Mittwoch, 1. Juni 2016

Müller-Thurgau-Maniacs (IV): Thomas Braun aus Fahr am Main

"Müller-Thurgau-Maniac" ist ein Ehrentitel, den wir an junge Winzer jeden Alters verleihen, die sich um die Renaissance dieser leider in Verruf geratenen Rebsorte verdient machen.

Thomas Braun ist das, was man sich in Bayern unter einem gstandnen Mannsbild vorstellt.

Weitgereist ist der 45-jährige glühende HSV-Fan in Sachen Wein, hat mit seiner Frau Heike, mit der er in zweiter Generation seit 1998 das Familienweingut Braun in Fahr am Main nebst Gästehaus, der Häckerwirtschaft Brauner Bär und Weiße Taube und neuerdings auch eine Wein-Bar namens Fahr Away in Volkach betreibt, die weite Welt des Weins bereist.

Ins Nappa Valley nach Kalifornien führte die beiden 1999 eine ihrer ersten großen Wein-Reisen. Dort besuchten sie weltberühmte Weingüter und sammelten Eindrücke und neue Ideen. Spanien, Frankreich und Italien folgten. Reisen ins Herz des Weins, Augen auf und immer der Neugier nach!
von Robert Bock

Es ist gut und wichtig, wenn ein Winzer über den Tellerrand seiner Heimatregion hinausblickt, Anregung und Inspiration sammelt - ohne jedoch darüber an Bodenhaftung und Heimaterdung zu verlieren. Sauvignon Blanc, Chardonnay und Merlot baut Thomas Braun mittlerweile unter anderem an. Wahrlich keine klassischen fränkischen Rebsorten. Klimawandel und Experimentierfreude gehen bei Braun Hand in Hand. Wir haben heuer seinen Merlot probiert und ziehen voller Hochachtung den Hut! Das Maindreieck ist ja nicht gerade berühmt für seine Rotweine - ausgerechnet einen so dichten, schokoladigen Merlot würde man von dort nie und nimmer erwarten!

Thomas und Heike Braun
Aber von den Exoten soll hier keine Rede sein: von einer grundbodenständigen Rebsorte, der mit Abstand meistbestockten in ganz Mainfranken sogar: Dem Müller-Thurgau. Nicht irgendeinem M-Th (oder Rivaner) - nein, dem Müller-Thurgau aus der Flink-Serie des Weinguts Braun und seinem Macher Thomas Braun.

Die Flink-Weine versprechen innerhalb des klar strukturierten Sortiments der Brauns (siehe Foto) "Weingenuss für jeden Tag"- leichte, spritzige unkomplizierte Weine. Solcherlei Auslobung mündet andernorts gern in dünne, wenig haltbare, niedrigdimensionale "Spargel- und Terrassenweinchen" - hier ist das nicht so. Hier zählen unserer persönlichen Meinung nach gerade die Flink-Weine zu den Glanzlichtern modernen fränkischen Weinbaus im Raum Volkach.

Der 2013er Müller-Thurgau von Thomas Braun, von dem wir eine Kiste erstanden hatten, bereitete uns Flasche für Flasche herausragend große Freude. Ein M-Th, wie man ihn sich in Anbetracht der trögen, sauren Langeweile allerorten, die diese Weine meist verströmen, schöner nicht malen konnte.

Das letzte Fläschchen war längst geleert und die Zeit reif für einen Besuch bei Thomas und Heike Braun, um für Nachschub zu sorgen.

Der Chef selbst nimmt sich unser an, nachdem wir in der Häckerwirtschaft der Brauns eine solide Unterlage für die Weinverkostung gelegt haben.
Seine Literflaschen-M-Ths sind hochsolide, aber eher traditionelle, gelbapflige und typisch fränkisch-bauchige Kameraden zu je 4,70 EUR - enorm viel Wein fürs Geld! Den feinherben ziehe ich trotz 13,1g Restzucker dem trocknen (5,4g) bei vergleichbarer Säure ausnahmsweise sogar vor - aber an die Leichtfüßigkeit und Aromenbrillianz des Flink-M-Ths reichen Thomas Brauns Schoppenmüllers nicht heran. Wäre dem anders, würde auch etwas nicht stimmen ...

Wir kosten zunächst den 2014er Flink-M-Th und wundern uns wohin der Spaß abhanden gekommen ist, den wir am 2013er hatten. Thomas Braun seufzt, meint es sei kein leichtes Jahr gewesen und macht sich auf den Weg in den Keller, um den recht frisch auf die Flasche gezogenen 2015er zu holen, der an sich noch gar nicht im Verkauf sei.

Schon vor dem ersten Schluck ist klar, alleine die Nase offenbart: Der 2015er ist für unseren Geschmack ein Sensations-M-Th. Den wollen wir haben. Kein Problem, meint sein Schöpfer und erfreut sich unserer offensichtlichen Freude über seinen Wein. Für 5,00 EUR/0,75L bekommt man eine Menge Genuss fürs Geld! Details gefällig?

