Donnerstag, 28. Januar 2016

Sterneküche im Landgasthof Buchner in Welchenberg

Der Landgasthof Buchner in Niederwinkling-Welchenberg darf sich seit der aktuellen Ausgabe des Guide Michelin mit einem Michelin-Stern schmücken.

Madame und ich statteten dem Traditionsgasthof (seit 1658; in 5. Generation in Familienbesitz) einen Besuch ab, um uns ein persönliches Bild zu machen. Höchst subjektiv, wie immer.
  
4,7 von 5,0 möglichen Punkten im Online-Auftritt des Guide Michelin und ein Stern - das ist schon ein Wort und wollen erst einmal erreicht und künftig natürlich auch verteidigt sein ... Von nackten Zahlen abgesehen schreibt der Guide Michelin: "Die Brüder Andreas und Mathias Achatz (bereits die 5. Generation) führen den Landgasthof gemeinsam mit ihren Eltern. Gekonnt verbindet man in der Küche Tradition und modern-kreative Einflüsse von Stationen in hervorragenden Adressen, dazu schöne Weine, die auch in der Vinothek erhältlich sind."

Die Messlatte unserer Beurteilung legen wir daher hoch, höher als wir sie im Regelfall legen. Dafür kann Familie Achatz nichts - das haben sie den Gourmetkritik-Gurus zu verdanken. Sollte Familie Achatz -  beim Anlesen dieser Rezension nun das Blut gefrieren: Seien sie beruhigt - wir haben ein Lokal bislang selten so zufrieden verlassen, wie an diesem kalten Sonntagabend im Januar. Aber naja: irgendwas ist halt dann doch immer ...
von Robert Bock

Unvermittelt taucht aus dem Nichts des flachen, nebelverhangenen schneebezuckerten Landes der Weiler Welchenberg auf. Der besteht aus wenig mehr, als dem Anwesen des Landgasthofes Buchner. Buchner, Buchner? Richtig: In Haindling bei Geiselhöring residiert ein über die Landesgrenzen Bayerns hinaus bekannter Töpfer und Musiker, der Teil der Gastronomie-Dynastie ist. Kreatives Blut pulsiert in den Adern dieses Clans. Bemerkenswert!

Im Sommer soll ein angegliedertes, niegelnagelneues Hotel mit 31 repräsentativ eingerichteten Zimmern den Restaurantbetrieb ergänzen. Hoppala: hat da jemand einen Großangriff auf die betuchtere Klientel der Kulinarik-Industrie vor? Und das inmitten diesbezüglicher Diaspora - "in the middle of nowhere", sozusagen?

Warum auch nicht? Wer die Weinkarte mit ihren mehr als 350, ausgezeichnet ausgewählten und zusammengestellten Positionen studiert, versteht, warum ein Hotel eine sinnvolle Ergänzung zu einem erstklassigen Restaurationsbetrieb ist.

Wem sein Führerschein lieb ist, erlebt hier nämlich nur gebremsten Spaß, angesichts entgangener flüssiger Genüsse. Dann schon lieber komfortabel den Rausch ausschlafen und am folgenden Morgen gepflegt brunchen ... Ja, in Niederbayern nähert man sich inzwischen behutsam dem Thema Lebensqualität ...

Andreas Achatz zeichnet verantwortlich für die Weinkarte und die angegliederte Vinothek. Über ihn verrät die Website des Lokals folgendes:

"Andreas Achatz wurde 1989 in Bogen geboren. 2008 absolvierte er seine Ausbildung zum Koch im Hotel Bischofshof am Dom Regensburg. Zwei Jahre später schloss er die Ausbildung zum Restaurantfachmann in der Residenz Heinz Winkler ab. Ab Juni 2010 bis Dezember 2011 arbeitete er als Demi Chef de Rang in der Residenz Heinz Winkler. Das folgende Jahr absolvierte er die Ausbildung zum Sommelier an der Deutschen Wein- und Sommeliersschule. Ab März 2012 arbeitete er als Chef de Rang in der Residenz Heinz Winkler. Ab Oktober 2012 war er stellvertretender Restaurantleiter des Victor`s Gourmet Restaurant Schloss Berg, Nennig. Im November 2013 übernahm er als Sommelier, die Betreuung der Vinothek Buchner Weingenuss und ist seitdem im elterlichen Betrieb beschäftigt."

