Dienstag, Mittwoch, ... Donnerstag ist traditionell Backhendltag in den Winzerer Weinstuben, abgesehen davon an jedem ersten Mittwoch im Monat, wenn sich dort Musikanten zum Stammtisch zusammenfinden und gar zünftig aufspuit werd. Für Freunde handgemachter Volksmusik ist so ein Tag ein gar nicht mehr so geheimer Tipp und selbst ein Freund von Klassik, Blues, Jazz und Metal wie ich, hatte dort bereits Spaß an der Spielfreude der Protagonisten mit ihren liebevoll gepflegten Instrumenten. Das ist gelebte Wirtshaustradition - schade dass sie seit Verbreitung der Glotze beinahe verschwunden ist ...
Nun aber zurück zum Poulet frit à la viennoise, wie der kultivierte Oberpfälzer sich auszudrücken pflegt - zum Wiener Backhendl, einer Spezialität der Wiener Küche, deren Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen.
von Robert Bock
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Wikipedia beschreibt dessen Wesen und Zubereitung wie folgt:
"Zur Zubereitung wird ein kleines junges, küchenfertig vorbereitetes Haushuhn (wienerisch Hendl) mit Salz, Pfeffer oder Kümmel gewürzt, optional mit etwas Zitronensaft eingerieben und in zwei Bruststücke, zwei Haxenteile und die beiden Flügel zerteilt. Sodann werden die Teile in Mehl gewälzt, anschließend durch gequirltes Ei gezogen und zuletzt in Semmelbröseln gewendet, um sie schließlich in reichlich Butterschmalz oder Öl auszubacken (entweder in der Fritteuse oder einer zugedeckten Pfanne). Traditionell gehören auch Leber, Herz und Magen – ebenfalls paniert und gebacken – zum Gericht."Küchenchef Josef Kögl ist Österreicher und von daher verfügt er bei mir einen Herkunftsgoodwill. Wenn ich ein Wiener Backhendl essen will, dann vorzugsweise von einem Koch zubereitet, der die kulinarischen Traditionen seiner Heimat quasi mit der Muttermilch vereinnahmt hat.
Die kulinarischen Traditionen einer Nation sind Teil ihres kollektiven Bewußtseins - deswegen stimmt es mich skeptisch, wenn ich in vorgeblich japanischen Restaurants Chinesen, Vietnamesen und Menschen sonstiger fernöstlicher Herkunft arbeiten sehe, jedoch keinen einzigen Japaner. Einem Schweinsbraten, der einer finnisch-portugiesischen Co-Produktion entstammte, begegnete ich ebenfalls a priori reserviert bis skeptisch. Es stimmt mich ebenfalls skeptisch, wenn Mitteleuropäer einen auf "Mittelmeerküchen-Experten" machen, weil sie dort einmal im Urlaub waren, drei, vier Kochbücher durchgeblättert haben und suggerieren, sie hätten sich das kulinarische Bewußtsein einer ganzen Legion regional ausdifferenzierter Küchen einverleibt. Die Skepsis schlägt in Zynismus um, wenn ich sehe, wie ein und derselbe Inder sich an Gyros versucht, an Pizza, Jägerschnitzel, und und und. Jedem gestehe ich zu, in solchen Restaurants einzukehren, wenn er will - ich persönlich kann es mir verkneifen.
Das heißt nicht, dass ich nicht manchmal positiv überrascht werde und mich darüber sehr freue - schließlich will ich für mein Geld gut Essen und Trinken - aber leider bestätigt meine Erfahrung meistens, gottlob jedoch nicht immer, meine Skepsis. Verlassen kann ich mich auf meine Prinzipien leider nicht zu einhundert Prozent: Ich habe aber auch schon in Italien miesen Fraß, gekocht von Italienern, vorgesetzt bekommen und in Griechenland Touristennepp durch Griechen erlebt, der die Galle übergehen läßt und an die Abfütterung mit pseudogriechischem Mumpitz in leider viel zu vielen griechischen Lokalen in Deutschland erinnert ... So tief allerdings, dass mir in Hellas ein Tzaziki auf Basis von Quark oder ein Sonnenblumen-, statt eines Olivenöles am Salat gereicht wurde, ist dort noch niemand gesunken.
Also: Wenn Backhendl, wenn Tafelspitz, wenn Marillenknödel, wenn Palatschinken - dann gehört für mich ein Koch oder eine Köchin aus Österreich ans Gerät, weil das die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man das Lokal mit einem guten Gefühl und einem kulinarischen Erlebnis verlassen wird, an das man sich gerne erinnert. In den Winzerer Stuben ist dem in personam des Steirers Josef Kögl der Fall ...
