Freitag, 19. Oktober 2018

Grippeimpfung bei Sangeeta und Garish Sehgal

Wer qietschbunten Bollywood-Kitsch erwartet, ist hier an der falschen Adresse.

Das Interieur ist schlicht und zurückhaltend mit indischer Kunst und Antiquitäten ausgestattet. Den dunkelblauen Teppichboden kenne ich seit vielen, vielen Jahren. Sie sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Ich bin heute nicht zum ersten Mal hier zu Gast und verbinde positive Erinnerungen mit diesem "Inder".

Das typische "All-You-Can-Eat-Publikum" wird hier nicht auf seine Kosten kommen: Kein billiger Buffet-Fraß, ebensowenig Multi-Kulti-Küche wie Pizza, Wiener Schnitzel oder Gyros.

Nein, hier wird dem Gast keine Touristenfolklore untergejubelt, hier bewirtet ein Familienbetrieb seine Gäste mit um Authentizität bemühter Küche und es herrscht eine wohltuende, entspannte Ruhe in diesem Lokal.

Vom Maharadscha ist die Rede, dem ältesten indischen Restaurant Regensburgs. Seit 1989 gibt es das Lokal in der Zollerstraße 15a. Zuvor residierte hier ein recht passabler Grieche, dessen Name mir entfallen ist. Ich weiß das so genau, weil im Haus direkt gegenüber meine damalige Liebste in der Mansarde wohnte und wir, kochfaul wie wir damals waren, uns öfters mal drüben beim Griechen im Biergarten aufhielten.
von Robert Bock
Die Lage sei nicht unbedingt zentral, schreibt Junior Gagan Segal, der seinen Eltern gelegentlich im Lokal aushilft und die Homepage gestaltet, dafür investiere man das Geld lieber in bessere Qualität der Speisen. Man habe Erfahrung im Restaurantgeschäft seit über 30 Jahren, sei das erste indische Restaurant in der Stadt. Schärfe werde individuell gestaltet - von mild bis sehr scharf - und man führe echten, indischen Basmatireis.

Eine alte Bekannte ist in der Stadt und wir wollen Sonntagmittags essen gehen.

Sie habe Lust auf einen Inder, falls es einen guten gebe, sagt sie. Da müsse ich eine Weile grübeln, antworte ich ihr, denn mittlerweile dominieren hier unter dem Etikett "Inder" allerlei Lokale, in denen ich nur unter vorgehaltener Waffe einkehren würde.

Ob es das Maharadscha noch gibt? Lang ist es her, dass ich dort zuletzt aß, bestimmt 10 Jahre. Google hilft, jawohl, das Lokal existiert noch, es ist 11 Uhr, um 12 werde man heute öffnen. Ich rufe an, am anderen Ende der Leitung hebt niemand ab. Schade ...

Gerade will ich meine Bekannte kontaktieren, um ihr anderweitige Vorschläge zu unterbreiten, da klingelt mein Telephon ... Ein höflicher Herr meldet sich in einwandfreiem Deutsch mit indischem Akzent und fragt, womit er dienen könne, denn ich habe vorhin bei ihm im Restaurant angerufen. Ein Tisch für zwei in etwa einer Stunde? Kein Problem, er freue sich auf unser Kommen.
Ich kommentiere das nicht weiter, es spricht für sich und die Wirtsleute ...

Garish Sehgal - laut Homepage Inhaber, Koch und Bedienung, also der Maharadscha himself - nimmt uns schlag 12 in Empfang, führt uns an unseren Tisch und bringt die Speisekarte. Eine übersichtliche Empfehlung des Tages ist, in die Standardkarte eingelegt, vorangestellt. Was ich lese, liest sich so, dass mir das Wasser im Munde zusammenläuft.

Sie bestellt sich ein  gewürztes Limettenwasser, ich ein Kokos-Lassi. Ich weiß nicht, weshalb das so ist, aber beim Inder würde ich nie auf die Idee kommen, mir Wein oder Bier zu bestellen. Meistens eines dieser Lassi genannten fruchtigen oder salzigen Joghurtgetränke.

Ich schlage ein paar kleine Vorspeisen vor: dies und das und jenes ... Der Maharadscha bringt uns beide davon ab. Die seien leider um diese frühe Zeit des Tages noch nicht vorbereitet und es würde länger dauern. Ob wir alternativ Lust auf eine indische Hühnersuppe vorab hätten, die sei servierbereit und er verspricht mit schelmischem Augenaufschlag, wir würden uns damit für die kommende kalte Jahreszeit zuverlässsig die Grippe vom Hals halten. Mit Geld-zurück-Garantie!