In der Küche führt sein älterer Bruder Mathias die Regie. Auch er kann - trotz junger Jahre - bereits auf eine beeindruckende Vita zurückblicken:

"Mathias Achatz wurde 1987 in Bogen geboren. Er absolvierte seinen Abschluss 2008 in der Residenz Heinz Winkler und arbeitete dort für ein weiteres Jahr. Bis 2011 war er in der Schweiz, im Restaurant Cheval Blanc, tätig. Das darauffolgende Jahr in Frankreich, im La Maison Trois Gros. Ab Mai 2012 bis Februar 2013 besuchte er die Meisterschule in Regenstauf. Das folgende Jahr arbeitete er Stage im Restaurant Amador, in Mannheim. Das letzte Jahr arbeitete er wieder in der Residenz Heinz Winkler. Seit Februar ist er nun Küchenchef im Landgasthof Buchner in Welchenberg."

Die Eltern der beiden - Generation Vier - Josef und Ingrid Achatz, führen den Gutshof und prägten den bisherigen Verlauf mit Auszeichnung in namhaften Restaurantguides und dem Bayerischen Staatspreis 1991.

Sie bestritten heute im Wesentlichen  - vom Thema Getränke abgesehen, das primär Sommelier Andreas Achatz betreute - den Service. Sie taten dies freundlich, unkompliziert und humorvoll - wenngleich im Laufe des Abends mit der Gästezahl mitwachsender Überforderung: Drei Leute im Service eines gut besuchten Sterne-Lokals ist eine mutige Ansage. Durchgängige Präsenz am Gast ist so ein Ding der Unmöglichkeit. Das schlug sich in ein paar Details suboptimaler Performance im Service nieder. Man kann sich nicht zerreissen, ein jeder Gast erwartet ein gewisses Maß an Zuwendung. Die Quadratur des Kreises ... Ausweg: Mehr (erstklassiges) Personal. Leichter gesagt, als gefunden. Vor allem inmitten niederbayerischer Einöde. Auch die Tester des Guide Michelin hatten Grund für Abzüge bei der Note für den Service - uns dünkt weswegen.

Ich habe Geburtstag - Madame meint, das sei Anlaß genug für das "große Programm" ... Das Sechs-Gänge Menü zu 92 EUR pro Person soll es sein. Streng genommen sind es acht Gänge, denn es gibt zweimal ein "Hallo" aus der Küche und auch ein "Servus" in From von Pralinen zum Kaffee. Was allerdings voraussetzt, dass auch Kaffee bestellt wird. Was wir ohnhin im Regelfall tun. So auch hier ...

Was kann uns der Senior-Chef zum Aperitif empfehlen? Das Übliche aus Sekt, Schampus, Sherry, Portwein undsoweiter ... Jedoch auch etwas Besonderes: Einen Birnensekt aus Österreich (6,50 EUR). Nicht aus Trauben, nein  aus Birnen gekeltert und zum Prickeln gebracht. Den will ich probieren; Madame einen Sherry, nicht zu trocken (6,50 EUR). Der mundet ihr weniger - mir mein Birnensekt durchaus, aber nicht so gut, dass ich zum Jünger dieses Getränks mutieren werde.

Ergänzend noch eine Flasche stilles Wasser 0,75 Plose (Dolomiten; 6,50 EUR). Dieses Wasser kennen und lieben wir; wir trinken es auch zu Hause: extrem arm an Mineralien, nahe an destilliertem Wasser, extrem frisch und neutral; lediglich getoppt vom Meraner Wasser vom Vigiljoch und Lauretana. (*Wasser-Exegese Ende*)


Kaum haben wir in der sehr gepflegten, perfekt ausgeleuchteten, im Landhausstil eingerichteten Stube Platz genommen, steht das Amuse bouche I auf dem Tisch. Anderswo muss man froh sein, überhaupt eines zu bekommen - selbst das dann nicht in dieser Qualität: Kräuterquark mit Kresse, Paprika-Butter, Butter, kalabresisches Olivenöl, grob gemörserter schwarzer Pfeffer, Fleur de Sel, zweierlei Baquette.

