Mittwoch, 29. März 2017

Ein Wiedersehen mit dem Goldenen Krug in Sengkofen

Kinder, wie die Zeit vergeht! Am 15. Juni 2015 nahm von hier aus für auswärts essen regensburg alles seinen Lauf:

Der allererste Blogpost entführte meine damals noch ziemlich überschaubare Leserschaft nach Sengkofen ins Gasthaus Zum Goldenen Krug

Damals schwang Christian Braun dort noch das Szepter und er tat das hervorragend. Großartige Küche bot Familie Braun - ob die beiden neuen Inhaber und Küchenchefs Peter Grasmeier und Benjamin Staudigl Brauns Niveau toppen können?

Seit Mai 2016 führen sie gemeinsam den Goldenen Krug und an der Stilistik der Küche hat sich nach Studium der Speisekarte offensichtlich wenig geändert. Einerseits solide Wirtshaus- und Biergartenküche mit Schweinsbraten und Obatzda, andererseits internationale Cross-Over-Küche, die verrät, das die beiden Küchenmeister ihren Beruf von der Pike auf gelernt haben. Elegantes Essen in bayerischer Gemütlichkeit verspricht der Claim der Website. Wir wagen die Probe aufs Exempel.
von Robert Bock

Das Ambiente hat sich nicht grundlegend geändert, jedoch wirkt der holzvertäfelte Innenraum deutlich gepflegter und gediegener als zuvor. Wer immer für die jahreszeitlich stimmige Dekoration zuständig ist: ein Lob sei verdient.

In den Lampenfassungen spenden klassische 100-Watt-Glühbirnen warmes Licht. Ich habe die Birnen nicht gezählt, aber eine Investition in moderne, warmweiße LED-Birnen, würde die Stromrechnung, das Licht in der Gaststube betreffend, zehnteln und dem heute nicht unwesentlichen Kriterium der Nachhaltigkeit glaubwürdiger Rechnung tragen.

Meine charmante Begleiterin hat Geburtstag und läd mich ein. Sie schlägt das Abend-Menü vor: drei oder vier Gänge? Mit oder ohne Käseteller, ich darf entscheiden und wir bestellen das 4-Gänge-Menü ohne abschließende Käseauswahl für 49 EUR. Mit Käse hätte es 10 EUR mehr gekostet.

Ich darf die Weinauswahl übernehmen und entscheide mich nach grobem Überflug der Karte - leider kein vernünftig bepreister Silvaner oder Grüner Veltliner im Angebot der Flaschenweine - für einen 2015er Riesling Kabinett vom VDP-Weingut Gunderloch aus Rheinhessen. 17 EUR sind ein fairer Preis für dieses elegante halbtrockene Tröpfchen mit schöner Mineralik und knackiger Säure vor schmeichelnder Frucht.

Restaurantleiter Christoph Wittwer und seine jungen Damen im Service kümmern sich abwechselnd um die Gäste. So bleibt es im Verlauf des Abends nicht aus, dass manches unkoordiniert wirken wird.

So beispielsweise das Nachschenken des Weines, der leider nicht in selbstbedienungsgeeigneter Entfernung in einem mit Eiswasser gefüllten Kühler deponiert oxidiert ... Nachdem ich nach dem Zwischengang geschlagene zehn Minuten lang vor einem leeren Glas sitze, bitte ich die Bedienung uns den Eimer an den Tisch zu stellen. Die Serviette für den Hals der tropfnassen Flasche bringt sie uns leider nicht ...

Das sind grundlegende fachliche Defizite, die in einem Lokal dieses Preisniveaus m.E. nicht vorkommen dürfen. Ein Stündchen Zeit in Schulung des Servicepersonals investiert - und diese nicht via learning by doing am zahlenden Gast - können Wunder wirken. Gut, dass die Flasche einen Schraubverschluss hatte. Nicht auszudenken, das überforderte Mädel mit einem Kellnerbesteck hantieren zu sehen ...

Ein Gruß aus der Küche leitet den kulinarischen Teil des Abend ein: Dreierlei hausgebackenes Brot - je zwei hauchdünne Scheibchen nur und über den Abend hinweg kein Nachschub - eine Pipette Kräuteröl, ein Kräuterbutteraufstrich und grobes Meersalz.

Auf ein Tischgebet verzichten wir, denn ein Sinnspruch an der Wand über unserem Tisch verspricht: "Wer die Köche kennt, braucht vor dem essen nicht beten."

Die Ölpipette steckt in einem durchbohrten Rindsknochen: eine interessante Präsentation.

