Freitag, 24. Juni 2016

Im Bio-Restaurant Gänsbauer in Regensburg

Regensburgs erstes Bio- und Naturland-zertifiziertes gehobenes Speiselokal, das Restaurant Gänsbauer in der Keplerstraße 10, war uns nicht zuletzt seiner Philosophie wegen einen Besuch wert.

Madame und ich hatten Anlaß etwas zu feiern - umso unerfreulicher, dass uns beiden die Laune binnen 25 Minuten in den Keller rauschte ...  

Was ist geschehen? 

Der sehr freundliche Service braucht tatsächlich eine Viertelstunde bis er uns die Karte bringt und weitere 10 Minuten verstreichen bis er die Bestellung aufnimmt. Ich sage zu Madame - halb im Scherz, halb ernst gemeint -, hoffentlich werde sich zwischenzeitlich nicht die Speisekarte ändern und die Menüs an den Saisonwechsel angepasst, bis wir bestellen dürfen. Sie lacht und wähnt mich schon im Geiste lautlos meinen Bleistift spitzen ...
von Robert Bock
Bei aller Liebe zum Thema Slow Food: Wartezeiten diesen Ausmaßes sind indiskutabel - vor allem auch deshalb, weil die Gäste zweier Tische, die nach uns eintrudelten, bereits beim Aperitif waren, als wir noch der Speisekarte harrten und ich dabei langsam aus meiner meditativen Mitte driftete ...

Ein denkbar schwacher Start in den Abend also, der im Grunde nur - und das reichlich - Luft nach oben ließ. Würde sich der Service noch aufrappeln und Küchenchef Christian Banken mit seiner Brigade das Blatt wenden können ...?

Die Pächterfamilie Kraus - hinter der sich der bei uns bekannte Naturland-Betrieb Froschhammer in Thalmassing verbirgt - legt Wert auf regionale und Bio-Produkte in ihrem Restaurant. Das liegt nicht nur im Trend der Nachhaltigkeit, sondern auch in einem Bedürfnis einer wachsenden Zahl von Menschen, nach ethisch sauberem Konsum, abseits der hochsubventionierten konventionellen Landwirtschaft mit industriellen Strukturen, rücksichtslosem Raubbau an der Natur und Haltung und Fütterung von Nutztieren, die nicht ansatzweise artgerecht ist.

Wer beispielsweise Rinder mit Soja- und Getreideschrot füttert verschlechtert die Fleischqualität und Fettstruktur von Fleisch und Milch dieser Tiere und das macht letztlich uns Menschen krank. Rinder haben auf der Weide zu stehen und Gras zu fressen. Alles andere ist eine Vergewaltigung von Tier, und in höherer Ordnung, auch von uns Menschen, denn wir sind was wir essen.

Im Gänsbauer gibt es beispielsweise Weiderind vom Kloster Plankstetten, wer Schweine- und Lammfleisch ordert, bekommt Fleisch vom Naturland-Hof Froschhammer serviert, Geflügel liefern Bio-Betriebe aus Rohr und Aufhausen, das Bier kommt vom Lammsbräu in Neumarkt - die Liste der Lieferanten liest sich wie das Who is Who der regionalen nachhaltigen Land- und Lebensmittelwirtschaft. Selbstverständlich engagiert sich die Pächterfamilie bei Slow Food und identifiziert sich mit deren Philosophie.

Um 18 Uhr waren wir pünktlich eingetrudelt - das ist vielleicht nicht die Uhrzeit, zu der man Höchstleistung des Servicepersonals erwarten darf - ich schon. Ich bin haarscharf davor aufzustehen und dem Lokal Adieu zu sagen, das Gasthaus zum Goldenen M am nahen Arnulfsplatz aufzusuchen und meinen Hunger dort zu stillen.

Madame hat es der Gänsbauer zu verdanken, dass wir bleiben: Wir sollten den bittren Kelch zur Neige geniessen, wie sie sich ausdrückt - wenn sie sich in die Kacke reiten wollten, lass sie reiten, meint Madame. Schlechte Kritiken haben weitaus höhere Leserzahlen zur Folge als gute. Pragmatisch gesehen hat sie also aus Kritikersicht Recht ... Es sollte sich als glückliche Fügung erweisen, dass wir blieben, denn mit der Küche kam pötzlich auch der Service auf Touren ...

Das Ambiente des Gänsbauer wirkt sehr gediegen und gemütlich. Allerdings sollte man sich um Putzpersonal kümmern, das so großgewachsen ist, dass es die Spinnweben und toten Motten an den Lampen an den Wänden als solche erstens entdeckt und zweitens auch in der Lage ist, diese regemäßig zu entfernen. Selbiges in der Männertoilette: An sich piccobello - aber an den Deckenlampen Staubflusen und Spinnweben: wenig vertrauensfördernd. Die Damentoilette sei nach Madames Aussage eine der gepflegtesten gewesen, die sie je aufgesucht hat.