Ob das Baquette hausgebacken ist? Ich meine nicht, will es aber nicht ausschließen. Ein Brot, nicht gut nicht schlecht: Ein Brot. Hier offenbart sich erstes Verbesserungspotenzial. Die weiteren Bestandteile jagen keine Schauer über verwöhnte Rückenpartien. Das Olivenöl aus Kalabrien schmeckt neutral bis leicht fehlerhaft; mir persönlich gar eine Nuance überlagert, um den Begriff "ranzig" zu umgehen.

Beim Bezug von Olivenöl aus Italien - just heute bestätigt die Stiftung Warentest es leider einmal mehr (13 von 26 Olivenölen im Test, 13 "mangelhaft", insbesondere diejenigen aus Italien!)  gilt es aufgrund zwielichtiger Produktions- und Vertriebsstrukturen und regelmäßig aufgedeckter widerwärtiger Pantschereien generell Vorsicht walten zu lassen. Ich persönlich würde nie und nimmer und von keinem Anbieter italienisches Olivenöl kaufen.

Dieses Öl hier entstammt höchstwahrscheinlich einer seriösen Quelle, gereicht aber geschmacklich und olfaktorisch nicht zur Zier des Tisches eines Sternelokals; dieses hier würden wir zu Hause nicht konsumieren wollen, selbst wenn es nicht aus Italien stammte. Keine Konkurrenz für Spyridoulas Öl von der Peloponnes , das beispielsweise Achatz' Kollege Anton Schmaus verwendet. Das Öl-Gefäß mit Pipette allerdings, das gefällt uns prima ...


Amuse bouche II: Würfel vom rohen Thunfisch mit verschiedenen Algen, Radieschen und Kräutern.

Ein veritabler eigenständiger Gang, der weit über einen Gruß aus der Küche hinausgeht. Dieses Gericht ist rundum ausgezeichnet; eine reizvolle Melange regionaler und asiatischer Einflüsse. Die optische Präsentation - wie die aller weiteren Gänge - von vollendeter Handwerklichkeit. Was Zwei- und Drei-Sterne-Lokale hier anders machen, als ein Ein-Sterne-Lokal, darauf kann ich persönlich gerne verzichten: Lebensmittel mittels Pipette und Pinzette auf Wurzeln, Tierschädelknochen oder Grabsteinfragmente zu applizieren, beeindruckt meines Erachtens vor allem sensorisch überreizte, von allem und jedem gelangweilte und gesättigte Wichtigtuer - verbessert aber die gustatorischen Qualitäten einer Speise exakt um den Faktor Null. Hier bei Mathias Achatz: im besten Sinne schlichte, elegante Präsenatation der Speisen auf dem Teller - hier alles im Rahmen des gesunden Menschenverstandes und ästhetisch hoch ansprechend.

Gang 1: Tatar de Boef (Wasabicreme, eingelegte Schalotten, rote Bette, gelierte Fasanenconsommé)
Das Fleisch ist selbstverständlich händisch verarbeitet und von edler Qualität. Ob die gelierte Consommé tatsächlich vom Fasan stammt - ich mag es nicht beschwören, aber  schmackhaft ist sie durchaus. Die Wasabicreme ist mir zu "majolastig" geraten und der Wasabi hätte eine Idee stärker durchdringen können, hätte dann aber möglicherweise das zarte Fleisch und die nicht zu erdigen Aromen der Roten Beete-Miniaturen erschlagen. Insgesamt ein rund und gefällig geratener erster Gang.

Gang 2: Bretonischer Hummer  mit dreierlei vom Fenchel (Fenchelpüreé, Fenchelchip, Fenchelsud)

Hummer kann man so zubereiten, dass er keine gummiartige Konsistenz im Biss aufweist. Das hat Heinz Winkler seinen Jungs bestimmt beigebracht. Möglicherweise liegt es also am Ausgangsprodukt, dass das Beissen einiger Tranchen ausgesprochen kraftvoller Arbeit bedarf. Wird Hummer nicht lebendig, sondern aus der Tiefkühlung verwendet, kommt so ein Konsisenzproblem bisweilen vor. Ich will aber nicht mutmaßen, jammere lieber noch ein wenig auf hohem Niveau, denn geschmacklich ist der Hummer gut, doch habe ich schon feinere Qualität erlebt. Die drei Variationen vom Fenchel sind ausgezeichnet - und das längst vor dem ersten Bissen: ein Duft zum Schmelzen steigt aus dem tiefen Tellerchen auf. Geschmacklich wie gemalt in Kombination mit dem Fläschchen Wein (59 EUR), für das wir uns - aus eigenem Antrieb - entschieden haben. Wir zitieren von der Website des verantwortlichen Weingutes:

