Eines dieser herausragenden Restaurants habe ich neulich besucht und mit meiner gleichermaßen charmanten und (wie ich) verfressenen Begleiterin das 7-Gänge-Menü aus der Küche von Fabian Denninger genossen.
Sein Restaurant Entenstuben führt er seit 2014 und kurz danach verdiente sich der 1981 in Mannheim geborene Koch den ersten Stern im Guide Michelin für sein noch junges Lokal. Seitdem hält Fabian Denninger diesen Stern und der Gault&Millau befindet seine Küche 15 von 20 möglichen Punkten wert.
Talent, Kreativität sowie Leidenschaft fürs Handwerk und erstklassige Lebensmittel muss jeder Koch, der dieses Niveau erreichen will mitbringen, doch erst der Schweiß harter internationaler Schule formt den Meister. Seine "Lehrjahre" in ersten Adressen Deutschlands (darunter Johann Lafers Stromburg, das Hotel Burg Wernberg und das Waldhotel Sonnora in Dreis) und drei schwedischen Top-Adressen haben Fabian Denninger zu Meisterschaft als Koch geführt.
Fabian und ich kennen uns seit Sommer 2020. Damals waren er und ich, so darf ich mit einem Augenzwinkern sagen, für einen halben Tag "Kollegen" ...
von Robert Bock ...
Beim Grand Opening eines der angesagtesten jungen Weingüter Deutschlands, dem Weingut MeierSchmidt im mittelfränkischen Ulsenheim, haben wir damals die Gäste bekocht. Fabian mit seinem damaligen Sous-Chef Lukas Nerreter, ich als rechte Hand von Spyridoula Kagiaoglou und ihrem "Weinpaten" Jimi Blue Ochsenknecht. Auch Michael und Andreas Ammon vom Sternerestaurant Gasthaus Jakob in Perasdorf, der STOI-Papst aus Schergengrub Ludwig "Lucki" Maurer und der Sugenheimer Kult-Metzger Jens Hoferer mit dem Aischgrund-BBQ-Team waren damals inmitten der viel zu kurzen aber intensiven sommerlichen Corona-Verschnaufpause mit ihren Genussstationen am Start. Es war ein denkwürdiges Sommerfest der beiden Winzer Markus Meier und Lukas B. Schmidt (Lukas, übrigens einer meiner "Müller-Thurgau-Maniacs") mit feiner Speis und ebensolchem Trank für alle geladenen VIP-Gäste ...
Fest beschlossen hatten Spyridoula und ich damals, den Entenstuben einen Besuch anlässlich der Feier ihres Namenstages im Dezember 2020 - für Griechen wichtiger als der Geburtstag! - abzustatten. Doch dann brach der verdammte Herbstlockdown über die Gastronomie und ihre Gäste herein, der sich bis in den Sommer 2021 zog und Spyridoulas Namenstagsreservierung war Schnee von gestern ...
Doch auch die längste Durststrecke findet irgendwann ein Ende. Es sei denn man ist ein Fußballverein und heißt 1860 München ;-). Den "Glubb" klammere ich vorsichtshalber aus, denn Fabian Denninger ist meines Wissens Fan des FCN, also leidensfähig und -erprobt. Wie soll einem wie ihm da so ein Loggdaunala umhauen ...?
Spyridoula Kagiaoglou & Fabian Denninger
Tempi passati ... Endlich ist es soweit. Für 18 Uhr ist der Tisch reserviert, mit geringfügiger, dem Nürnberger Feierabendverkehr geschuldeter Verspätung, trudeln wir ein. Noch sind wir die ersten Gäste und der Chef höchstpersönlich nimmt uns in Empfang, stellt uns seinem Küchenteam vor, das bislang zwar einige von Spyridoulas Produkten als Ingredienzien ihrer Kochkunst, nicht jedoch die "Tegernheimer Olivenölqueen" persönlich kennt.
Wie viele Spitzenrestaurants, beklagen auch die Entenstuben derzeit Personalengpässe im Service. Wer Serviceerfahrung in der gehobenen Gastronomie hat und in den Entenstuben eine neue berufliche Heimat finden will, der soll sich gerne bei Fabian Denninger melden.
Der aktuell einzige feste Servicemitarbeiter (und damit Serviceleiter) heißt Michael und begleitet uns gemeinsam mit dem notgedrungen omnipräsenten Sternekoch im Service mit fränkischem Zugenschlag und Charme durch den Abend: Mit Sachverstand und Humor, unaufdringlich und im rechten Maße lässig tut er das. Wir fühlen uns von ihm bestens betreut und umsorgt, auch als die 30 Plätze der Entenstuben im Lauf des Abends zu gut 2/3 ausgelastet sein werden.