Unsere Verkostungsnotiz:

2015er Müller-Thurgau trocken QbA | Weingut Thomas Braun | Fahr am Main, Franken | 5,00 EUR/0,75L | Vegan

Im Glas (Spiegelau Authentis Universalglas): hellgelb mit grünen Reflexen, zarte Schlierenbildung am Kelch.

Nase: Zitrusfrüchte, schwarze Johannisbeeren, Stachelbeeren/Kiwi (reif!), grüner Apfel, Litschi, helle Blüten (Akazien?), Williams-Birne, Waldmeister

An Zunge und Gaumen: Zitronen, Limetten, reifer Golden Delicious, weiße Johannisbeeren, Stachelbeere | verhalten mineralisch (Kalk?) | sanftes, frisches Moussieren, perfekte Verbindung von Frucht und Säure, verspielt beinahe wie ein Riesling, speichelflußanregend, langer Nachhall nach gelben Äpfeln (Boskop).

Fazit: Ein schlanker, eleganter, frischer M-Th, der seine grazilen Stärken bei 6-8 Grad ideal ausspielt. Oberhalb 10 Grad neigt er dazu, sich trotz 11,5% Vol. alkoholisch zu gebährden. Wer Zweifel an der potenziellen Finesse bei gleichzeitig erdiger Fülle der Rebsorte Müller-Thurgau hegt, sollte dieser Braun'schen Interpretation eine Chance geben.

Thomas Braun sagt, es sei ihm ein Herzensanliegen, bei aller Lust an den für Franken exotischen Rebsorten, die traditionellen Sorten wie den Müller-Thurgau nicht zu vernachlässigen, die die Region zu dem gemacht hätten, was sie heute ist. Man dürfe diese Traditionssorten nicht verstecken, man müsse sie ins rechte Licht rücken, zeigen was man daraus machen könne, wenn man sich anstrenge!

Diesen Ethos haben wir bei Christoph Hammel, Melissa und Stefan Bender aus der Pfalz und Corinna und Stefan Heß aus Iphofen bereits kennengelernt. Das ist der Geist, der wahre Müller-Thurgau-Maniacs beseelt! Thomas Braun ist ab heute ein würdiger weiterer Träger dieses von uns verliehenden Ehrentitels.

Wir kosten sein jüngstes Baby: Ein Orange-Wein, ein "Natural Wine" vom Silvaner.  Konsequent mit orangefarbener Kapsel versehen. Lange auf der Maische gelegen und 15 Monate lang im Holzfass in Zweitbelegung ausgebaut, nachdem Brauns Chardonnay darin hat ruhen dürfen.

17 EUR für 0,75L sind aufgerufen. Ob uns dieser Wein das wert ist? Wir schnuppern, wir kosten ... Beinahe verlegen nimmt Thomas Braun unser Erstaunen zur Kenntnis. Madame macht Augen groß wie Zwei-Euro-Münzen: Da sei doch mal was völlig anderes! Gewöhnungsbedürftig auf den ersten Schluck, aber große Erfahrungen versprechend! Ob man hierfür nicht gar einen Burgunderpokal verwenden sollte?

Wir fachsimpeln  über die Frage des richtigen Weinglases und sind beruhigt, dass selbst ein Profi wie Thomas Braun darüber oft in Kopfzerbrechen fällt. Man möchte meinen, solche Fragen seien übertrieben, aber nein: Wer's nicht glaubt, mache die Probe aufs Exempel und verkoste ein und denselben Wein parallel aus verschiedenen, angeblich für diese Rebe und Machart idealen Gläsern. Wundern und Staunen - versprochen! Vom Orange-Silvaner packen wir auch noch etwas neben die obligatorischen M-Ths und seinen Flink-Silvaner und diesem und jenem. Geht gar nicht anders ... Der Meister hat uns mit seinem verdammten Orange-Zeug angefixt: Wann gibt es ihn auf Basis eines Müller-Thurgau? Nenn ihn dann einfach "Maniac"!
Ich habe beschlossen, meiner Leidenschaft für diese Rebe und die Macher moderner Weine aus ihr Ausdruck zu verleihen und in meinem Blog zu einer lockeren Serie auszubauen. Winzer, die sich wie die Hammels und Benders und Brauns angesprochen fühlen, wenn man sie in den Kreis dieser "Müller-Thurgau-Maniacs" einreihte, sind herzlich eingeladen, sich bei mir via eMail oder Facebook zu melden ...

1 Kommentar:

  1. Polatzek, Wolfgang1. Juni 2016 um 11:42

    das kann ich als Weinkunde vom Weingut Braun nur bestätigen,

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