"2011 Hochheimer Domdechaney Riesling ERSTES GEWÄCHS; Weißwein; Trophy for the best German Riesling und Gold Medaille beim International Wine Challenge, London 2013
Gold beim Riesling du monde, Straßburg 2013; Wein-Plus: Ausgezeichnet (88+ Punkte): Erdig-mineralischer, wachsiger und einen Hauch nussiger Duft nach reifem Kern- und Steinobst mit herben kräuterigen Anklängen und welk-floralen und heuartigen Spuren. Klare, saftige und süßliche Frucht im Mund, lebendige, sehr feine Säure, zart vegetabile und kandiert-nussige Töne, nachhaltig am Gaumen, erdige Mineralik, gewisser Schmelz, sehr guter, nur ganz leicht süßlich-verschwommener."

Uiuiui - da hat es die Redaktion der Zeitschrift Wein-Plus aber mal krachen lassen, wie? Ohne all den überflüssigen Firlefanz und fantasievolle Blendgranaten, in den schlichten Worten eines durchschnittlichen Weinliebhabers wie mir:

Ein typischer Riesling aus dem Rheingau mit schönem Spiel von Frucht und Säure bei vornehmlicher Aromatik von Aprikosen und - bei Zugewinn an Temperatur im Glas, die diesem Wein extrem gut tut! - Rosinen.
Ob nun "Erstes Gewächs" oder gar "Großes Gewächs" auf dem Etikett steht, ist meines Erachtens ziemlich unerheblich, da für dieserlei Begrifflichkeiten keine verbindlichen, messbaren Benchmarks existieren. Es verkauft sich halt extrem gut, wenn solches Wortgeklingel auf dem Etikett zu lesen steht und sich der Kunde lieber aufs Etikett statt auf Nase und Gaumen verläßt oder verlassen muss. Der Wein an sich ist - ohne Kritikansatz - ausgezeichnet.

Im Einstand ab Weingut 20 EUR, mit 59 EUR im Restaurant "normal" beaufschlagt. Für 20 EUR bekommt man ab Winzer aber durchaus deutsche Rieslinge die stilistisch ähnlich ausfallen, wenn man sich ein wenig Mühe macht und sucht. Anders ausgedrückt: Für 10-12 EUR ab Hof findet man durchaus konkurrenzfähige Tröpfchen für Daheim, die einen Blindvergleich nicht fürchten müssten.

Gang 3: Seezunge vom kleinen Boot (Pureé von weißen Bohnen, Passepierre (auch: "Salicorne"), Bisque)

Auch dieser Gang besticht durch eine wundervolle Nase: Ein Hauch von Meeresbrise kitzelt meine Nüstern. Die Seezunge zart, der Passepierre würzig, zart salzig die schaumige Bisque mit schöner, kräftiger Hummer-Krebs-Note. Welch ein Kontrast zu der völlig misslungenen Zumutung an "Hummerschaum" neulich im Kreutzer's in Regensburg ... Achatz' Bisque ist ein Erlebnis! Die aufgesetzte Nocke sollte im wesentlichen aus feine Säure beisteuernden Tomaten bestanden haben - eine Art lauwarmes Tomatentatar. Ein vorbildlicher Fischgang - Klassik und Moderne im Einklang.

Gang 4: Anchorena Lamm (Couscous, konfierter Knoblauch, Granny Smith? (Birne?), Apfel-Curryjus); Pak Choi
dazu: Ein Cru aus St.Emilion (Cabernet Sauvignons, Cabernet Franc, Merlot; 0,1 L; 9,50 EUR) 

Wer sich fragt, wo denn dieses Anchorena liegt, oder welche Subspezies der Gattung Schaf das sei, dem sei gesagt, es handelt sich um die Handelsmarke des Pariser Großhändlers Rungis und um irisches Lamm. Warum man dieses namentlich in der Karte auslobt wird mir schleierhaft bleiben ...