Der Sternekoch serviert die 1. Runde Amuse Gueulle |
Dass der Küchenchef selbst den ein oder anderen Gang serviert ist eine feine Sache. Wie viele Gourmets vermissen die Präsenz der von ihnen verehrten "Küchengötter", wenn sie deren Lokale besuchen und den Gegenwert eines Kurzurlaubs für ein Abendessen auf den Tisch blättern? Wer meint, ein - zum Beispiel - Tim Raue, Alexander Herrmann oder Alfons Schuhbeck stünden persönlich in der Küche, wenn er in deren Lokalen zu Gast ist, der glaubt vermutlich auch an eine jederzeitige Erscheinung der Gottesmutter Maria. Kann man machen, wenn's dem Seelenfrieden förderlich ist, ist aber irrational. In den Entenstuben kann man gegenwärtig dem (noch) nicht im gleichen Maße wie die genannten Kollegen medienpräsenten Schöpfer der wundervollen Kreationen, aber einem Sternekoch, persönlich im Dialog Fragen zu den Zutaten und Gartechniken stellen, Feedback geben, Lob oder, falls nötig, Tadel verteilen - ich finde das prima, zumal Fabian Denninger auch im Service eine durchaus gute, einem Lokal dieser Klasse würdige Figur macht.
Das Abendmenü |
Eine Speisekarte im gewohnten Sinne gibt es im kulinarischen Konzept der Entenstuben nicht. Der Gast bestellt eines der beiden zur Wahl stehenden 7-Gänge Menüs (199€ mit zum jeweiligen Gang korrespondierender Weinbegleitung oder 139€ ohne), kann aber innerhalb der beiden Menüs auch einzelne Gänge austauschen. Das eine Menü ist klassisch (d.h. mit Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten), das andere ovo-lakto-vegetarisch.
Die umfangreiche Weinkarte der Entenstuben (auf deren Webseite einsehbar) lässt keine Wünsche offen, obwohl sie sich sehr bewusst auf Europa beschränkt und die sogenannten "Neue Welt" ausklammert. Dem Regionalitätsaspekt der Küche folgend, findet sich eine schöne Auswahl fränkischer Weine, aber auch die Liebhaber italienischer, französischer und spanischer Weine werden unter anderen nicht enttäuscht. Wer es richtig krachen lassen will, kann, sofern ich beim Überflug kein Schätzchen übersehen habe, bis zu 1299€ für ein Fläschchen aus dem Bordeleais ausgeben.
Spyridoula und ich entscheiden uns beide für die "klassische Menüfolge" und bestellen, neben dem uns obligatorischen Mineralwasser, eine Flasche des Entenstuben-Hausweins (35€) von besagtem Weingut MeierSchmidt in Ulsenheim, dem wir uns freundschaftlich verbunden fühlen, einer extra für die Entenstuben nach deren Vorlieben assemblierten Cuvee aus Silvaner und Scheurebe. Trocken, knackige Säure, rund eingebundene Frucht von Birnen, Quitten, Zitrusfrüchten und verspielten Stachelbeerakzenten mit einer beinahe kaubaren Mineralität. Ein sehr runder, empfehlenswerter Begleiter dieses Menüs. Für den Hauptgang (Flanksteak) schieben wir jedoch ein Glas eines spanischen Rotweins aus der von Michael empfohlenen Weinbegleitungsdramaturgie ein.
Serviceleiter Michael |
Die Küche eröffnet die Speisenfolge mit zwei Runden Amuse Gueulle. Die erste Runde besteht aus verschiedenen köstlichen Miniaturen. Besonders in Erinnerung bleiben werden mir die kraftvolle klassische Consommé und eine Art Praline vom Mais mit Polenta, Maiscreme und Popcorn.
Die zweite Runde besteht aus fermentiertem Rotkohl, Pilzcreme und auf der Zunge schmelzendem Lardo. Beide Runden zusammengenommen eröffnen dem Gast - ex post betrachtet - als Epilog die Stilistik des folgenden Menüs und geben den roten Faden des Denninger'schen Küchenstils leitmotivisch vor: Heimische, regionale Zutaten, gepaart mit Komponenten die man aus fränkischer Sicht als "exotisch/international" bezeichnen könnte.
Dezent, falls überhaupt gewürzt, wohlüberlegte, sachte Pointierung mit Säure oder Schärfe kitzeln die Eigenaromen der erstklassigen Hauptkomponenten eines Gerichts hervor. Auch Gartechniken und andere Denaturierungsmethoden (wie Fermentation beim Rotkohl in Runde 2 der Küchengrüße und später im Hauptgang in Gestalt des Schwarzen Knoblauchs) entlocken wohlbekannten Grundzutaten neue gustatorische und olfaktorische Sinneseindrücke.
Kein Teller wirkt überladen, kein Geltupfer zu viel oder zu wenig, keine Effekthaschereien: Reduktion auf das Wesentliche. Ein Gericht ist dann perfekt wenn man ihm keine Zutat oder Komponente nehmen kann, ohne dass es dadurch hinzugewönne.
