Samstag, 19. März 2016

In der Schäufelewärtschaft in Nürnberg

Richard Wagners Oper "Götterdämmerung" steht heute auf unserem Kulturprogramm.

In Nürnbergs Staatsoper. Der Abschluß der Ring-Tetralogie dauert - reine Spielzeit ohne Pausen - rund viereinviertel  Stunden. Und das erfordert stets eine solide Grundlage, beziehungsweise liefert eine wohlfeile Ausrede, selbige unbedingt schaffen zu müssen.

Als wir im zurückliegenden Sommer den dritten Teil des Rings ("Siegfried") an gleicher Stelle genossen, bewährte sich ein "Schäufele mit Kloß" im Schanzenbräu ausgezeichnet.

Da meine geneigte Leserschaft aber nach neuen kulinarischen Erlebnisberichten und Tipps dürstet, führte uns der Weg heute nicht erneut dorthin, sondern in die "Schäufelewärtschaft" in der Schweiggerstraße 19 im Nürnberger Stadtteil Glockenhof.
von Robert Bock


Südlich des Bahnhofs ist das Wirtshaus gelegen, kaum drei Kilometer vom Opernhaus entfernt - also beinahe fußläufig aber auch prima mit der Straßenbahn erreichbar. Die Schäufelewärtschaft versteht sich als Gralshüterin fränkischer Küche - speziell des original fränkischen Schäufele. 

Nimmt es da Wunder, ist sie die Vereinsgaststätte der "Freunde des Fränkischen Schäufele n.n.e.V.", eines Vereins, dessen Vereinsziel es ist:  "das Fränkische Schäufele zu fördern" und "die Fränkische Lebensart zu pflegen"?

Gut, dass wir einige Tage vorab einen Tisch reserviert haben, denn Schlag zwölf ist es proppenvoll an diesem Sonntag nach Weihnachten. Meist Familien und Gruppen in Sechser- bis Achterstärke, die sich hier original fränkische Küche nebst fränkischen Bieren schmecken lassen.


Das Viertel weckt Erinnerungen an unser "Erlebnis Gostenhof". Nur: Glockenhof präsentiert sich noch eine Klasse heruntergekommener als der Standort des Schanzenbräu. Kaum zu glauben, aber wahr. Ohne den alteingesessenen Glockenhofern zu nahe treten zu wollen: hier können sich weder Madame noch ich vorstellen leben zu wollen.

Die Schäufelewärtschaft sticht als bunter Flecken, als Leuchtturm förmlich heraus aus ihrem Umfeld. Nicht von außen, nein das nicht: von dem, was in ihrem Herzen geboten wird.

Die Damen vom Service sind jung und freundlich - wie das Ambiente. Kokettiert die Schankwirtschaft des Schanzenbräu bewußt mit Anachronismen, versucht die Schäufelewärtschaft ein fränkisches Wirtshaus modern und jung zu interpretieren. Ob jedermann die überlebensgroßen Schweinefotos als Wandschmuck schätzt? Veganer dürften sich selten in ein Lokal mit fränkischer Küche verirren, und wer auf Schäufele steht, den stört es wahrscheinlich eher selten, wenn einem die Verwandtschaft seines Essen beim Biss in die knusprige Kruste über die Schulter schaut.

Was bstellmer denn zum Dringgn?

Madame ist wieder einmal mutig. Sie bestellt in Bier-Franken einen Wein: Ein fränkischer, trockener Bacchus (0,2L zu 4,20 EUR). Nein - kein Fehlgriff.
Obwohl es eine ganz ansehnliche Auswahl an Bieren lokaler kleinerer Brauereien hier gibt, wähle ich ein Rotbier vom Schanzenbräu. Es hat mir damals einfach zu gut gemundet, als dass ich ein mir unbekanntes Bier riskieren wollte. Wer in die Gegend kommt: Das Rotbier vom Schanzenbräu ist eine Klasse für sich. Dafür kann man all den überkanditelten Craft-Bier-Hype vergessen. Craft-Biere werden möglicherweise vor allem dort gebraut (und nachgefragt), wo man ansonsten kein anständiges Bier zustandbekommt. Diese Gefahr besteht in Franken - vor allem in der fränkischen Schweiz - unter keinen Umständen. Wer's bezweifelt, fahre beispielsweise nach Leups zum Gradl.