Warum man auf irisches und nicht auf heimisches Lamm zurückgreift, erschließt sich uns zumindest ebenfalls nicht. Ist es eine Frage der Effizienz im Einkauf, dass man sich nicht um regionale Lieferanten (z.B. Walhalla-Lamm, Juradistl-Lamm, ...) kümmern mag? Schwer vorstellbar bei einer Küche von Sterneniveau.
In sich ist das ein Gang, der nur bedingt überzeugen kann. Das Fleisch ist geschmacklich in Ordnung. Es geht allerdings zarter: Im Landgasthof Heilinghausen hätte Maitre Werner Faisst es vermutlich auf der Zunge zum Schmelzen gebracht. Der Couscous gelingt auch mir daheim in etwa so. Der Granny Smith erinnert geschmacklich eher an Birne - eine gute Birne allerdings. Der Pak Choi klingt als asiatisches Einsprengsel zum Lamm innovativ, kann uns beide aber in der Umsetzung nicht überzeugen und wirkt uns konzeptorisch wie das fünfte Rad am Wagen.

Der uns von Andreas Achatz dazu empfohlene (offene) Rotwein aus dem Bordelais besticht durch die Wucht einer Granate in der Nase (Zwetschgenkompott, Rumtopf, Portwein, Nelken), aber überschaubarem Körper im Mund bei allerdings perfekt samtigen Tanninen, trotzdem die Magnum-Flasche nicht dekantiert wurde und annähernd voll war. Schönes Beispiel der Rotweinstilistik von Mittelklasseweinen aus der Gegend um St. Emilion. Gemessen an der Diskrepanz von Spaß in der Nase gegenüber Mund und Zunge zu stolz bepreist, der Tropfen. Ein generelles Problem der Weine aus dem Bordelais, seit Chinesen, Kapitalanleger und Parker-Punkte-Trinker mit dicker Brieftasche dort die Preise versauen ...

Lapsus des Service: Es war vorab mit dem Sommelier besprochen, dass wir gerne zum Lamm ein Glas Rotwein geniessen wollten, jedoch war der Sommelier zu beschäftigt, dies rechtzeitig zu bewerkstelligen - trotz nochmaliger Erinnerung unmittelbar nach dem dritten Gang ... Folglich wartete das Lamm bei Tisch auf seinem Teller etwa 4-5 Minuten auf den Sommelier mit seiner Rotweinflasche und wurde lau ... Vergleichbares sollte für den Erhalt des Sternes hoffentlich nicht gerade dann wieder passieren, wenn die strengen Tester des Guide Michelin zu Gast sind ...

Gang 5: Vacherin du mont d'or (junge Kartoffeln, Pommery-Senf-Vinaigrette, marinierte Kräuter)

Uns mutete ein Gang zwischen dem Fleisch als klassischem Höhepunkt eines Menüs und dem süssen Dessert eigenwillig, aber interessant an. Motto: Lassen wir's auf uns zukommen ... Nach Genuss dieses Ganges sind wir nicht wirklich schlauer als zuvor und zucken beide mit den Achseln. Der geschmolzene franzöische Weichkäse auf Kartoffeln ist- verglichen mit den Vacherin du mont d'or, die ich bislang kennenlernen durfte - recht neutral im Geschmack. Wären die überragend aromatischen Kräuter nicht gewesen, das Gericht hätte enttäuscht. Warum diesen Käse nicht als "Mini-Käse-Fondue" mit Brot und/oder Kartoffeln kredenzen? So ist das Gericht - unserer Meinung nach - ein auf halbem Wege steckengebliebener Versuch, der zudem auf einer fragwürdigen Position in der Abfolge der Speisen steht. Unser beider Urteil nach - streng subjektiv und unmaßgeblich für die Allgemeinheit wie stets - der schwächste Gang des heutigen Abends.

Gang 6: Panna Cotta (Zitrusfrüchtesüppchen, eingelegte Zitrusfrüchte, Grapefruitsorbet)

Nach Madames Dafürhalten eines der besten Desserts, das sie je geniessen durfte. Auch ich bin sehr angetan.

Möglicherweise liegt das aber auch an dem ausgezeichneten Dessertwein vom Neusiedler See (0,1L 12,50 EUR), den wir dazu genossen. Eine Empfehlung des Sommeliers - eine ausgezeichnete, ja überragende Wahl seinerseits. Schwer, die Nase wieder aus dem Glas zu lösen, so einnehmend ist das Spiel der Aromen. Ein wunder-wunder-wunderbarer Süßwein, dunkel bersteinfarben im Glas dank Botrytis cinerea. Jederzeit und gerne wieder! Auch wenn der Preis fürs Schlückchen schon ambitioniert ist: Die Österreicher nehmens von den Lebenden ...