Das Brot wirkt nicht sonderlich frisch und fluffig und kann Öl vertragen. Rosmarin schmeckt so deutlich hervor, dass die Bezeichnung Rosmarinöl angezeigter gewesen wäre.

Die Kräuterbutter entfaltet wuchtige, käsige Aromen vom Obatzdn. Das überrascht und hinterläßt Fragen: Arbeiten die beiden Chefs etwa mit Methoden der Molekularküche ...?

Das Amuse Bouche besteht aus einem Hackbällchen aus Wildfleisch auf einem Linsensalatspiegel mit Balsamico.

Das Wildhackbällchen ist hervorragend, ja herausragend gelungen. Es sollte einer unserer drei einstimmig konstatierten Highlights des Abends sein.

Schade, dass der Linsensalat von stechender Essigsäure derart brutal niedergeknüppelt wurde, dass selbst der halbtrockene Rheinhesse im Glas für mindestens fünf Minuten jeglichen Charmes verlustig ging.
Nur gut, dass ich vom  Hackbällchen zuallererst gekostet hatte. Der zweite Bissen fiel dank der Essigattacke nämlich so unspektakulär aus, wie ein Biss in Ikeas Köttbular. Ob uns Puy-Linsen serviert wurden? Der Größe nach möglich, von der Aromatik her des Essigs wegen unerheblich. Kompetent zubereitete (Puy-)Linsen können hinreissend sein - ich schmeckte nichts von diesen Linsen - lediglich Säure.

Zur Vorspeise: 3erlei vom Kalb - Rote Beete, Petersilienwurzel, Sesam.

Wunderhübsch sieht das Arrangement auf dem Teller aus - einem Pizza-Teller wie bei Giovanni und Luigi um die Ecke -

Wenn ich Kunst sehen will, gehe ich in eine Kunstgalerie - ich aber will Kunst über meine Geruchs- und Geschmackssensorik perzpieren, und auf diesem Pizzateller stimmt leider wenig:

Das Kalbstartar im Sesammantel und die Zwiebelmarmelade hebe ich positiv heraus, der Kalbskopf in Teighülle ist unspektakulär und das annonciert Sous-vide-gegarte Kalbfleisch zäh. Liegt's an der Fleischqualität oder am Handwerk - ich weiß es nicht, aber bin enttäuscht.

Die optisch hinreissende Rosette aus hauchhauchhauchdünnen Rote-Beete-Scheiben scheint dem gleichen Essigsäurebad entschlüpft wie der Linsensalat im Amuse Bouche und betäubt erneut meine Geschmacksnerven.

Die Petersilienwurzel, die ich gottlob zuerst verspeist habe, schmeckt sehr schön nach sich selbst und einem Hauch von asiatischen Einsprengseln, subtil erinnernd an Gari. Die Kresse ist welk, der Glanz der Dekoration generell stumpf. Man sollte das Vordekorieren der Teller zeitlich eventuell nicht in den frühen Vormittag legen ...

Der Zwischengang: Gebratene Jakobsmuschel - confierte Tomate, Lotuswurzel, Krustentierschaum.

Wiederum besticht zunächst die Optik, aber die Speise hält leider nur bedingt, was das Auge verspricht. Der Krustentierschaum betört geruchlich und geschmacklich - ohne Frage.

Öha? Die Lotuswurzel schmeckt nach Apfelstrudel - eine vergleichbare Überraschung wie im Falle der Kräuterbutter im Küchengruß zuvor.

Die Jakobsmuscheln wurden offenbar bei "Liliput Paris" en miniature eingekauft und meine hat auf der unteren, der "confierten Tomate" zugewandten Seite, zuviel Salz gesehen. Ansonsten ist sie leicht über den Idealgarpunkt hinaus.

Die auf der Karte als "confiert" annoncierte Tomate, kündigt der Restaurantleiter verbal als "Grilltomate" an. So oder so: überflüssig und unverständlich. Ein Petersilienwurzel- oder Topinamburpüree wäre meines Erachtens die logische Komponente gewesen und hätte den vorhergehenden Gang thematisch aufgegriffen. Was an diesem Tomatenvorschlag nach Ansicht der beiden Küchenchefs den Gast begeistern sollte, will sich mir persönlich nicht erschließen.

Hauptgang: Rosa gebratene Barbarie Entenbrust - Currykarotten, Maronen, Orangentarhonya

Orangen-WTF...?  
Tarhonya, auch Eiergraupen genannt, sind eine Spezialität der ungarischen Küche. Eine Art Nudel, die traditionell mit Zwiebeln, Paprika und Speck zu einem Eintopf verkocht, Feld-und Eisenbahnarbeitern als kräftigende Wegzehrung dient.

