Freitag, 1. Juli 2016

Im "Brauner Bär und weiße Taube" in Fahr am Main

Eine (W)Einkaufstour nach Mainfranken bedingt zwar reichlich Weinkonsum im Zuge der einen oder anderen Weinprobe, was jedoch macht man, wenn der kleine oder große Hunger sich rührt?

Den Gasthof Zum Stern in Sulzfeld am Main habe ich Euch zuletzt bereits vorgestellt, heute führt uns der Weg mainaufwärts, an der Mainschleife bei Sommerach und Volkach vorbei, nach Fahr am Main: Ein vergleichsweise kleiner, weniger bekannter Weinbauort, jedoch mit nichtsdestotrotz ausgezeichneten Winzern.

Ein Traditionsbetrieb ist das Familienweingut Braun: Thomas und Heike Braun haben das Weingut 1998 von Thomas' Eltern übernommen und die dritte Generation um die Kinder Benedikt, Lucas und Emma ist auf dem besten Weg, die Tradition fortzusetzen. Die Brauns haben ein sehr beliebtes Gästehaus (3 Sterne, 11 Zimmer) mit hohem Stammgästeanteil hinzugefügt und betreiben eine urige, fränkisch-klassisch-derb eingerichtete Häckerwirtschaft mit gemütlicher Weinlaube im Hof des Anwesens. Deren Name dürfte an die Inhaber angelehnt sein: Brauner Bär und weiße Taube ...
von Robert Bock

Der nahe Fernradweg sorgt für zahlreiche hungrige Gäste, die sich in der warmen Jahreszeit hier stärken. Eitel darf man als Radtouristiker nicht sein, stellen Madame und ich an diesem herrlichen Samstag im Mai 2016 fest, als wir zum mittlerweile dritten Mal hier vorbeikommen um Lücken unserer Weinbestände nachzufüllen und eine Brotzeit zu uns zu nehmen.

Es soll ja mittlerweile aufeinander abgestimmte Radklamotten-Sets geben - selbst bei Lidl und Aldi, wir reden nicht von italienischen Edelmarken wie Castelli. Was würde wohl Karl Lagerfeld über Menschen in vogelwildem Aufzug sagen, die sich hier einer breiteren Öffentlichkeit so präsentieren, ist der Modezar doch der Meinung, dass jemand, der Jogginghosen trage, die Kontrolle über sein Leben verloren habe ...?

Ficht uns nicht weiter an - wir sitzen in der herrlichen Frühlingsluft an einem der letzten freien schattigen Tischchen, studieren die Wein- und Speisenkarte, und sind froh - und wer wäre das nicht - ein Thema gefunden zu haben, an dem wir uns gemeinsam delektieren können, derweil wir auf den zur Mittagszeit etwas überlastet und unkoordiniert wirkenden Service warten, damit er unsere Bestellung aufnimmt.

Wir organisieren uns derweil die aktuelle Weinpreisliste und sichten die uns interessierenden Tröpfchen. Wer von Euch noch nie beim Winzer war: Kugelschreiber nicht vergessen. Neben Schnupfenfreiheit sehr nützlich und wichtig!

Da wir im Anschluß ans Essen die jüngsten Kellerschätze von Thomas Braun kosten wollen, wollen wir eine Unterlage schaffen. Wir bestellen beide einen Müller-Thurgau, ich die feinherbe aus der Gutsweinlinie (Literflasche), Madame die trockene Variante aus der etwas teureren Flink-Serie.

Der 2013er M-Th dieser Serie war uns ein vielgeliebter Begleiter durchs vergangene Jahr - ein ausgezeichneter, jung und frisch ausgebauter quicklebendiger Müller-Thurgau, wie ihn derzeit nur wenige echte Müller-Thurgau-Maniacs zustandebringen. Der 2014er, den wir heute im Glas haben, kann uns beide nicht überzeugen. Zu dünn die Frucht, zu dominierend die Säure - kein herausragender Jahrgang, der Jahrgang 2014 für den M-Th in Fahr am Main.

Wir würden im Anschluß bei der Weinprobe erst kürzlich auf die Flasche gezogenen 2015er Flink-Müller-Thurgau ins Glas bekommen - um eine ganze Klasse runder und spritziger! So lieben wir den Müller-Thurgau der Brauns! Von ihm und seinem Macher Thomas Braun war bereits in meiner Müller-Thurgau-Manics-Artikelreihe ausführlicher die Rede.