Wir haben, und wie! Sie auf die klassische Variante mit Hühnerfleischstücken, ich auf jene mit Garnelen.

Vergleichsweise große Schalen mit einer köstlich duftenden Suppe stellt Garish Sehgal vor uns auf den Tisch.

Uns entfährt spontan ein Mhhh und Ahhh ... Der Maharadscha meint, offene Begeisterung treibe den Preis der Suppe in die Höhe ...

Die Suppe schmeckt hervorragend. Jede Wette: Das Huhn simmerte mitsamt der Knochen lange, lange Stunden. Wer selbst je eine richtige Hühnersuppe zubereitet hat, erkennt das sofort. Die für die indische Küche üblichen Gewürze unterstreichen, eine sehr dezente, angenehme Schärfe beisteuernd, den gleichzeitig exotischen und vertrauten Charakter dieser wundervollen Suppe.

Die Garnelen wurden nur kurz eingelegt, sind butterzart und schmecken nach sich selbst. Trotzdem, die Suppe an sich rund und ausgewogen ist, muss ich das Garam Masala probieren, das auf dem Tisch steht. Ja ... oh ja! Schärfer!

Wir haben unsere Suppe gerademal zur Hälfte gelöffelt, da erkundigt sich der Maharadscha nach unserer Zufriedenheit.

Ich erwidere: Naja ... Er stutzt. Ich gebe zu, dass ich zwar lange nicht so eine gute Suppe gegessen hätte, jedoch fürchte, gestünde ich das ein, der Suppenpreis in unbezahlbare Regionen schießen könnte ...

Wir lachen und er erzählt, es gebe viele Gäste in der Nachbarschaft, die in der Grippezeit mit Thermoskannen bei seiner Frau Sangeeta - die gerade in der Küche werkelt - und ihm vorstellig würden, um Hühnersuppe für daheim mitzunehmen ... Glaub ich ihm aufs Wort!

Wir freuen uns aufs Hauptgericht. Sie hat sich für Hähnchen Agra - Zartes Hähnchenfleisch in Sahne-Curry-Sauce mit Mandeln, Rosinen und Erbsen mit Basmatireis entschieden.

Serviert wird in einer kleinen, sehr heißen gusseisernen Kasserole. Ich darf kosten: Wundervoll! So gut wie hier habe ich in Deutschland Vergleichbares bisher nur einmal gegessen. In Berlin, Prenzlauer Berg. Man muss als Regensburger nicht unbedingt so weite Wege auf sich nehmen. Man reserviere im Maharadscha.

Mein Gericht heißt Gosht Saag. Der Maharadscha hat mir höchstpersönlich dazu geraten; es sei auch eines seiner persönlichen Lieblingsgerichte: Zartes Lammfleisch im Tandoor gegrillt mit einer indischen Spinatkreation zubereitet. Auch hier als Beilage: Basmatireis.

Der Reis - wir teilen uns eine große Schale voll - wirkt nahezu ungesalzen und nur dezent mit - ich nehmen an - Curcuma gefärbt. Kein Gewürzkonfetti, keine Überwürzung, die den Durst antreiben soll wie anderswo bei mir suspekten "Multi-Kulti-Indern" der Region: Schlichter, duftender auf den Punkt perfekt gegarter indischer Basmati.

Das Lamm zergeht auf der Zunge. Die tiefe, dunkle Rauigkeit des cremigen Spinats verbindet sich mit Lammfleischaromen und geräuchertem, braunen Kardamom. Dezente Schärfe nur, gerade richtig. Mein kühlendes Kokos-Lassi schmeckt mir ausgezeichnet dazu. Gosht Saag: Dieses Gericht lege ich Liebhabern von Lammgerichten warm ans Herz.

In unser beider Eingeweiden schafft sich warmes Wohlbefinden Raum. Gibt es ein schöneres Gefühl, wenn man sich von einer Tafel erhebt?

Die Maharani grüßt aus der Küche, als wir aufbrechen und bedankt sich für unseren Besuch. Keine unpersönliche, routiniert daherkommende Gastfreundlichkeit - familiäre Herzlichkeit haben uns Sangeeta und Garish Sehgal heute vermittelt und uns hervorragend bekocht und bedient. Wenn ich, entgegen des Ehrenwortes des Maharadschas, allerdings doch an Grippe erkranken sollte, komme ich wieder und hole mir das Geld für die Suppe zurück ... Spaß muss sein.

Wer noch nie hier zu Gast war, sollte das nachholen. Meiner persönlichen Meinung nach, ist der älteste auch nach wie vor der beste "Inder" der Stadt.

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