Ob man diese Eiergraupen im Goldenen Krug nicht lieber klassisch zubereitet hätte, fragen wir uns hinterher, denn in dieser Orangenvariante erscheinen mir diese Tarhonya als nicht zwingend wiederholenswerter, kulinarisch belangloser Versuch.

Zudem: Orange und Ente? Ein Klassiker, ok - aber das Thema ist übergebührlich ausgelutscht, auch mit diesen Tarhonya ... Ein Risotto auf Basis von Reis oder Perlgraupen, vielleicht auch ein Kartoffel-Schießmichtotgedöns-Püree, hätte mir persönlich besser gefallen. Meinetwegen auch mit Orangenaromatik und einem zarten Hauch Rosmarins.

Currykarotten ... Schmeckst du Curry an diesen ungeschälten Karotten?, frage ich die Gastgeberin. Ja doch, an einer sei Curry zu schmecken gewesen, behauptet sie, und ich wundere mich ... Karotten nicht zu schälen, halte ich als Gast eines ambitionierten Lokals persönlich für eine Frechheit, über die ich nicht bereit bin zu debattieren. Die Maronen sind nicht durch. Dagegen hilft probieren. Und zwar bevor sie dem Gast geschickt werden. Handwerklich sind diese in ihrer Größe höchst unterschiedlichen und deswegen kaum gleichmäßig zu garenden Maronen für mich persönlich eine Fünf.

Die Entenbrust gelingt an durchschnittlichen Tagen jedem Hobbykoch mindestens ebenso. Rosa ist sie allenfalls auf der Unterseite gebraten. Die sich der Haut zuneigende Hälfte ist nicht rosa, sondern grau und trocken, die Kruste als solche nicht zu bezeichnen: Zäh ist sie - das Gegenteil von knusprig-kross. Obendrein findet sich zu wenig Soße auf dem Teller, um das trockene Federvieh geschmeidig hinunterzubekommen.

Unterm Strich: Dieser Gang ist zwar von der Portionsgröße her endlich dem Preis des Menüs angemessen, aber kompositorisch wie handwerklich missglückt. Ich bereue mittlerweile, dass ich mich dazu verleiten ließ, aufs Tischgebet zu verzichten ...

Dass erneut ein lapidarer Pizza-Teller aus der Möbel-Hiendl-Resterampe als Präsentationsleinwand des Menü-Höhepunktes (Hauptgericht!) herhielt, erwähne ich lediglich der Vollständigkeit halber.

Kann das Dessert es noch rausreissen? Nougatknödel - Panna Cotta, Fruchtkompott, Kiwi.

Nach der Kräuterbutter und dem Wildhackbällchen sind die kleinen Nougatknödel unser beider drittes Highlight des Abends.

Das Kiwi-Sorbet packen wir beide nicht, denn auf Kiwi reagieren unsere Kehlen mit Kratzen. Probiert haben wir dennoch, ich ein paar Löffelspitzen mehr, als das Geburtstagskind: Sauer, sauer, sauer. Von Kiwi-Aromatik keine Spur. Wenn es keine guten Kiwi auf dem Markt gibt, disponiert ein Koch von Klasse normalerweise um. Nur solche Köche seien beschissen, heißt es, die sich nicht zu helfen wissen ...

Die Panna Cotta ist unwesentlich größer als eine 2-Euro-Münze, schmeckt aber sehr gut. Das Fruchtkompott besteht aus einer schwer zu identifizierenden, geschmacklich nicht erinnerungswürdigen eingelegten Frucht. War es eine Mispel, war es eine exotische Pflaumenart? Egal. Den Nougatknödel, nicht das assoziierte Mittelmaß, will ich in Erinnerung behalten, denn der war wirklich fein ...

Ein viertes Hochlichterl wird uns mit der Rechnung kredenzt: Ein Mini-Floreniner: Weicher Karamel und Sonnenblumenkerne - sehr schön. Die übrigen süßen Komponenten des Abschiedsgrußes konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Geburtstagskind heute, gemessen an der gebotenen Leistung, zuviel bezahlt hat.

Ich ziehe als zeitnahe Referenz Martin Kandlbinders Performance in der Einkehr Zur Alten Post in Ponholz heran: Dort wurde uns ein beinahe durchgängig perfektes, fünfgängiges Überraschungsmenü mit deutlich größeren Portionen serviert - und das für sieben Euro weniger. Mit der Gesamtleistung des heutigen Abends wird es nach meiner Einschätzung schwer für Grasmeier und Staudigl, mit Kandlbinder und Schwögler gleichzuziehen und in den Bib Gourmand Aufnahme zu finden.