Madame ist heute nach einer Schäufelesülze mit Bratkartoffeln und Essiggurke (8,70 EUR). Die Portion ist - frankentypisch - üppig, der rohen Zwiebeln ihrer allerdings zuviele ... Wer am Nachmittag in dicht gedrängten Reihen im Opernauditorium sitzen wird, denkt an den berüchtigten "Zwiebelatem" und seine Mitmenschen. Und da gegen Zwiebelatem im Grunde nur Knoblauch hilft, ist es besser den Berg roher Zwiebeln mit der Gabel beiseitezukehren.

Madames Bratkartoffeln sind schön kross und gerade richtig im Gargrad, das verarbeitete Schäufelefleisch und der Grad an Säure des Sulzstandes hervorragend. Der Stand gibt trotzdem Anlaß zur Kritik: zwar schmeckt er tadelos und ist von fester, aber nicht zu fester Konsistenz - aber nie und nimmer "klassisch", sondern mit Sülzpulver oder Gelatineblättern angesetzt und von daher viel zu mager und zu klar. Wer original fränkische Küche bietet, sollte sich das Verwenden von bequemen Hilfsmitteln unseres Erachtens besser verkneifen. Reicht schon, dass man in einem bekannten Regensburger Biergarten eine ähnlich produzierte, squashballzähe, kugelförmige Sulzeninterpretation vorgesetzt bekommt - in Franken erwarte und kenne ich das anders. Der Nürnberger Vorschlag ist allerdings geschmacklich und von der Qualität der Einlage um mindestens drei Klassen besser, als das angesprochene Regensburger Machwerk. Franken eben: Was Gerichte der Fleischküche angeht, kann die Oberpfalz - und schon gar nicht Niederbayern - mit den Ober- und Mittelfranken nicht im Traum mithalten. Die besten Metzgereien Niederbayerns rangierten hier in Franken wohl unter ferner liefen, falls sie sich überhaupt halten könnten. Wer's nicht glaubt, begebe sich auf Exkursion ...

Wieso käme jemand in einem Wirtshaus namens "Schäufelewärtschaft" auf den Einfall, etwas anderes zu bestellen, als ein Schäufele?

Eben ... Deswegen bestelle ich ein "Ofenfrisches Schäufele mit Soß und Kloß" für 9,80 EUR.

Der Klos ist ein wundervolles Exemplar eines fränkischen Kartoffelkloses - samt Breggala. Die Soß ist reichlich, nach allen Regeln der Kunst gezogen und mit reichlich einreduziertem Bier perfektioniert. Das Ambiente auf dem Teller stimmt also schon mal ...

Nun zum Protagonisten: dem Schäufele: Die Kruste ist gschmackig und kross, wie sie besser nicht gelingen kann. A gscheids Messa wär brima dazou ... dies als Anregung.
Das Fleisch so zart und perfekt gegart, dass es vom namensgebenden Schulterblattknochen fällt und auf der Zunge förmlich zergeht wie das neumodische - aber deswegen nicht automatisch bessere - meistens überschätzte Pulled-Pork-Gedöns aus Imbisswägen, die sich neuerdings Food-Trucks schimpfen, damit sie zwei Euro draufschlagen und die Portionen halbieren können. Ein derart zartes Schweinefleisch muss man hier nicht aus der Pranke auf zugigen Möbelhausparkplätzen im Stehen und ohne Besteck konsumieren, sondern darf in einer wohlig warmen, heimeligen Gaststube auf einem bequemen Stuhl, an einem Tisch mit Tischdecke platznehmen. Nebst einem gepflegten Bier dazu aus einem adäquaten Glas ...

Und wenn der Hopfenblütentee gar treibt, sucht man die saubere, gepflegte Toilette auf ... Wo einem Glockenhofer Humor entgegenschlägt. Man beachte die beiden Fotos. Madame sagt: Auf der Damentoilette vergleichbar zotige Deko - nur geschlechtsspezifisch andersrum.

Hier kann man wieder her, hier versteht man ein Schäufele in Perfektion zuzubereiten. Das verspricht die Schäufelewärtschaft über ihr Konzept und dieses Versprechen hält sie auch. Die Sülze würde Madame zwar nicht noch einmal bestellen, aber jederzeit eines der vielen anderen klassischen fränkischen Gerichten auf der Karte.

Unseres Erachtens wäre es längst an der Zeit für ein richtig exotisches Restaurant in Regensburg: Eines mit original fränkischer Küche ... Mit Fleisch und Wurst von fränkischen Metzgern, ausschließlich fränkischen Weinen und Bieren fränkischer Dorfbrauereien. Wie schaut's aus? Wer traut sich die Missionierung der Hauptstadt der Oberpfalz zu, liebe Gastronomen Frankens?




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