Ich gebe zu, mir hat sich Fabian Denningers gastrosophische Handschrift erst Gang um Gang erschlossen. Jeder Gang folgt einer wohldurchdachten Dramaturgie, die gerne auch mal Gewohntes gegen den Strich bürstet: So beispielsweise ein Sorbetgang - klassischerweise als " Rachenputzer" eingeschoben vor dem Hauptgang - der hier vor dem Dessert (!) den Gast überrascht (Veilchensorbet auf Mascarponecreme - ein unscheinbarer, nicht im Menü annoncierter kleiner Gang, der mir regelrechte Gänsehaut bereitet hat, so sensationell hat er mir gemundet ...)
Einmal verstanden, welche Story Fabian Denninger seinem Gast mit seinem Menü erzählen will, vervielfacht sich dessen Genusserleben. Diese Art ein Menü zu verspeisen weist weit über die Nahrungsaufnahme hinaus. Dieser Grad an Meisterschaft erhebt das Kochen in den Rang von Künsten wie der Literatur und der Musik, die sich in der Zeit und mit ihr dem Rezipienten entfalten und nicht lediglich eine lose Folge zusammenhangslosen, zufälligen Augenblickserlebens vermitteln, satt machen, ihn nicht verhungern lassen.
Gang für Gang haben mich Fabian Denningers Menü, die stilvolle, gemütliche Umgebung und der unprätentiöse, tadellose Service begeistert. Auf jeden einzelnen Gang im Detail einzugehen wäre zuviel des Rezipierbaren. Ich will, bevor ich Bilder sprechen lasse, drei Gänge würdigen, die mir persönlich besonders gut gefallen haben:
2. Gang: Konfierter Hummer ( Steckrübe / Dashi / Wakame) |
Der 2. Gang, Confierter Hummer (Steckrübe / Dashi / Wakame), weil er meinem Empfinden nach die klassische französische Küche auf eine überragende Art und Weise mit japanischer Kochkunst verbindet und der Einsatz der hauchdünn geschnittenen, sauer marinierten Steckrübe (dieses Hungerwintergemüse ist ein Nachkriegstrauma vieler Deutscher) der Komposition ein unvergessliches i-Tüpfelchen aufsetzt. Den Hummer kann man vom Garpunkt her nicht besser treffen. Repekt dem jungen Koch in der Küche der Entenstuben, der hierfür verantwortlich zeichnet.
3. Gang: Weißer Heilbutt (Pastinake / Kiwi / Pinienkern) |
Der 3. Gang, Weißer Heilbutt (Pastinake / Kiwi / Pinienkern), weil weniger der tiptop gegarte Heilbutt mich begeistert hat, sondern vielmehr die Kombination von Kiwi (Säure) und Pastinake (gartechnisch perfekt herausgekitzelte Süße) in Verbindung mit den nussigen Aromen der Pinienkerne einfach nur zum Heulen gut schmeckt.
4. Gang: Sautiertes Kalbsbries ( Blumenkohl / Pistazie) |
Der 4. Gang, Sautiertes Kalbsbries (Blumenkohl / Pistazie). Noch nie habe ich bewußt Kalsbries gegessen, ab sofort werde ich es bestellen, wenn ich es auf einer Speisekarte sehe. Ich liebe Blumenkohl, vor allem wenn ein Koch ihm zu entlocken versteht, was in ihm an Aromen der Entdeckung harrt. Gepaart mit einer hinreissenden Pistaziencreme, die die Pinienkernrolle aus dem 3. Gang nochmals leitmotivisch aufgreift, ist dies für mich einer der besten Gänge, die ich je im Rahmen eines Menüs genossen habe.
Die weiteren, allesamt hervorragenden Gänge im fotographischen Überblick:
1. Gang: Gebratene Jakobsmuschel (Rote Beete / Joghurt) |
5. Gang: Rosa Flanksteak ( Karotte / Spinat / schwarzer Knoblauch) |
Der Rotwein zum Hauptgang (5. Gang) |
6. Gang: Fränkischer Ziegenkäse (Birne / Chicorée / Walnuss) |
Zwischengang: Veilchensorbet / Mascarpone / Aprikose |
7. Gang: Eis vom grünen Kaffee (Mohn, Zwetschge) |
Amuse Gueulle zum Abschluss |
Ambiente |
Es gibt auch richtig geilen Ouzo ... |
Überflüssig zu erwähnen, dass ich eine uneingeschränkte Empfehlung für den Besuch der Entenstuben in Nürnberg ausspreche. Großes Kino, das keiner Krimi-Begleitung oder sonstigen Varietés bedarf um unauslöschbare Erinnerungen an ein elementares kulinarisches Erlebnis zu schaffen erwartet Euch. Gönnt Euch den Trip nach Nürnberg!
Kontaktdaten, auch für Bewerbungen für den Service:
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