Fazit: Peter Grasmeier und Benjamin Staudigl - beide sind sie diplomierte Küchenmeister - gelang an diesem Abend nicht ansatzweise, an die hervorragende Küchenkunst ihres Vorgängers Christian Braun heranzureichen.

Möglich, dass man einen ganz besonders schlechten Tag erwischt hat, möglich, dass nicht. Wir sind alle nur Menschen.

Beide sind noch recht jung für die Rolle des Küchenchefs und möglicherweise noch nicht ausreichend erfahren für das Niveau, das beiden vorschwebt. Ein paar erstklassige Stationen, ausgiebiges, demütiges Lernen unter einem Chef von Rang in der Welt der Kulinarik; etwas mehr Zeit in der zweiten oder dritten Reihe hat keinem Koch, der sich selbständig machen will, je geschadet. Bezüglich beider Chefs beruflicher Vita hüllt sich das Netz leider in Schweigen. Ich mag falsch liegen, aber mir drängt sich der Eindruck auf, dass hier zwischen Wollen und Können noch eine erhebliche Lücke klafft.

Falls Üben-Üben-Üben alleine nicht reichen sollte, empfehle ich wohlmeinend, das kulinarische Konzept grundlegend zu überdenken und sich auf eine Karte zu konzentrieren, die man auch unter höchstem Stress zuverlässig in hervorragender und gleichbleibender Qualität zu meistern fähig ist. Kaum ein Gast goutiert die Rolle eines Versuchskaninchens mehr als einmal mit Wohlwollen.


Restaurants des Anspruches des Goldenen Krugs gibt es in der Gegend zudem eine große Handvoll: Der Landgasthof Schwögler, die erwähnte Alte Post in Ponholz, Gänsbauer, Silberne Gans, um nur einige zu nennen. Sich gegen diese Konkurrenz ausgerechnet in Sengkofen durchzusetzen, erscheint mir gewagt.

Ich zumindest sehe unter dem Eindruck dieses Abends erst wieder einen Grund den Weg hinaus aufs Land auf mich zu nehmen, sollte die Kluft zwischen Wollen und Können überbrückt sein.


3 Kommentare:

  1. Der Artikel liest sich nicht so als würde es mich da schnellstens rausziehen aufs Land, der Eingangsbereich erstrahlt wie eh und je. Wenn die überhaupt eine Überlebenschance dort haben wollen, sollten sie sich auf die Basics und den Biergarten konzentrieren. So, schätze ich mal gehen da in einem halben Jahr die Lichter aus.

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  2. Solche Artikel finde ich generell mehr als bedenklich, nach nur einer Momentaufnahme die generelle Fachkompetenz von Köchen zu beurteilen und dann gleich jungen motivierten Menschen ihre Qualitäten abzusprechen. Ich War zweimal im Goldenen Krug unter neuer Führung und auch bereits in allen anderen Restaurants die hier als "bessere Alternative" angeführt werden (in einem davon durfte ich sogar für sie kochen, hier nochmal danke für die positive Kritik) Aufgrund meiner Erfahrungen ist mein persönliches Fazit, dass sich der Goldene Krug sich hinter keiner dieser Adressen zu verstecken braucht und ich jedem nur eine Empfehlung aussprechen kann (selbstverständlich auch den anderen genannten Restaurants)
    Letztendlich möchte ich durch meinen Kommentar allen Lesern nochmals in Erinnerung rufen, dass ein Foodblog eine subjektive Momentaufnahme ist und kaum aussagekräftig ist für die generelle Leistung eines Unternehmens. So kann ich nur jeden Leser auffordern sich selbst ein Bild zu machen und nicht nur aufgrund der Erfahrungen eines Einzelnen sich selbst der Chance zu berauben ein neues Restaurant für sich zu entdecken.

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    1. "Möglich, dass man einen ganz besonders schlechten Tag erwischt hat, möglich, dass nicht. Wir sind alle nur Menschen."

      Wenn die beiden es draufhaben, dann sollten sie es durchgängig im gesamten Menü und das auch konstant jeden Abend zeigen. An diesem Abend war das leider beinahe durchgängig eher gegenteilig der Fall ...

      Der Hinweis auf die Thematik der Momentaufnahme findet sich übrigens ausführlich am Fuß jeder Seite dieses Blogs und ist bei unvoreingenommenem Lesen auch in jedem Artikel mitschwingend.

      Robert Bock, auswärts essen regensburg

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