Hervorstechend an diesem Dessert ist - neben der filigranen Optik - das grandiose, ja meisterhaft gefügte Spiel von Süße und Bitterkeit, gepaart mit interessanten kräutrigen Noten. Ob die Panna Cotta tatsächlich eine "Panna Cotta im klassischen Sinne" ist, lasse ich dahingestellt, denn es mutet mir eher als sehr fluffige, aufgeschlagene, mit Gelatine in Form gehaltene aromatisierte Schlagsahne auf einem Teigboden an, die mit einem hauchzarten, aber erstaunlich crunchigen Schokoladenmantel umhüllt, in einem himmlisch austarierten Fruchtsüppchen mit reichlich Vanille sitzt. Das Grapefruit-Sorbet obenauf, die kandierten Zitrusschalenzesten: ein Hammer! Großes Kino, der beste Gang des Menüs! Bravo, Mathias Achatz & Team!

Süßes zum Kaffee (dreierlei Trüffel). Trüffelpralinen erlesener Machart beschließen unser Menü nebst einer klassischen Tasse Kaffee (3,50 EUR)  und einem doppelten Espresso (5,50 EUR.

Der wurde uns auf der Rechnung doppelt berechnet, nach Reklamation aber anstandslos mit 6,00 statt 5,50 EUR wieder von der Rechnung gestrichen. Kann passieren - darf in Lokalen dieser Güte jedoch keinesfalls passieren. Im Grunde nirgendwo. Folge eines überforderten Service?

Beide Kaffeespezialitäten: ausgezeichnet. Die Präsentation der Pralinen im edlen Holzkistchen auf Kaffeebohnen sehr stilvoll und herrlich im Duft nach frisch geröstetem Kaffee. So wird selbst der Kaffee-Abschluß eines fürstlichen Mahles zu einem Erlebnis für die Sinne. So schön haben wir das bislang selten erlebt. Ehrlich gesagt: noch nie. Chapeau!

Madame bedient heute das Automobil- ich habe daher noch Luft für einen Digestif: Armanac Samalens (3-Sterne; 7,50 EUR). Ein schöner Abschluss eines vorzüglichen Menüs.

Nähern wir uns also gemeinsam unserem Fazit: 

Auch wenn uns das Menü nicht in allen Einzelheiten uneingeschränkt begeistern konnte, so bestach es durch Raffinesse und Kreativität.

Ob allerdings die modern-französisch orientierte Stilistik der "Heinz-Winkler-Schule" mit dem Ambiente eines niederbayerischen Landgasthofes auf Dauer eine fruchtbare Symbiose eingehen kann, steht in den (beiden noch fehlenden) Sternen. Vom Grundgefühl her beißt sich da etwas im Gesamtbild. Doch was ...? Madame und ich brauchten drei Tage, diesem Gefühl auf die Spur zu kommen, um es verbalisieren zu können - ja, so lange regt der Besuch eines erstklassigen Restaurants zum Sinnieren an ...

Wir regen an: Weniger Hummer, Thunfisch und Seezunge - mehr Forelle, Zander, Saibling und heimische Flusskrebse. Statt Panna Cotta, Bayrisch Creme. Wo finden sich kreative, frisch interpretierte Reminiszenzen an klassische niederbayerische Küche im Menü? Im Menü findet sich für unseren unmaßgeblichen Geschmack zu wenig Lokalkolorit. Man muss ja einen Schweinsbraten nicht unbedingt als "Carpaccio vom Schweineleichnam" ausloben, aber wir würden uns über heimische, typische Lebensmittel wie Wammerl, Gans oder Ente oder Innereien wie Bries, Lüngerl, Zunge & Co freuen. Ich will nicht unterschlagen dass sich auf der Karte beispielsweise auch eine klassische Viertel Bauernente findet. Es ist nicht so, dass hier ausschließlich die "Winkler- und Knogl-Schule" zelebriert wird (der Deggendorfer Peter Knogl, ebenfalls ein Winkler-Schüler, bei dem Mathias Achatz gearbeitet hat, hat übrigens im zurückliegenden Jahr im Cheval Blanc in Basel den dritten Stern und 19/20 Punkte im Gault Millau erobert) ...