Ansonsten sind die Tische mit schwerem Damast eingedeckt, wunderbar und kunstvoll gefaltete weiße Stoffservietten, gutes Besteck, brennende Kerze, frischer jahreszeitlich angepasster Blumenschmuck, optimale Beleuchtung - sehr schön!

Wir ordern beide das "Fleisch-Menü" mit 4 Gängen zu 60 EUR. Dazu eine Flasche Bio-Wasser aus Neumarkt (das muss mir einer mal erklären, was ein Bio-Wasser von einem anderen Mineralwasser unterscheidet?!), zum ersten Gang Madame ein Glas Welschriesling aus dem Burgenland (0,1L/3,50 EUR, sehr schön!), ich ein Glas Scheurebe aus Sommerach/Franken (0,1L/3,50 EUR, ebenfalls ein sehr harmonischer Tropfen).
Anschließend, für den Rest des Menüs, soll es eine Flasche 2011er St. Laurent aus dem Kamptal (AUT) vom Weingut Allram sein (32 EUR) - er würde sich als herausragend schöner Menübegleiter erweisen. Selbst zum Dessert, und das will viel heißen!

Als sehr schön empfinden wir, dass unser Kellner uns die offenen Weißweine zunächst mittels eines Schlückchens verkosten lässt, ob diese unserem Geschmack konvenieren. Das erleben wir anderswo selten - wir wissen das zu schätzen.

Die Weine, die wir genossen, stammen übrigens vom Lieferanten Rehorik - das alteingesessene Regensburger Spezialitätenhaus bürgt für Expertise. Die Weinkarte ist durchdacht, nicht überteuert und das Angebot an offenen Weinen ist aller Ehren wert. Was dem Gesamteindruck mehr Kongruenz zur Philosophie des Lokals verleihen würde: Konzentration auf Bio-Weine und regionale Weine - Region großzügig definiert als Deutschland und Österreich. Weshalb ist kein Regensburger Landwein auf der Karte? Die werden meines Erachtens schwer unterschätzt! Weine aus Übersee braucht - ehrlich gesagt und angesichts der Fülle hervorragender Rot- und Weißweine unserer Breiten - kein Mensch und ihr Transport rund um den Erdball widerspricht dem Slow-Food-Gedanken. Dies als Anregung ...

Sämtliche Weine, die wir heute genossen, waren von hervorragender Qualität und gereichen der Küche als kongeniale Begleitung zur Ehre. Preislich in Anbetracht des Spaßes den die Tröpfchen zu vermitteln in in der Lage sind, alles im vernünftigen Rahmen. Nicht zu vergessen: Man bietet dem Gast hier gute Weingläser (Eisch), die den Spaß am Wein unterstreichen und nicht - wie anderswo leider zu oft - konterkarieren.

Als Gruß aus der Küche zweierlei:

Hausgebackenes Dinkelbrot  (hell und dunkel) mit Roter-Zwiebel-Butter. Das warme Brot in Form von Mini-Brötchen/Teigbazerl ist sehr gut, fluffig und aromatisch, die zur Rose gespritzte Zwiebelbutter eine sehr schöne und schlichte Angelegenheit.

Der zweite Gruß aus der Küche besteht aus Erdbeeren in einem Rohschinkenkörbchen mit Balsamicoreduktion. Ein  schönes Häppchen, das durch den Kontrast der Aromen besticht. Ein schöner Appetitmacher, der Lust auf das nun folgende Menü macht.

Dieses startet mit einer Spargel-Terrine im Rohschinkenmantel mit Wildkräutersalat an einer Hanföl-Vinaigrette.

Madame mutet die Spargel-Terrine eine Spur zu salzig an - diesen Eindruck teile ich nicht. Der Spargel entfaltet eine wuchtige Aromatik, die Wildkräuter sind eine interessante, keineswegs alltägliche Geschichte und Blättchen für Blättchen ein Abenteuer  - die dezent abgeschmeckte Vinaigrette erschlägt die zarten Kräuteraromen gottlob nicht.

Unterm Strich: Die Eigenaromen der Zutaten kommen perfekt zur Geltung - ein Prinzip, dass sich durchs gesamte Menü ziehen sollte. Erstklassige Zutaten in Bio-Qualität bedürfen keines, mittels Gewürzen vermittelten Aromen-Viagra. Lobenswert!

Der Wildkräutercappucino mit Schwarzbrotbröseln ist nicht Madames Sache - sie isst kaum ein Drittel. Der Ober bietet ihre lobenswerterweise eine Alternative an, die Madame aber ausschlägt.