Kögls Interpretation des Klassikers kommt in der Grundlinie weitgehend klassisch-traditionell daher - garniert mit einem Gruß aus seiner Heimat, der Steiermark: Der Kartoffel-Gurken-Salat, den er als Beilage zum Backhendl reicht, wird mit einem guten Schuß wunderbar nussigen steierischen Kürbiskernöls angemacht. Das sieht für den Unkundigen gewöhnungsbedürftig aus, da die grünlich-braune Farbe des sämigen Dressings nicht alltäglich ist, aber sobald man daran gerochen und probiert hat, erübrigt sich etwaige Skepsis. Ich mag es, wenn ein Koch Klassiker klassisch zubereitet, aber sich trotzdem soviel kreative Freiheit zugesteht, einen bunten Tupfer zu setzen, über dessen kulinarische Relevanz oder Verirrung der Gast den Stab zu brechen hat - und niemand sonst. Der eine Gast mags, der andere nicht - damit muss ein Künstler wie ein jeder Koch zu leben lernen. Wer jederzeit allen gefällt, macht etwas falsch, weil er nicht mutig genug ist zu polarisieren und zu provozieren.
Das Hendl bereitet man in den Winzerer Stuben ausgelöst, d.h. ohne Haut und ohne Knochen, in Rapsöl in der Fritteuse zu. Allerdings ohne die traditionell dazugereichten Innereien. Wären die auch noch dabei gewesen, dann wäre das, vermutlich nicht nur in unseren Breiten, etwas Außergewöhnliches und hätte von mir persönlich (ich liebe Innereien) dicke Bonuspunkte gegeben. Eine optisch schön zurechtgeschnitze, sehr saftige halbe Zitrone und - zwar nicht reine Lehre, aber gut dazu passend: Preiselbeeren komplettieren den Teller.
Meine Begleiterin und ich sind aus gesundheitlichen Gründen keine Anhänger des Frittierens in Pflanzenöl und wenn mich ein Koch vor die Wahl stellte: In tiefem Butterschmalz (in der Pfanne) oder in Pflanzenöl (aus der Fritteuse)?, ich würde mich immer für Butterschmalz entscheiden. Über den feinen Buttergeschmack geht meines Erachtens nichts, nein: überhauptgarnichts. Das ist meine Vorliebe - andere haben andere. Sie sei ihnen zugestanden; mein Geschmack sei niemandes Referenz.
Backhendl in Butterschmalz und aus der Pfanne reicht man in unserer Gegend selten - zuletzt hatte ich dieses unverschämte Vergnügen in Landshut in einem der gerade angesagten und deswegen schon wieder ein wenig abgeschmackt wirkenden neo-bayerischen Lokale namens "Wintergarten". Wenn dort kein Österreicher an der Pfanne (ja...Pfanne!) stand, verneige ich mich vor diesem "nei'schmeckten " Könner (bzw. Könnerin) in Demut und verzeihe ihm/ihr sogar die dazu gereichte Sauce Tartare, für die er von konservativen Kritikern erst geteert und gefedert, dann einmal um die Wiener Ringstraße getrieben würde.
Wenn Pflanzenfett, dann fürs Wiener Backhendl Rapsöl, denn das ideale Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren von 4:1 schlägt alle anderen hoch erhitzbaren Pflanzenöle, jedoch: je höher der Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, desto größer bei hohen Temperaturen die Gefahr der Bildung von Trans Fetten, die nach Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis in erheblichem Maße gesundheitsschädigend sein sollen. Allenfalls natives Kokos-, Palmkern- oder raffiniertes Olivenöl würden aufgrund der größeren Hitzestabilität der gesättigen und einfach ungesättigten Fettsäuren noch besser abschneiden, jedoch tragen die genannten Öle so viel Eigengeschmack, dass das "Wiener Backhendl" seines K.u.K.-Charakters verlustig gehen würde. Nein: Wenn schon Pflanzenöl, dann Rapsöl. Wenn tierische Fette, dann Butter- oder Schweineschmalz.
Josef Kögl ist ein Koch von Berufsehre: er frittiert in seinem Rapsöl ausschließlich seine Backhendln - nicht wie anderswo das kunterbunte Sammelsurium von Fischstäbchen bis Potatoe-Wedges, bis das Öl nach einer Reise durch die Welt der Imbissbuden der Bahnhofsviertel dieser Welt riecht und schmeckt und in der Folge auch das bemitleideswerte Hendl, das für diese Vergewaltigung sein Leben aushauchen musste. Weil Kögls Respekt vor den Ausgangsprodukten und sein Anspruch an Qualität hoch ist, gibt es Backhendl nur mit frischem Fett und deshalb nur Donnerstags - oder anderntags ab vier Personen auf Bestellung.