Auch recht wenig an ausdrücklich heimisch bezogenen, regionalen Produkten - recht viel Rungis/Paris. Ich will nicht den alten Asterix-Kalauer von Verleihnix legendären "frisch gefischten Fischen aus Lutetia" inmitten der Normandie bemühen, aber warum in die Ferne schweifen? Ostbayern hat erstklassige Lebensmittelproduzenten, die mit Stolz einem erstklassigem Koch zuarbeiten. Beim Thema Lamm habe ich es bereits angesprochen ...

Ich fürchte, dass eine "stilistische Dependance" der Aschauer Residenz oder des Cheval Blanc auf Dauer lediglich als Me-Too-Konzept wahrgenommen würde. Der Gourmet liebt das Original, allenfalls achtet er die Kopie. Es ist beim gehobenen Kochen nicht anders, als in der Kunst ... Mathias Achatz ist jung, er wird seinen Weg finden und aus dem Schatten seiner Meister treten. Kein ambitionierter Koch gibt sich auf Dauer damit zufrieden, wenn die Gäste sagen, es schmecke bei ihm so gut wie "im Stall" aus dem er stammt; jedes ehrgeizige Talent strebt beständig nach Unverwechselbarkeit und Originalität. Eine unverwechselbare kochstilistische Handschrift wird Mathias Achaz entwickeln, will er seinem verdienten Stern dauerhaft gerecht werden, oder gar einen zweiten in Angriff nehmen. Das Zeug dazu hat er, davon sind wir nach der heutigen Vorstellung überzeugt.

Soviel zum nachdenklichen Teil ...

Die Präsentation der Speisen ist von Perfektionismus getragen und wird diesem Streben gerecht. Die Weinauswahl, wie auch die Beratung bezüglich Wein und jeweils adäquatem Glas, verdienen höchstes Lob - so auch durchgängig die jeweilig verwendeten Gläser der Marken Riedel und Schott/Zwiesel. Bessere Weingläser wird man - Zalto-Gläser vielleicht ausgenommen - kaum finden können. So muss das aussehen, liebe Gastronomen, die ihr gelegentlich sehr vollmundig Weinkompetenz vorgebt, beeindruckende Weinauswahl offeriert und lausige Gläser den Spaß vom Start weg verunmöglichen.

Was das Ambiete angeht, so ist der Einrichtungsstil - freilich wie stets - Geschmackssache. Ich habe mich im Gastraum sehr wohlgefühlt und auch Madame fühlte sich auf Anhieb gut und zum Gebäude stimmig aufgehoben. Die Piano-Musik war dezent und unprätentiös, nicht zu laut, nicht zu leise. Was allerdings keine Geschmackssache ist, ist die Modernität der Ausstattung der Toiletten. Die präsentierten sich zwar tiptop-sauber  - und darauf kommt es primär auch an - aber reichlich betagt für ein Restaurant dieser Klasse. Schadhafte, sichtbar grobschlächtig reparierte Bodenfliesen im Herren-WC, Waschtischarmaturen und Waschbecken aus den 1980er Jahren, die man als Gast mit Händen berühren muss - das zu ändern, könnte man im Interesse der generellen Stimmigkeit des Gesamteindruckes in Zukunft vielleicht angehen.

Unterm Strich: Der Landgasthof Buchner hat durch Küche und Keller seinen Michelin-Stern, ohne darüber weitere Worte verlieren zu müssen, verdient. Soll ein weiterer Stern folgen, damit das neue Hotel sich auch wirklich rentiert, muss das Ambiente (WC's!) Schritt halten und der Service quantitativ aufgerüstet werden, der ab mehr als vier Tischen Restaurantbelegung seine zweifellos gegebene Professionalität nicht mehr unter Beweis stellen kann, da kein Mensch gleichzeitig überall sein kann. In Sterne-Lokalen liegt die Benchmark diesbezüglich höher als in "normalen" Landgasthöfen.

Niederbayern darf sich glücklich schätzen, ein solches Restaurant Teil der Heimat zu wissen. Wir verlebten einen hocherfreulichen, genussreichen Abend, an den wir uns gerne zurückerinnern werden und sprechen allen Freunden erstklassigen Essens und Trinkens eine uneingeschränkte Empfehlung aus, den Landgasthof Buchner auf die persönliche To-Do-List 2016 zu setzen. Wir werden wiederkommen.
























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