft sein würde ... Wir hatten Glück: er war verfügbar. Auch in Nals hat man sich eine schicke Immobilie gegönnt, die das Entré zu älteren Gebäuden bildet. Die Hypothek will bedient werden, deshalb auch hier ein stolzes Einstiegspreisniveau, das Höchste aller vier Kellereien. Sehr interessant ist die gläsere Architektur des Lagers der Fässer und der Räume mit den Entrappungsmaschinen, die gerade auf vollen Touren laufen und die Ernteerträge des Tages maschinell von den Stielen rupfen.

Der junge Mann, der uns kosten läßt, nimmt sich Zeit, wirkt sehr entspannt und so gestaltet sich die Weinprobe, trotzdem zahlreiche Kunden zugegen sind und er alleine den Laden schmeißt, sehr gemütlich und angenehm. Was diesen Aspekt betrifft: Gleichstand mit der Kellerei Kaltern. Tramin und insbesondere die Erste+Neue in Kaltern wegen ihres griesgrämigen Verkäufers auf den Plätzen.

Neben dem Gewürztraminer (10,35 EUR/0,75L) erstehen wir hier ein paar Flaschen Moscatao Gialo (Goldmuskateller), hier allerdings nicht "lieblich", sondern trocken ausgebaut: Ein Hammer in der Nase und am Gaumen für 8,60 EUR/0,75L. Auch der Pinot Noir (Blau-/Spätburgunder) für 10,55 EUR/0,75L) gefällt uns, und wird gekauft.

Ansonsten gilt in allen von uns besuchten Betrieben, auch in Nals: Der Vernatsch/Kalterer See ist eine - unserem unmaßgeblichen Geschmack nach - fast ungenießbare Angelegenheit: Hellrot, dünn, saft- und kraftlos. Schlicht überflüssig ist nach unserem unmaßgeblichen Dafürhalten, dass wertvolle Landschaft ausgerechnet mit diesem Zeug aufgestockt wird. Die Schwaben machen bei uns den gleichen Kardinalfehler, nennen das Gesöff aus dieser Rebsorte allerdings Trollinger. Es gilt für uns das, was auch für "Flüssigkeiten" wie den Beaujolais Primeur gilt: Man sollte nie, nie, nie dazu Wein sagen dürfen ...

Unser persönliches Fazit:

Lohnt es sich die von uns besprochenen Betriebe extra deswegen zu besuchen, um das Auto vollzuladen, vor allem, wenn man ansonsten nicht ohnehin dort zum Urlaub oder auf der Durchreise weilt?
Unserer Meinung nach: Nein. Es sei denn, man ist ein regelrechter Fan der Südtiroler Weine. Wir sind das nach unserer bisherigen Erfahrung nicht. Daheim in Deutschland, in Franken - mit großen Abstrichen, was die Klasse der Weine angeht, auch in Württemberg - bekommen wir zum etwa halben Preis den doppelten Spaß, sind in zwei statt fünf Stunden vor Ort und haben zudem halbwegs regional eingekauft und heimische, mittelständische Betriebe unterstützt. Auch den teils wirklich ordentlichen, ehrlichen Baierwein an den Hängen zwischen Winzer und Wörth wollen wir nicht unterschlagen: Unterstützt unsere heimischen Weinbauern!
Lohnt es sich, wenn man ohnhin dort Urlaub macht?
Dann lohnt sich ein Besuch dieser Betriebe in jedem Fall, und sei es, um seinen Weinhorizont zu erweitern. Möglicherweise entdeckt man ja, so wie wir auch, das ein oder andere Tröpfchen, das eine Bevorratung tatsächlich wert ist. Allerdings sollte man die Lagerfähigkeit nicht überschätzen. Vor allem nicht die von trockenen Weißweinen und tanninarmen Rotweinen, wie dem Kalterer See/Vernatsch.
Lohnt es sich in diesen Betrieben (teure) Weine zu kaufen, die im Barrique gelegen haben?
Was im Grundwein nicht drin ist, macht ein Holzfass nicht schöner. Nur erstklassige Tropfen gewinnen im Barrique an Charme hinzu.
Welche Kellerei von den Vieren, wenn man sich für eine entscheiden müsste?
Schwierig, schwierig, da abhängig von den persönlichen Vorlieben. Hier schmeckte der eine Wein besser als dort, dort ein anderer besser als hier, erhebliche Unterschiede in Ambieten und Service, geringere in den Preisen ... Wenn ich mich definitiv entscheiden müsste, dann würde ich persönlich die Kellerei Kaltern wählen. Madame überlegt eine Weile und enscheidet sich exakt wie ich. 2:0 für die Kellerei Kaltern als der sprichwörtliche Einäugige unter den Blinden.

4 Kommentare:

  1. Fahr das nächste Mal nicht an Andrian vorbei!

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    1. Hast du vielleicht einen speziellen Tipp dort für mich?

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  2. warum haben Sie keine besseren güter besucht? zb in kaltern manincor?

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    1. Kannten wir aus der Vergangenheit und es war keineswegs besser.

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