In einem anderen Regensburger Lokal, das die Steiermark als Namenspatron bemüht, konnte uns neulich weder das Service-, noch das an diesem Abend anwesende Küchenpersonal mit Bestimmtheit sagen, welches Pflanzenfett eigentlich in der Fritteuse schwimmt in der das Backhendl ausgebacken worden wäre, hätten wir es denn bestellt: "Halt a Fett" war die Antwort ... Fragte ich meinen Hausarzt, was denn in der Spritze sei, die er mir im Begriff ist in den Allerwertesten zu rammen und er antwortete: "Halt a Medizin", was sollte ich davon halten ...? Alles was Recht ist - Professionalität sieht meines Erachtens anders aus und Sonnenblumen-, Soja-, Erdnuss- oder Maiskeimöl in einer Fritteuse, bewegt sich - nach Stand der Wissenschaft - gefährlich in Richtung Körperverletzung (Bildung von Trans Fetten; extrem hohes, entzündungsförderndes Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren). Meine persönliche Heuristik: Keine Ahnung welches Fett - keine Bestellung und auf Wiedersehen. So einfach ist das ... Alles andere regelt bei ausreichendem Qualitätsbewußtsein der Gäste der Markt.
Im Grunde hinkt der Vergleich der beiden Ausbackvarianten Butterschmalz/Pflanzenöl. Genau genommen handelt es sich um zwei ziemlich unterschiedliche Ausprägungen eines gleichnamigen Gerichtes - beide sind in der hohen Schule der Wiener Küche zulässig. Josef Kögls Version kann man in dieser Machart meines Erachtens nicht besser an den Gast bringen: Für EUR 11,90 serviert man dem Gast eine schöne Portion, die auch den Hungrigsten anhaltend sättigt; das Fleisch butterzart, die Panade rundum kross und knusprig, nicht trocken, nicht fettig - vom Bräunungsgrad gerade richtig auf den Punkt gebracht. Der schlotzige Kartoffel-Gurken-Salat mit Kürbiskernöl ist eine stimmige Beilage.
Der Service: wie zuletzt tiptop, schnell und freundlich. Bettina und Josef lassen es sich nicht nehmen sich persönlich nach dem Wohl eines jeden Gastes zu erkundigen und ein paar Worte zu wechseln. So stellt man sich das in einem österreichischen Wirtshaus vor.
Uns gelüstete der Neugier halber nach je einem Viertel Müller-Thurgau vom zwei Steinwurf entfernten Weinberg von Oswald Zitzelsberger. Sortentypisch die Aromen von gelben und grünen Äpfeln, erdig, spritzig - jedoch ohne die Finesse, die ein Spitzen-Müller-Thurgau z.B. in Mainfranken entwickeln kann. Aber alle Achtung: Herr Zitzelsberger sei önologischer Autodidakt, erzählte uns Wirtin Tina, bewirtschafte seinen Wingert alleine und baue den Wein auch in Eigenregie aus. Daumen hoch für diese Herkules-Leistung als Hobby! Zum grundehrlichen Backhendl war Zitzelsbergers Wein keine schlechte Wahl - beim nächsten Mal aber lieber einen Grünen Veltliner, auch weil das Viertel um rund 3 EUR preiswerter ausfällt. Tipp: Auf der Karte ist der heimische Müller-Thurgau lediglich als ganze Flasche ausgelobt - wir bekamen auf Anfrage einen halben Liter, und die Karaffe weitsichtig in einem Weinkühler mit Eiswürfeln serviert. An einem heißen Sommerabend, war der Wein bis zur Neige vortrefflich temperiert.
Liebe Freundinnen und Feunde des Wiener Backhendls und solche die es werden wollen: Statistisch gesehen ist approximativ exakt einmal wöchentlich Donnerstag und einmal im Monat dessen erster Mittwoch: Auf nach Winzer ins österreichischste Lokal am nördlichsten Punkt der Donau, und entweder Backhendl pur oder mit zünftiger Musikbegleitung! Nur wer's probiert, kann mitreden.
Eine amüsante und eine weniger lustige Anekdote am Rande:
AntwortenLöschenJosef Kögl, der Küchenchef der Winzerer Weinstuben informiert mich heute darüber, dass seine Gäste vermehrt das "Bock-Menü" bestellten - Ich frag ihn: was soll das sein Josef? - "Brettjause, Obazda, Marillenknödel - das "Bock-Menü" eben ..." *ggg
Josef's Gäste beziehen sich auf die Speisenfolge unserer ersten Rezension der Winzerer Weinstuben vom 28.06.2015, den Ihr hier nachlesen könnt:
http://auswaertsessenregensburg.blogspot.de/2015/06/gasthaus-winzerer-weinstuben-in-winzer.html
Soweit der lustige Teil - Wenn mir Josef allerdings erzählt, dass ihn Gäste gefragt hätten, wieviel er für seine verdientermaßen positiven Rezensionen bezahlt habe, dann hört der Spaß auf und läßt tief blicken in die Abgründe der Seelen solcher kleinkarierten Moralzwerge:
"Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns."
(Marie von Ebner-Eschenbach)
Damit ist im Grunde alles Wesentliche gesagt ...