Mittwoch, 15. März 2017

Der Hartl Sepp aus Straßkirchen und sein geiles Holzofenbrot

Ein Ausflug ins niederbairische Straßkirchen bescherte mir unverhofft eine kulinarische Erfahrung, die sich so recht zwar nicht ins übliche Genre meiner Gastronomiekritiken fügt, von der ich aber trotzdem berichte, weil mich mein Herz dazu drängt.

Ein junger Mann - ein griabiger, wie man hier sagt - backt in seinem Garten in der Jahnstraße 9a neben seinem Gartenhäuschen, das als Verkaufsstand dient, in einem riesigen Holzofen, der auf einem Anhänger steht, hinreissendes Brot:

Sauerteig, Vollkornmehl aus dem Gäuboden, Weizen, Dinkel, Roggen, helles Brot, dunkles Brot, mit Gewürzen und auch ohne. Ein jedes, das ich probieren durfte eine Schau. Würde ich regelmäßig Brot essen, ich würde nur noch dieses wollen und ich muss Euch dringend raten, es selbst einmal vor Ort zu probieren ...
von Robert Bock

Sepp Hartl heißt der junge Mann und er und seine Frau Mama kümmern sich herzlich um die Kunden, die ausschließlich am Freitagnachmittag, direkt neben Sepps warmem Holzofen, ihr Brot kaufen. Hartls Holzofenbrot - so firmiert er. Nüchtern und schlicht - kein dumpfbackiges Wortgeklingel a la "Brotmanufaktur" oder "Brotboutique". Da ahnt man doch schon, dass man ehrliche Produkte erwarten darf, oder?

Am Vormittag wird eingeschürt, bis der Ofen um die 400 Grad Celsius Temperatur erreicht hat, dann hinein mit den runden und eckigen Laiben und Baguettes aus dem besten Vollkornmehl, das der Gäuboden zu bieten hat. 330 Grad zeigt das Thermometer, als wir in Straßkirchen ankommen noch an. Langsam kühlt der Ofen ab.


Der Hartl Sepp in seiner mehligen Bäckerhose ist einer, den die Leidenschaft antreibt. Ich liebe Menschen, deren Augen leuchten, wenn sie von den Lebensmitteln erzählen, die sie produzieren und die niemals müde werden, andere für ihrer Leidenschaft zu entflammen.

Spyridoula Kagiaoglou, die Olivenölqueen aus Tegernheim, ist auch so ein Mensch und der Zufall führt die beiden heute zusammen.

Die Griechin ist schon eine Weile auf der Suche nach dem bestgeeigneten Brot Ostbayerns für ihre Olivenölverkostungen.

In Griechenland und rund ums Mittelmeer tunkt man ofenfrisches Weißbrot in feines Olivenöl und streut ein wenig Salz darüber: Ein schlichter Hochgenuss, wie hierzulande das perfekte Butterbrot. Nur: Bairisches Brot und griechisches Sterneköcheöl, das will so recht nicht immer harmonieren ... 

Wie der Hartl Sepp ist auch die Spyridoula eine Perfektionistin. Ich lese in einer Straubinger Restaurantkritikgruppe auf Facebook von einer unorthodoxen Bäckerei in Straßkirchen und beschließe, da muss ich mit der Griechin schleunigst hin. Andere Tafelrunden suchten einst nach dem heiligen Gral, wir suchen das beste Brot Ostbayerns ...





Der Niederbaier und die Griechin scheinen einander auf Anhieb sympathisch. Menschen, die verrückt nach guten Lebensmitteln sind, erkennen einander. Spyridoula fischt eine Flasche ihres sagenhaften Olivenöls von der Peloponnes aus den Tiefen ihrer Handtasche. Sie wolle dem Sepp sein Brot (O-Ton) auf Eignung zu ihrem Öl hin verkosten, erklärt sie ihm, und der Sepp scheint sofort Feuer und Flamme.