Ich finde diesen Gang weder gut noch schlecht - eine solide Kräutersuppe ohne Aha-Effekt, die man als solche so stehen lassen kann. Allenfalls ist sie etwas dünnflüssig geraten, aber das ist eine Frage der persönlichen Vorliebe.

Mir fehlt an diesem Gang etwas: Ein Parmesanchip? Ein Spießchen mit rosa gebratenem Wildfleischwürfeln? Eine Blätterteighaube ...? Dieser Gang ist mir persönlich noch nicht rund und stimmig und eine deutliche Spur zu konventionell. Warum eine Suppe, die nicht Suppe, sondern "Cappucino" heißt, in einer klassischen Suppenschale und nicht in einer Cappucino-Tasse serviert wird, bedarf unter Umständen ebenfalls einer akademischen Exegese. Aber das sind Petitessen ...

Der Hauptgang war dieser Bezeichnung würdig - und das ist beileibe nicht selbstverständlich! Filetsteak vom Jungbullen (Weiderind) mit gebratenem Spargel und Kartoffelplätzchen. 

Selbstverständlich wurde der gewünschte Gargrad erfragt und auch mustergültig eingehalten: "very rare" - also beinahe Blue.

Ich mach es kurz: Besser kann man ein Fleisch dieser hervorragenden Qualität nicht zubereiten und auch der Rest auf dem Teller gereicht der Küche zur Ehre. 

Gemessen an dem, was man anderswo in Regensburg, wo ein selbsternannter "Mister Meat" am Grill eher dilletiert hat, als wir dort zu Gast waren, serviert man hier - ohne ansatzweise die Backen aufzublasen - heimisches Weidevieh-Fleisch (Kloster Plankstetten) in Perfektion.

Dazu dieser hinreissende St. Laurent aus dem Kamptal - zum Niederknien! Welch eine wundervolle, runde und zutiefst befriedigende kulinarische Komposition!

Der Nachtisch schließt dieses konservative und dennoch zeitgemäße Menü würdig ab: Lauwarmer Schokokuchen mit Zitronenparfait und karamelisierten Zitronenscheiben.

Letztere schießen den Vogel ab: Hervorragend! Das Parfait ist eine gute, aber doch die schwächste Komponente dieses sehr gelungenen Desserts und kommt eher wie ein angefrorener Pudding daher - der Schokokuchen ist herrlich kakaolastig und bittersüß.

Ein gelungener Espresso für mich (2,10 EUR - alles über 2 EUR ist nicht Ok) und ein Glas Moscato (4,50 EUR - wie ein Bad in spritzigem Holundersirup! Wow!) für Madame als Abschluß und die Rechnung über 165 EUR plus Trinkgeld wird ohne weitere Kritik in diese Höhe akzeptiert. Gemessen an der Qualität der verwendeten Lebensmittel und dem sehr kompetenten Umgang von Küchenchef Christian Banken, Sous-Chef Sascha Weiß und dem gesamten Team in der Küche mit selbigen, braucht sich das Restaurant Gänsbauer in Regensburg auch preislich vor niemandem verstecken.

Fazit: Der stets sehr freundliche, aber bisweilen unkoordiniert wirkende Service hat sich über den Abend deutlich gesteigert. Das versöhnt mit der anfänglich inakzeptablen Bummligkeit. Die Küche verdient sich eine Note 1. Hier stehen die erstklassigen Lebensmittel in Bio-Qualität im Vordergrund - deren natürlichen Aromen eine Bühne zu bieten, scheint der Anspruch - diesem wird man vollumfänglich gerecht.

Unterm Strich geben Madame und ich auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6 eine 2- für diesen Abend und wir empfehlen unseren anspruchsvollen Leserinnen und Lesern - in der Hoffnung, dass der Service zum Start in den Abend einen einmaligen Ausrutscher aufs Parkett gelegt hat, einen Besuch.


1 Kommentar:

  1. Auf die eine oder andere Weise schafft der Gänsbauer es immer aus dem Abend eine Katastrophe zu machen. Entweder mit orientierungslosem Service oder mit mißlungenem Essen. Ich verstehe das irgendwie nicht; es gibt Restaurants da ist klar daß Hopfen und Malz verloren sind und dann ist das ganze irgendwie konsistent. Hier dagegen sind zwar ganz offensichtlich gute Ansätze und auch ein gewisses Potential vorhanden, und trotzdem hatte es, wie sich zeigt, zumindest in den letzten 25 Jahren kein Pächter im Kreuz aus dem Laden so richtig was zu machen. Also ein Restaurant das einfach rundum funktioniert. Auf welche Weise und auf welchem Niveau auch immer. Schade um die schöne Location. Aber gut, dieses Schicksal teilt das Gebäude schmerzlich mit den Räumlichkeiten in denen sich beispielsweise das sogenannte Restaurant Heuport befindet.

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