Thomas Braun alias "Brauner Bär"

Ich will ein Paar Bärlauchbratwürste mit Zwiebeln und Bratkartoffeln und grünem Salat bestellen (10,50 EUR), jedoch, die Bärlauchbratwürste sind aus! Ob es  stattdessen auch eine Silvaner-Bratwurst sein dürfe? Warum nicht? Also das Ensemble eben mit Silvanerbratwurst ... Es dauert recht lange bis die Küche schickt ... Gut, dass wir heute keine Eile haben.

Die Wurst ist exzellent, die Bratkartoffeln kross und dem Familiennamen Ehre machen gut gebräunt und wunderbar gewürzt. Optisch ist der Teller eine Augenweide, jedoch fällt mir hinterher, wie Euch möglicherweise anhand des Fotos ebenfalls auf, dass der auf der Karte versprochene grüne Salat vergessen wurde. Schade.

Madame freut sich schon seit Monaten auf den Besuch der Braun'schen Häckerwirtschaft: Sie liebt deren Kochkäse - "Täubchens Kochkäse"! Eine Käsespezialität im Mainfränkischen, am ehesten beschreibbar als hausgemachter, sahniger Schmelzkäse mit reichlichst Kümmel.

Den Kochkäse könnte man separat bestellen, er ist aber auch Teil der Wald- und Wiesenplatte für 9,90 EUR. Außerdem finden sich auf ihr Wildschweinschinken, Wildschweinsalami, Wildererzipfel mit Chili (will ich wissen, wie der bemitleidenswerte Wilderer hieß, der hier entmannt wurde?), Wildbeißer mit gerösteten Haselnüssen sowie Gerupfter - eine hiesige Spielart des altbairischen Obatzdn. Dazu ein Papiertütchen voller unterschiedlicher sehr guter Brotsorten. Sehr schön, sehr gut - nur zu wenig Kochkäse. Kein Problem, Madame bekommt gegen Aufpreis ein weiteres Gläschen nachgeliefert. Ihr Mittag ist gerettet.

Nachtisch? Nachtisch! Ich Käsekuchen, sie Rabarbercrumble mit Vanilleeis.

Mein Käsekuchen kommt extrem spartanisch präsentiert an den Tisch. Man könnte ein wenig mehr Liebe zum Detail an den Tag legen, als einen sauberen Teller und eine Kuchengabel. Der Kuchen ist flach, schmeckt sehr süß und insgesamt akzeptabel. Ich habe vielfach bessere Interpretationen eines Käsekuchens gegessen. Nächstes Mal bestelle ich den vermutlich nicht mehr, wenn es ihn gibt.

Madames Rabarbercrumble ist schön angerichtet und sehr heiß. Gut, das Problem löst sich mit etwas Warten von selbst. Nicht aber die überreichliche Verwendung von Kardamom, der mit seiner intensiven Aromatik keiner anderen Geschmacksnuance Raum zur Entfaltung läßt.

Der Eigengeschmack des Rhabarbers kommt zu wenig zur Geltung, die Verbindung mit Vanilleeis und die buttrigen Streusel runden hingegen den Gesamteindruck dieses Desserts wieder positiv auf. Kann man wieder bestellen, muss man nicht. Wir regen an, den Kardamom dezenter einzusetzen.

Für eine Häckerwirtschaft bieten die Brauns eine sehr schöne, regional und saisonal ausgerichtete Speisekarte mit warmen und kalten Gerichten sowie typisch fränkischer Brotzeiten an. Man muss in diesem Eck Mainfrankens lange suchen, um Vergleichbares zu finden.

Die Portionsgrößen sind ausreichend, aber dem Preis mitunter nicht durchgängig angemessen. Dies wird aber durch die Preise der hauseigenen hervorragenden Weine im Ausschank wieder kompensiert, die allesamt drastisch unter dem liegen, was man in unseren Breiten für zudem oft bemitleidenswerte Qualität berappen muss.

Unter Volllast scheint uns die Küche unterbesetzt: Die Wartezeiten gestalten sich teils ungebührlich lange und nicht immer gelingt es, an alle Gäste eines Tisches zeitgleich zu schicken.

Wir werden wiederkommen zum braunen Bären und seiner weißen Taube - nicht nur des Weineinkaufs wegen, sondern auch wegen "Täubchens Kochkäse" & Co. Eine Einkehr bei den Brauns ist uns zu einer lieben Gewohnheit geworden, wenn wir in dieser Ecke sind und empfehlen der geneigten Leserschaft gelegentlich einen Ausflug nach Fahr am Main zu unternehmen.

P.S. Neuerdings betreiben die Brauns zusätzlich im nahen Volkach eine Weinbar namens Fahr Away, die wir noch nicht besucht haben, weil sie zur Zeit unseres letzten Aufenthalts in Franken noch nicht eröffnet war.

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