Derweil uns Frau Hartl die verschiedenen Brotsorten probieren läßt, flitzt der junge Bäckermeister ins Haus, kehrt zurück mit einer selbstgerührten Mischung aus Schmand und Zwiebeln, einem Packerl gewürfelten Bauchspecks und italienischem Olivenöl, das er sich auf der Biofach, einer wichtigen Messe, besorgt hat.

Auch zwei leere Schnapsstamperl bringt er mit und stellt sie auf den gusseisernen Holzbackofen. Ein Öl brauche die richtige Temperatur, sagt er, und es ist kalt unter freiem Himmel an diesem späten Nachmittag im frühen März.

Dann belegt er seine Teigfladen und überantwortet sie den 330 Grad in seinem Ofen. Minuten später verbreitet sich im Hartl'schen Garten ein hinreissender Duft ... Seine Nachbarn müssen doch verrückt werden, stelle ich mir vor: Dieser Duft? Jeden Freitag? Wow ...

Sepp Hartl backt nicht nur ein sensationelles Brot, er versteht auch etwas von gutem Olivenöl und hat gelernt, wie man es fachmännisch degustiert. Sein italienisches Öl duftet enorm fruchtig, aber es ist deutlich herber und bitterer auf der Zungenspitze, als Spyridoulas feinfruchtiges griechisches Olivenöl.

Sepp nippt und schlürft, dann zieht er das Öl durch die Zähne und wiederholt die Prozedur, bis das Stamperl leer ist. Dann verkündet er sein Urteil, meint, dass Sypridoulas Öl den Geschmack der meisten Deutschen vermutlich sehr entgegenkomme, weil es milder und feiner sei, als die meisten Öle, die er kenne. Trotz einer schönen Schärfe im Abgang sei es weniger ruppig und rau ...

Derweil die beiden fachsimpeln, klinke ich mich aus und futtere mich durch die röschen Flammkuchen, die Sepp gerade aus dem Ofen geholt und mit einem Messer, groß wie eine Machete, zurechtgeschnitten hat. Ein Kunde tut es mir gleich. Ein Koch, wie sich herausstellt. Er wartet mit hochinteressanten Flammkuchen-Ideen auf. Knoblauch und Ingwer in den Schmand ... Don Alfonso lässt grüßen.

Ich tränke dem Sepp sein Brot mit Spyridoulas Olivenöl und die Welt um mich herum versinkt in Stille ...

Ein gutes ofenwarmes Brot und ein hervorragendes Öl- was braucht man mehr zum Glücklichsein?

Sepps Mama tut es mir auf meine Anregung hin nach. Sie habe noch nie in ihrem Leben Brot "oafach aso" mit Olivenöl gegessen. Ihre Augen beginnen zu leuchten und mir geht schlagartig auf, von wem der Sepp sein Leuchten geerbt hat. Man ist nie zu alt, sofern man offen ist, für neue kulinarische Erfahrungen ...

Ich frage Spyridoula auf dem Heimweg, ob sie endlich gefunden, wonach sie gesucht habe: das perfekte Brot zu ihrem Olivenöl? Sie seufzt, sagt, ein besseres Brot wie "dem Sepp seines" habe sie in Deutschland zwar noch nicht gegessen - aber es sei nicht das gleiche Brot, wie sie es aus ihrer Heimat Griechenland kenne: Sauerteigbrot auf Basis hoch ausgemahlenem Mehls - kein Vollkornmehl! - mit nicht zu lockerer Krume. Diese Kombination schwebe ihr, der Perfektionistin, nun einmal vor für ihre Verkostungen ... Griechinnen sind dickschädlig; wer eine kennt, weiß, wovon ich rede ...

Mal sehen, fügt sie hinzu, vielleicht falle dem Sepp, dem Tüftler, dazu in Zukunft ja noch etwas ein ...

Fahrts amal naus nach Straßkircha, liabe Leit. A bessers Brot hobts es eier Lebtag pfeigrad no ned gessn. Freitag nammittog. Sonst werds Beech ham ....

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